Arminius81 hat geschrieben: ↑Mittwoch 24. Februar 2021, 20:37
Denn wenn der Papst das sagt wird das schon stimmen, denn er ist unfehlbar.
Das Konzept "Unfehlbarkeit des Papstes" gab's erst ab 1870, aber das nur nebenbei.
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Ich vermute, Du meinst das Papstprimat, was nichts ungewöhnliches ist - es gibt viele Organisationen, an deren Spitze ein Oberchef steht. Das war eigentlich auch immer etwas, was nicht unbedingt von allen akzeptiert wurde. Drum gab es ja auch gelegentlich mehr als einen Papst und Schismen usf., eben weil sie sich nicht einigen konnten.
Und Hexenverfolgung gab's auch in nicht-katholischen Gegenden, wo der Papst eh keine Autorität hatte. Es war eher eine Sache der weltlichen Gerichte, die Kirche war da gar nicht mal so irrsinnig involviert, abhängig von der Region. Klar, man hat sich gern mal auf die Bibel bezogen, aber innerhalb der (katholischen) Kirche wurde das ganze Thema hoch kontrovers diskutiert.
Hat mit dem eigentlichen Thema jetzt wenig zu tun, geht auch nicht gegen Dich persönlich, aber ich hab leider nun mal ein bissi ein Problem damit, wenn verzerrt dargestellte Geschichte als Argument gebraucht wird. Da bin ich wirklich ein elender Korinthenkacker.
Aber keine Sorge, ich sehe Religiosität und generell Spiritualität trotz alledem eher kritisch, insbesondere mit der Verknüpfung von Kirche und Staat hab ich massive Probleme, speziell wenn es in Richtung Klerikalfaschismus geht.
Ich denke, es ist ein Unterschied, ob jemand freiwillig seinen Verstand an einen Sektenguru, einen Papst oder einen politischen Führer abgibt oder ob er sich seinen Umständen anpasst, weil er um sein Leben fürchtet.
Ich glaube kaum jemand gibt seinen Verstand "freiwillig" ab, das ist das Ergebnis von Indoktrination, Propaganda und Gehirnwäsche, da stimme ich Fanchen zu.
Ganz großer Klassiker ist da neben Gaslighting auch "love bombing" und Verwandtes: Schnapp Dir einen Menschen mit mäßig ausgeprägtem Selbstwertgefühl und erzähle ihm/ihr, dass er/sie supertoll und gegebenenfalls besser als andere sei. Das glaubt er/sie natürlich gern - jeder mag Komplimente, die fühlen sich halt gut an, weil Belohnungszentren im Gehirn aktiviert werden. Wir können da gar nicht anders.
Funktioniert im kleinen Rahmen genauso wie im größeren, und so gut wie niemand ist davor gefeit. Flüchtige Bekannte von mir ist in so einer seltsamen freikirchlichen Sache gelandet, nachdem der Typ, den sie heiraten wollte, mit ihr Schluss gemacht hat. Sie war am Boden zerstört, und die Leute waren halt da. Und waren auch sicher der Überzeugung, ihr wirklich etwas Gutes damit zu tun, sie in ihre Gemeinschaft aufzunehmen.
Dass jemand dagegen in die katholische Kirche eintritt, weil er/sie den Papst so irrsinnig charismatisch und überzeugend findet, ist eher extrem selten, glaube ich. Ich will es natürlich nicht komplett ausschließen, aber kennengelernt habe ich noch niemanden.
Und Kindern, die in Religionsgemeinschaften hineingeboren werden, kann man ja eh nicht den Vorwurf machen, dass sie irgendwie willensschwach wären. Wenn's das einzige ist was man kennt ist man halt nicht so kritisch. Und wie soll man sich bitte gegen eine Taufe wehren, wenn man noch nicht einmal sprechen oder laufen kann?
Fanchen hat geschrieben: ↑Donnerstag 25. Februar 2021, 00:57
Ich würde eher den gegenteiligen Schluss ziehen, nämlich, dass man Unterstützer der Wehrmacht eher als Mitläufer bezeichnen kann.
Ich glaube das Problem ist, dass "Mitläufer" keine wirklich festgelegte Bedeutung hat sondern ein sehr schwammiger Begriff ist. Grade im Bereich der Entnazifizierung, wo er viel gebraucht wurde, bezeichnet er eher etwas verhältnismäßig harmloses.
Schnell mal die Kategorien rüberkopiert, in absteigender Schwere:
- Hauptschuldige (Kriegsverbrecher)
- Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer)
- Minderbelastete (Bewährungsgruppe)
- Mitläufer
- Entlastete
Persönlich finde ich die Einteilung nicht perfekt, z.B. gefällt mir das Wort "Nutznießer" bei den Belasteten nicht, weil indirekt so ziemlich jeder Nutznießer war, der keiner verfolgten Bevölkerungsgruppe angehört hat, aber, naja.
Aber ich denke, wir sind uns alle einig, dass ein aus tiefer Überzeugung handelnder Kriegsverbrecher moralisch verwerflicher ist als ein kleiner PG, der nur seine Beiträge gezahlt hat. Klar, auch letzterer hat dadurch das System gestützt und sich mitschuldig gemacht, trotzdem kein Vergleich.
Vielleicht kommt es ja auch zu Missverständnissen, weil die Frage etwas schwammig formuliert ist. Früher hat man ja mehr unterschieden zwischen wieso/weshalb/warum, also der Frage nach Ursache, Zweck, Motiv etc., inzwischen läuft das alles unter "warum". Und, ja, es gibt deutliche Unterschiede zwischen "Aus welchen persönlichen Motiven heraus wird jemand Mitläufer?", "Welche Umstände führen dazu, dass jemand Mitläufer wird?" usw.
Wenn man das ganze präziser formuliert merkt man eigentlich recht schnell, dass man zu dem Thema eigentlich ein Buch schreiben könnte, mindestens.