Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
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Durante
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Durante »

Phönix75 hat geschrieben: Freitag 11. November 2022, 06:01 Kurz und knapp... Nein! Man sehe, wie sich allgemein die Politik und der Mainstream in den letzten 2 Jahrzehnten der links-liberalen Herrschaft entwickelt hat. Und das ist 1:1 auf die Szene zu übertragen. Und du kannst mir glauben, dass es diese Entwicklung, mit einer stark konservativen Partei, wie der CDU, nicht gegeben hätte...
Kurz und knapp ;) : Es gibt und gab in Deutschland noch NIE einen links-liberalen Mainstream (es sei denn du meinst NICHT die BRD im Jahre 2022 in dieser unserer Dimension sondern spricht von einer alternativen parallelen Realität - Aber dann sag mir doch bitte auch wie ich da hin komme! :D ).
Das ist nur ein Framing von konservativen und rechten dass Deutschland do irgenwie furchtbar "links" oder "links-grün" wäre (schön wärs...). Gut, vom Standpunkt der Höcke-AfD aus z.B. ist natürlich fast alles "links", das is auch klar.
Deutschland wurde eine Zeit lang glücklicherweise in einigen Bereichen "liberaler" - DAS ja.
Erlauben von homosexuellen Ehen -> Liberal.
Evtl. bevorstehende Entkriminalisierung von Cannabis -> Liberal.
etc.
Aber liberal bedeutet leider noch nicht linksliberal.
Die Privatisierung von öffentlicher Infrastruktur, die Demontage des Sozialstaats seit Schröder, das Retten von sich verzockenden Banken mit Steuergeldern unter Merkel, nichts davon ist/war je "links" oder "linksliberal". Ist mir schleierhaft wie man zu dieser Einschätzung kommt. Stimmt objektiv einfach nicht.
NEOliberal - DAS ist korrekt.
Wie kann man ernsthaft der Ansicht sein ein Land das bis vor kurzem noch (und das immerhin 16 Jahre lang) von einer Frau regiert wurde die vor Fernsehkameras allen Ernstes wortwörtlich Dinge sagte wie "Wir brauchen eine Markt-konforme Demokratie" (dafür allein hätte ich pers. sie ja gern des Amtes enthoben) oder "Wir dürfen die Märkte nicht verunsichern" wäre irgendwie "...links"?
Ein Land in dem jetzt die neoliberale FDP (obwohl kleinste Regierungsfraktion) jedes evtl. soziale Projekt (und nein, wirklich viel erwarte ich da von einer Scholz-SPD oder den heutigen Grünen auch nicht) torpedieren darf?
Aber wie gesagt, ich weiß bereits dass wir beide da nicht weiterkommen (was aber auch nicht weiter tragisch ist - agree to disagree) - Ich wollte nur dieses gern wiederholte Framing/diese merkwürdige Interpretation des Begriffes "Links" hier nicht unwidersprochen stehen lassen. ;)

Außerdem hat das jetzt mit der Szene wie Rascheln schon gesagt hat wirklich rein gar nichts zu tun (unabhängig davon wie man "linksliberal" definiert, wobei das in der Politikwissenschaft jetzt eigentlich kein schwammiger Begriff ist).
Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Freitag 11. November 2022, 10:00 Ich bin auch kein großer Freund davon, wohin die Szene sich entwickelt hat; wer hier regelmäßig meine Beiträge liest, der wird das ohnehin schon wissen. Ich sehe da allerdings nicht wirklich einen Zusammenhang mit der aktuell vorherrschenden Politik und tu` mich da auch schwer, das auf die schwarze Szene in irgendeiner Art und Weise zu übertragen. Das alles rührt in meinen Augen einfach von den Menschen selbst her; auch dem Zeitgeist, den Gründen, warum Leute sich in Subkulturen bewegen (wollen), auch das recht verzerrte Bild von "Gothic", dass die Medien teilweise vermitteln , sind da nicht ganz unschuldig.
THIS!
Hätte es nicht besser formulieren können. Wobei die Szene ja jetzt zwar wesentlich kleiner ist als sie es z.B. in den 2000ern war... aber dafür empfinde die wenigen Szenemitglieder die mir heute noch begegnen als wesentlich authentischer als es damals oft war. "Der harte Kern" ist halt geblieben (und hat sich zumindest teilweise etwas auf seine Wurzeln besonnen wie es mir scheint), will sagen: Die Szene war def. schon oberflächlicher und beliebiger als sie es heute ist finde ich. :)
(Ich rede jetzt nicht von WGT-Besuchern, ich weiß dass das für manche nur so eien Art Karneval ist (natürlich nicht für alle), ich rede von wirklichen Goths/Gruftis, die eben 365 Tage im Jahr Goths/Gruftis sind.)
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Phönix75
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Phönix75 »

@Durante , du hast doch tatsächlich vergessen, dass sich der Staat mittlerweile ohne viel Zögern in Unternehmen einkauft und somit teilverstaatlicht. Mal ganz von der Bankenrettung abgesehen... ist mir schleierhaft, wie du das im gleichen Atemzug mit Privatisierungen nennen kannst... streng genommen wäre das ein Schritt Richtung Sozialismus. Aber die eigene Wahrnehmung muss nicht unbedingt stimmen... ;) Zu Zeiten, als die FDP mit der CDU regiert hat, wurde viel Staat privatisiert. Die Akte Schröder war ein Schuß in den Ofen. Den würde man doch eher politisch bei der FDP verorten. Was sozial unbedingt mit Links-(liberal) zu tun hat ist mir auch nicht ganz klar. Vielleicht definiere ich das tatsächlich etwas anders... aber ein (kostenloser) Tamponautomat in einem Männer-WC ist vielleicht auch nur ein weiterer selten dämlicher Einfall, der einem links-grünem Hirn entfleucht ist. :lol:

P.S. Bitte selbst googeln.
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Herbstlaubrascheln
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Bei politischen Diskussionen kommt man oft auf keinen grünen Zweig. Wird hier auch der Fall sein.
Tatsächlich interessiert es mich aber schon, wie man die Verbindung von Politik und schwarze Szene zieht..Vielleicht mag Phönix das ja noch irgendwie weiter erläutern? Ich habe die Szene generell eher als etwas phlegmatisch und zurück gezogen erlebt; politisch beeinflusst so gut wie gar nicht.
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Phönix75
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Phönix75 »

@Herbstlaubrascheln Ich hatte es ja in einem meiner vorherigen Beiträge schon erwähnt. Für mich ist eindeutig die Abgrenzung gegen jedwede äußere Einflüße in der Szene schon alleine deswegen nicht gelungen, weil ich die Szene oft auch als ziemlich lethargisch und gleichgültig wahrgenommen habe und auch, weil man meint, dass politisch links stehende Schwarzkittel die Szene offen halten müssen für jeden, außer natürlich für vermeintlich Rechte (logisch). Wenn dem nicht so wäre, würde die politisch Linke (darunter auch Grüne) im Lande keine Migranten und Flüchtlinge ins Land lassen und sich nicht so vehement für die Rechte von noch so kleinen Minderheiten einsetzen. Man muss einfach auch die Parallelen sehen. Ich fand das schon immer Scheiße, dass man es zugelassen hat, dass man in Clubs zu schwarzen Veranstaltungen auch Leute reingelassen hat, die so garnichts mit der Szene zu tun hatten. Da fand ich Dresscode doch schon ziemlich hilfreich. Meist machten komischerweise diese Leute, die da auch optisch nichts zu suchen hatten, entweder Stunk, belästigten Frauen oder waren so besoffen, dass sie irgendwann rausgeschmissen wurden. Und ja, das hab ich alles selbst miterlebt, bevor wieder jemand unkt. ;) Ich finde schon, dass links sein und Leute, aufgrund von fehlender Szenezugehörigkeit, den Eintritt verwehren, sich ausschließen. Da bringe ich das Wort Toleranz wieder ins Spiel. Mir fehlt die in vielen Bereichen, aber ich würde mich auch nicht als links bezeichnen, sondern bin für soziale Gerechtigkeit. Vielleicht war ich früher mal mehr auf auf der linken Seite, aber seit sich die Politik (auch schon zu Merkels Zeiten) immer weiter nach links verschoben hat, in diesem Land eigentlich nichts mehr vorwärts geht und viele im Ausland über Deutschland lachen, Angst und Panik verbreitet wird, sich Grüne und Teile der Linken als Kriegstreiber hochstilisieren... nein Danke! Ich habe schlicht die Schnauze voll von wohlstandsverwahrlosten Ideologen, die Probleme sehen, wo keine sind, nur um sich zu profilieren, von verlogener Politik, Schwarz-Weiss-Denken, der Verhunzung der deutschen Sprache und unendlicher Doppelmoral.

Das soll auch genügen. Ich habe immer gesagt, dass die Szene ein genauso verkommener Haufen ist, wie der Rest der Gesellschaft. Ausnahmen bestätigen die Regel. ;)
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Herbstlaubrascheln
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Sicherlich begegnet einem in der Szene ein nicht geringer Anteil an Linksdrall; aus diversen Gründen ja auch nicht großartig ungewöhnlich. Eine allgemeine "Gültigkeit" hat das aber auch nicht - auch wenn bestimmte, politische Orientierungen recht häufig an zu treffen sind, ist es absolut nicht ausgeschlossen, dass einem auch komplett andere Gesinnungen innerhalb der Szene über den Weg laufen. Deswegen habe ich die Szene schon immer als "unpolitisch" bezeichnet; schlicht und einfach deswegen, weil die politische Orientierung nicht mir rein spielt, warum und weshalb man in der Grufti-Szene landet. Deswegen sehe ich da nicht wirklich einen Zusammenhang; auch wenn mir schon klar ist, worauf Du hinaus willst. Man kann hier Parallelen sehen, wenn man sich bestimmte Dinge ansieht, die Du erwähnst - für mich persönlich liegt der Hund da ganz wo anders begraben (wie man in Bayern so schön sagt :lol: ) Ein bestimmter Zeitgeist mag da mit Sicherheit mit rein spielen - die Leute laufen anders als meinetwegen in den 90er Jahren; und auch die Haltung zu Subkulturen und Jugendkulturen etc. ist eine vollkommen andere geworden. Bzw. die Motivation, sich in solchen Ecken herum zu treiben.
Zum Thema Dresscode: Fand` ich generell noch nie eine schlechte Sache. Veranstaltungen, in denen man eben nicht jeden rein gelassen hatte, liefen meiner Erfahrung nach immer wesentlich entspannter ab als andere. Das hat nix mit elitärer Grufti-Spinnerei zu tun; das habe ich selbst auch immer wieder so erlebt. Auf irgendwelchen "schwarzen Nächten" in Kleinstadt-Discotheken wurde das nie so gehandhabt, was zur Folge hatte, dass da auch gerne mal der Stammtisch der freiwilligen Feuerwehr im Vorraum einen trinken war; sicherlich für beide Seiten nicht der optimale Abend, aus verschiedenen Gründen. Bei solchen Konstellationen gab`s zwar keine Ausschreitungen und auch keinen Stress, aber es gibt sicherlich auch bessere Feten als solche *lacht* Aber sowas ist hier gar nicht gemeint; verstehe ich auch.
Was Phönix beschreibt, kenne ich auch. Wenn ich also auf eine schwarze Veranstaltung gehe, habe ich auf sowas natürlich keinen Bock. Wenn ich irgendwo in Stino-Lokalen oder auf solchen Veranstaltungen unterwegs bin (was recht selten passiert), muss ich natürlich damit rechnen, dass evtl. entsprechende Reaktionen kommen, dass mir so manches auf den Wecker geht und ich mich dort so a bissl weniger kompatibel vorkomme *lach* - aber schwarzen Veranstaltungen will ich das dann aber nicht. ;)
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Graphiel
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Graphiel »

@Phönix75 Ich verstehe ehrlich gesagt immer noch nicht so richtig, wie du zu deiner Schlussfolgerung gelangst. :?:

Ich versuche dennoch dir zu folgen und das mal etwas aufzudröseln. Wenn ich da nun irgendwo etwas falsch wiedergebe, so korrigiere mich bitte

Feststellung a) Es gibt eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Szene
Feststellung b) Die Szene ist (teilweise) viel zu tolerant gegenüber der Außenwelt und vertritt damit eher (in deinen Augen) linke Positionen.
Feststellung c) Die Politik ist (in deinen Augen) nach links gerutscht - Siehe Migration und Rechte für Minderheiten
Schlussfolgerung: Weil die Politik nach (in deinen Augen) links gerutscht ist, tat es die Szene ihr gleich und verwässerte sich. - Hier hattest du einen Dreher, nehme ich an? Da der Satz :
Wenn dem nicht so wäre, würde die politisch Linke (darunter auch Grüne) im Lande keine Migranten und Flüchtlinge ins Land lassen und sich nicht so vehement für die Rechte von noch so kleinen Minderheiten einsetzen.
... sich für mich sonst so liest, als orientiere sich die Politik an den links eingestellten Szenemitgliedern (was ich stark zu bezweifeln wage)

Darauf basierend nun mal meine Antwort. Wie gesagt, wenn ich irgendwo etwas falsch verstanden habe, gerne korrigieren.

Feststellung a teile ich absolut. Eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Szene lässt sich nicht abstreiten. Wie denn auch? Die Szene entstand schließlich nicht im luftleeren Raum und bediente sich schon immer auch irgendwo an den Errungenschaften der Gesamtgesellschaft. Manchmal um dieser einen Spiegel vorzuhalten, manchmal weil es einfach zur Thematik der Szene passte und manchmal eben auch um sich bewusst von bestimmten Inhalten abzugrenzen. Soweit gehe ich mit.

Feststellung b teile ich teilweise. Ja, auch ich empfinde die Szene an einigen Stellen als zu tolerant. Spätestens wenn sich auf schwarzen Veranstaltungen jemand benimmt wie die offene Hose, so ist auch bei mir der Ofen aus. Wer andere (und sei es nur im besoffenen Kopf) belästigt, anpöbelt, angreift oder sich anderweitig daneben benimmt gehört für mich vor die Tür gesetzt. Da ist es mir dann auch vollkommen egal wie dieser Mensch ausschaut, welches Geschlecht, welche Weltanschauung er hat, oder welche Gebrechen er mit sich herumträgt.

Auch gegen einen moderaten Dresscode hätte ich persönlich nicht zwingend etwas einzuwenden, da ich es auch als irgendwie unhöflich empfinde wenn man sich auf rein schwarzen Tanzveranstaltungen nicht einmal mehr die Mühe machen will und sich ein schwarzes Hemd, oder Shirt anzieht. Ein absolutes MUSS wäre so ein Dresscode für mich aber nicht, da ich nicht sicher bin ob dieser überhaupt zielführend bei den "Problemen" wäre.

Wo ich hingegen meine Schwierigkeiten habe ist die Aufgeschlossenheit gegenüber vermeintlich "Jedem". Dazu frage auch ich mich wie man überhaupt die Zugangsberechtigung zur Szene definieren soll. Ich teile zwar auch den Gedanken, dass nicht jeder der sich in der Gesellschaft irgendwie fehl oder nicht angenommen fühlt automatisch in die schwarze Szene gehört. Aber wie unterscheidet man da zwischen potenziell schwarzen und nicht-schwarzen "Sonderlingen"? Reicht es die entsprechende Musik zu mögen? Muss man die Gesellschaft oder zumindest Teile davon strikt ablehnen? Wenn ja, welche, was hat das mit Goth(ic) zu tun und wie kann man das nachweisen? Muss man jeden Tag in schwarz verbringen und wenn ja, wie soll man dies nachweisen können? Auch ich wüsste spontan nicht wie ich in einer fremden Stadt und einem fremden Club nachweisen sollte, dass ich wirklich so bin, wie ich bin. Eine Fotosammlung mit entsprechenden Bildern aus dem Urlaub, von meiner Arbeit, oder eine schriftliche Bestätigungen meiner gruftigen Bekanntschaften trage ich ja nicht ständig mit mir herum. Mir fehlt da einfach die Vorstellung wie sowas praktisch umgesetzt werden sollte, da dies ja schon innerhalb der eher urgruftigen bubble außer in Sachen Musikgeschmack nicht wirklich homogen ist und auch da verschiedene Lebensentwürfe aufeinander prallen. Und selbst wenn all das irgendwie umsetzbar wäre, so wüsste ich nicht wie Clubbetreiber sowas finanziell überleben sollten. Selbst bei recht speziellen Veranstaltungen, wie der Sabotage Noir (meine Lieblingstanzveranstaltungen) legt der Veranstalter hier keine all zu starken Maßstäbe an und es laufen Leute dort herum, die nicht (mehr) dem absoluten Klischeebild eines waschechten Grufties entsprechen. Und sei es nur weil sie altersbedingt gar nicht mehr genug Haare auf dem Kopf haben um eine gruftige Frisur daraus zu bauen. :lol: Hier ist es (so muss man es ehrlicherweise zugeben) lediglich die eingeschränkte Musikpalette die einen äußeren, künstlichen Rahmen absteckt. Halt indem sie Musikrichtungen wie Metal, oder fast schon technoartige utz utz utz Musik nahezu ausschließt.

Was ich hingegen gar nicht teile ist die Ansicht, dass all die übertriebene Toleranz irgendwas mit links zu tun hat, aber dazu komme ich ausführlicher bei Punkt c. Da würde ich nun höchstens soweit den Punkt gelten lassen, dass Faschos bei schwarzen Veranstaltungen (zumindest meinen Erfahrungen nach) gefälligst draußen zu bleiben haben.

Feststellung c teile ich offen gestanden gar nicht. Ich sehe nicht, dass die Politik nach links gerutscht ist, auch nicht die grünen. Schön wäre es ja, aber.... Was in meinen Augen gemacht wurde ist ein Ruck in Richtung eines pseudo-linken Moralismus. Man hat sich linker Themen bedient und sie in ein nach wie vor durch und durch neoliberales System eingefädelt. Man hat diese Themen (und das ist der springende Punkt) rein kosmetisch behandelt, denn ohne einen weitreichenden Systemwechsel bleiben diese Maßnahmen und Idee nicht mehr als oberflächliche Schönheitskorrekturen ohne irgendwelche tiefgreifenden Auswirkungen. Die eigentlichen Machtverhältnisse wurden in all der Zeit so gut wie nie angetastet und das werden sie auch mit diesen Schönheitskorrekturen nicht. Andere Leute würden so eine Handhabung und Einstellung vielleicht noch wohlwollend als gut bürgerlich bezeichnen, ich für meinen Teil ziehe inzwischen den viel direkteren Begriff Heuchelei vor. Viel mehr als substanzlose Selbstbeweihräucherung ist all das in meinen Augen nämlich nicht. Mit links hat das alles jedenfalls so gut wie gar nichts zu tun. Ich gebe jedoch zu, dass ich dies lange Zeit selbst nicht erkannt habe. Die Grünen (und das ist für mich das perfideste daran) haben diese Suggestion von Progressivität nahezu perfektioniert. Sie schmücken sich mit Pseudohumanismus, Pseudoemanzipation, usw. und machen es sich damit superleicht Kritik (wenn sie denn kommt) immer gleich nach rechts zu deflektieren, während sich von rechts ohnehin nur an den kosmetischen Eingriffen abgearbeitet wird. Von daher würde ich ausnahmsweise sogar der Polemik einer Sarah Wagenknecht zustimmen (wenn auch nur in diesem Punkt), dass die Grünen damit aktuell die gefährlichste Partei in Deutschland ist. Ich vertraue denen jedenfalls nicht weiter als ich sie im Einzelfall werfen kann.

Schlussfolgerung: Ja, auch ich sehe natürlich eine Wechselwirkung zwischen Szene und Gesellschaft. Den gab es (natürlich) immer und den wird es auch immer geben, solange die Szene nicht auf einen Extraplaneten umzieht. Allerdings sehe ich weder einen politischen Linksruck, noch dass sich dieser in der Szene widerspiegelt. Alles andere hat (wie ich finde) @Herbstlaubrascheln in ihrem letzten Post schon gut zusammengefasst:
Man kann hier Parallelen sehen, wenn man sich bestimmte Dinge ansieht, die Du erwähnst - für mich persönlich liegt der Hund da ganz wo anders begraben (wie man in Bayern so schön sagt :lol: ) Ein bestimmter Zeitgeist mag da mit Sicherheit mit rein spielen - die Leute laufen anders als meinetwegen in den 90er Jahren; und auch die Haltung zu Subkulturen und Jugendkulturen etc. ist eine vollkommen andere geworden. Bzw. die Motivation, sich in solchen Ecken herum zu treiben.
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Herbstlaubrascheln
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Ich habe dem Ganzen gar nicht viel hin zu zu fügen, wenn ich ehrlich bin.
Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Szene = unvermeidbar. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Politik fließt da in meinen Augen halt nicht sonderlich mit rein; bzw. ich sehe die aktuelle Politik nun auch nicht so sehr "links", wie das momentan ständig betitelt wird. Man bediente sich einiger "linker" (wenn man das so allgemein betiteln und kategorisieren kann und möchte - möchte ich eigentlich eh nicht, aber anders wüsste ich es gerade nicht auszudrücken) Themen und hat die fast schon ins Lächerliche gezogen; so dass der Rest der Welt bestimmten Dingen nur noch mit Spott und Hohn begegnet.
Graphiel hat geschrieben: Dienstag 15. November 2022, 09:54 Sie schmücken sich mit Pseudohumanismus, Pseudoemanzipation, usw. und machen es sich damit superleicht Kritik (wenn sie denn kommt) immer gleich nach rechts zu deflektieren
Ich mache es auch kurz und knapp: Leider die Wahrheit. :roll:
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Durante »

Phönix75 hat geschrieben: Freitag 11. November 2022, 19:40 @Durante , du hast doch tatsächlich vergessen, dass sich der Staat mittlerweile ohne viel Zögern in Unternehmen einkauft und somit teilverstaatlicht. Mal ganz von der Bankenrettung abgesehen... ist mir schleierhaft, wie du das im gleichen Atemzug mit Privatisierungen nennen kannst... streng genommen wäre das ein Schritt Richtung Sozialismus.
Viel sag ich jetzt speziell zu dir in diesem Thread hier nicht mehr, weil eigentlich eh alles gesagt ist (und wenn jemand mit dem "links-grünen Tampon-Automaten" ankommt kann man die Diskussion eh beenden :roll: , das sind Themen für die Bild-Zeitung), und wie Rascheln schon gesagt führt das hier am Ende auch nirgendwo hin ;) - Nur eins noch: Seit Jahrzehnten werden in diesem Land Verluste vergesellschaftet (weil "Systemrelevant" blablah...) und Gewinne privatisiert. "Verstaatlicht" wie du es nennst wird erst wenn der Karren von ein paar "Unternehmern" gegen die Wand gefahren wurde, da haben die Neoliberalen nämlich plötzlich "überraschenderweise" nichts mehr gegen ein Eingreifen des sonst so verhassten Staates in den sogenannten "freien Markt"... schon seltsam oder? :lol:
Graphiel hat geschrieben: Dienstag 15. November 2022, 09:54 Feststellung c teile ich offen gestanden gar nicht. Ich sehe nicht, dass die Politik nach links gerutscht ist, auch nicht die grünen. Schön wäre es ja, aber.... Was in meinen Augen gemacht wurde ist ein Ruck in Richtung eines pseudo-linken Moralismus. Man hat sich linker Themen bedient und sie in ein nach wie vor durch und durch neoliberales System eingefädelt. Man hat diese Themen (und das ist der springende Punkt) rein kosmetisch behandelt, denn ohne einen weitreichenden Systemwechsel bleiben diese Maßnahmen und Idee nicht mehr als oberflächliche Schönheitskorrekturen ohne irgendwelche tiefgreifenden Auswirkungen. Die eigentlichen Machtverhältnisse wurden in all der Zeit so gut wie nie angetastet und das werden sie auch mit diesen Schönheitskorrekturen nicht. Andere Leute würden so eine Handhabung und Einstellung vielleicht noch wohlwollend als gut bürgerlich bezeichnen, ich für meinen Teil ziehe inzwischen den viel direkteren Begriff Heuchelei vor. Viel mehr als substanzlose Selbstbeweihräucherung ist all das in meinen Augen nämlich nicht. Mit links hat das alles jedenfalls so gut wie gar nichts zu tun. Ich gebe jedoch zu, dass ich dies lange Zeit selbst nicht erkannt habe. Die Grünen (und das ist für mich das perfideste daran) haben diese Suggestion von Progressivität nahezu perfektioniert. Sie schmücken sich mit Pseudohumanismus, Pseudoemanzipation, usw. und machen es sich damit superleicht Kritik (wenn sie denn kommt) immer gleich nach rechts zu deflektieren, während sich von rechts ohnehin nur an den kosmetischen Eingriffen abgearbeitet wird. Von daher würde ich ausnahmsweise sogar der Polemik einer Sarah Wagenknecht zustimmen (wenn auch nur in diesem Punkt), dass die Grünen damit aktuell die gefährlichste Partei in Deutschland ist. Ich vertraue denen jedenfalls nicht weiter als ich sie im Einzelfall werfen kann.
Sehe ich im großen und ganzen genauso. Dein ganzer Post war eine sehr treffende Analyse finde ich. Und die Grünen sind schon sehr lange eine bürgerliche Partei (selbst eine vor vielen Jahren unter Parteimitgliedern durchgeführte Umfage ergab mal dass sich nur eine Minderheit noch selbst als "links" definieren würde, hat mich damals noch gewundert, rückblickend allerdings...). Nur dass die Grünen - bei all ihrer Scheinheiligkeit (allein schon dieses Getue man könne den Planeten retten völlig OHNE dass irgendjemand auch nur auf irgendetwas verzichten muss (weil man will ja schließlich gewählt werden)... :roll: ), gefährlicher als die AfD sein sollen... naja, ich weiß nicht.
Scheinheiligkeit und Heuchelei sind eines - Lügen, Hetzen, Hass sähen und Mord- wie Brandanschläge usw. dabei billigend in Kauf nehmen nochmal was anderes.
Oder anders ausgedrückt: Wenn mir jemals ein Mitglied oder ein Anhänger irgendeiner deutschen Partei nachts an einem Bahnhof betrunken den Schädel einschlägt weil er mich wg. des androgynen Grufti-Looks für eine Zitat "scheiß Schwuchtel" hält, wird das wohl definitiv KEIN Grüner sein. ;)
(Und selbst wenn man den abstrakten, "gesamtgesellschaftlichen Schaden" betrachtet den eine Partei langfristig anrichtet und individuelle Gewalt ausblendet, sehe ich da AfD und jetzt aktuell gerade auch die FDP im Negativ-Ranking noch weit vor den Grünen.)
Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Dienstag 15. November 2022, 11:53 Ich habe dem Ganzen gar nicht viel hin zu zu fügen, wenn ich ehrlich bin.
Zusammenhang zwischen Gesellschaft und Szene = unvermeidbar. Das ist nicht von der Hand zu weisen. Politik fließt da in meinen Augen halt nicht sonderlich mit rein; bzw. ich sehe die aktuelle Politik nun auch nicht so sehr "links", wie das momentan ständig betitelt wird. Man bediente sich einiger "linker" (wenn man das so allgemein betiteln und kategorisieren kann und möchte - möchte ich eigentlich eh nicht, aber anders wüsste ich es gerade nicht auszudrücken) Themen und hat die fast schon ins Lächerliche gezogen; so dass der Rest der Welt bestimmten Dingen nur noch mit Spott und Hohn begegnet.
Das fasst es ganz gut zusammen.
Und das angeblich so "linke"(?) Deutschland ist seit 2015 eigentlich offenkundig gehörig nach rechts gerückt, AfD, Pegida & Co. haben es sehr erfolgreich geschafft den öffentlichen Diskurs in ihrem Sinne zu verschieben.
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Die Diskussion hier wird ja tatsächlich ein klein wenig politisch; wobei wir ja direkt wieder beim eigentlichen Thema wären...*muss lachen*
Natürlich sind das alles wichtige Punkte, über die durchaus auch gesprochen werden soll und kann und muss - es soll also nun nicht so rüber kommen, als würde ich ein Gespräch in der Richtung irgendwie nicht zu schätzen wissen. Was aber auch deutlich wird: DIE EINE politische Gesinnung, die man mit der Szene irgendwie in Verbindung bringen könnte, gibt es eben nicht. Würden hier noch mehr Leute schreiben, würde das sicherlich noch deutlicher werden. Und wie ich schon ein paar Beiträge weiter oben erwähnt hatte: Man kommt da ohnehin nie einen gemeinsamen Nenner; zumindest ab einem gewissen Punkt geht`s in solchen Diskussionen dann nicht mehr weiter.

Um @Graphiels "Punkte" noch mal auf zu greifen, vorallem den "Punkt B", weil der für mich persönlich ziemlich relevant ist - dass Die Szene "zu tolerant nach außen hin" ist. Das ist sie. Und das spielt eine große Rolle, warum "Gothic" so gut wie gar keine Bedeutung mehr hat. Mir ist durchaus bewusst, dass die Szene in so gut wie jedem Jahrzehnt tot geredet wurde *lach* - das haben Subkulturen schon immer an sich gehabt. Schon immer wurde ausgiebig darüber diskutiert, was nun "true" ist und was nicht, wer Plan hat und wer nicht, wer alles kaputt macht und wer nicht. :roll: Logisch, kennt man. In der schwarzen Szene fand da allerdings eine recht eigenartige Entwicklung statt, die einem in anderen Ecken SO nicht wirklich begegnet - nämlich, dass eine Szene, die ehemals sich über Musik und eine bestimmte Optik definierte, auch offen wurde für Menschen, die weder mit dem einen noch mit dem anderen etwas am Hut hatten. Das "Gothic ist, was Du draus machst"-Motto hatte mich als langjährigen Grufti dann doch sehr irritiert - nicht, weil es mir nicht vollkommen bums wäre, was andere Leute tun oder wie sie sich nennen oder was auch immer. Sondern aus vollkommen anderen Gründen. Mit denen ich aber das eigentliche Thema vollkommen sprengen würde.
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Re: Ist die Schwarze Szene politisch orientiert?

Beitrag von Graphiel »

Durante hat geschrieben: Mittwoch 16. November 2022, 08:46 Nur dass die Grünen - bei all ihrer Scheinheiligkeit (allein schon dieses Getue man könne den Planeten retten völlig OHNE dass irgendjemand auch nur auf irgendetwas verzichten muss (weil man will ja schließlich gewählt werden)... :roll: ), gefährlicher als die AfD sein sollen... naja, ich weiß nicht.
Scheinheiligkeit und Heuchelei sind eines - Lügen, Hetzen, Hass sähen und Mord- wie Brandanschläge usw. dabei billigend in Kauf nehmen nochmal was anderes.
Deshalb war es mir auch so wichtig hervorzuheben, dass sich die Gefährlichkeit ausschließlich auf den Punkt der Perfektionierung von Scheinheiligkeit und Heuchelei beziehe, denn darin sehe ich tatsächlich auch ein Gefahrenpotenzial. Ich gebe @Herbstlaubrascheln aber recht, dass es gerade wieder sehr in Richtung allgemeine Politik geht. Daher lasse ich das einfach mal so stehen und stimme dir zumindest in dem Punkt zu, dass Scheinheilichkeit nicht mit der Toleranz von Hetze, Mord usw. gleichzusetzen ist. Wobei da die Grünen auch keine Unschuldslämmer sind. Denn wer Waffen nach Saudi Arabien liefert und damit im Jemen (Einer Demokratie!) Tote in Kauf nimmt ist in meinen Augen jetzt auch nicht so viel besser. ;)
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