@Phönix75 Ich verstehe ehrlich gesagt immer noch nicht so richtig, wie du zu deiner Schlussfolgerung gelangst.
Ich versuche dennoch dir zu folgen und das mal etwas aufzudröseln. Wenn ich da nun irgendwo etwas falsch wiedergebe, so korrigiere mich bitte
Feststellung a) Es gibt eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Szene
Feststellung b) Die Szene ist (teilweise) viel zu tolerant gegenüber der Außenwelt und vertritt damit eher (in deinen Augen) linke Positionen.
Feststellung c) Die Politik ist (in deinen Augen) nach links gerutscht - Siehe Migration und Rechte für Minderheiten
Schlussfolgerung: Weil die Politik nach (in deinen Augen) links gerutscht ist, tat es die Szene ihr gleich und verwässerte sich. - Hier hattest du einen Dreher, nehme ich an? Da der Satz :
Wenn dem nicht so wäre, würde die politisch Linke (darunter auch Grüne) im Lande keine Migranten und Flüchtlinge ins Land lassen und sich nicht so vehement für die Rechte von noch so kleinen Minderheiten einsetzen.
... sich für mich sonst so liest, als orientiere sich die Politik an den links eingestellten Szenemitgliedern (was ich stark zu bezweifeln wage)
Darauf basierend nun mal meine Antwort. Wie gesagt, wenn ich irgendwo etwas falsch verstanden habe, gerne korrigieren.
Feststellung a teile ich absolut. Eine Wechselwirkung zwischen Gesellschaft und Szene lässt sich nicht abstreiten. Wie denn auch? Die Szene entstand schließlich nicht im luftleeren Raum und bediente sich schon immer auch irgendwo an den Errungenschaften der Gesamtgesellschaft. Manchmal um dieser einen Spiegel vorzuhalten, manchmal weil es einfach zur Thematik der Szene passte und manchmal eben auch um sich bewusst von bestimmten Inhalten abzugrenzen. Soweit gehe ich mit.
Feststellung b teile ich teilweise. Ja, auch ich empfinde die Szene an einigen Stellen als zu tolerant. Spätestens wenn sich auf schwarzen Veranstaltungen jemand benimmt wie die offene Hose, so ist auch bei mir der Ofen aus. Wer andere (und sei es nur im besoffenen Kopf) belästigt, anpöbelt, angreift oder sich anderweitig daneben benimmt gehört für mich vor die Tür gesetzt. Da ist es mir dann auch vollkommen egal wie dieser Mensch ausschaut, welches Geschlecht, welche Weltanschauung er hat, oder welche Gebrechen er mit sich herumträgt.
Auch gegen einen moderaten Dresscode hätte ich persönlich nicht zwingend etwas einzuwenden, da ich es auch als irgendwie unhöflich empfinde wenn man sich auf rein schwarzen Tanzveranstaltungen nicht einmal mehr die Mühe machen will und sich ein schwarzes Hemd, oder Shirt anzieht. Ein absolutes MUSS wäre so ein Dresscode für mich aber nicht, da ich nicht sicher bin ob dieser überhaupt zielführend bei den "Problemen" wäre.
Wo ich hingegen meine Schwierigkeiten habe ist die Aufgeschlossenheit gegenüber vermeintlich "Jedem". Dazu frage auch ich mich wie man überhaupt die Zugangsberechtigung zur Szene definieren soll. Ich teile zwar auch den Gedanken, dass nicht jeder der sich in der Gesellschaft irgendwie fehl oder nicht angenommen fühlt automatisch in die schwarze Szene gehört. Aber wie unterscheidet man da zwischen potenziell schwarzen und nicht-schwarzen "Sonderlingen"? Reicht es die entsprechende Musik zu mögen? Muss man die Gesellschaft oder zumindest Teile davon strikt ablehnen? Wenn ja, welche, was hat das mit Goth(ic) zu tun und wie kann man das nachweisen? Muss man jeden Tag in schwarz verbringen und wenn ja, wie soll man dies nachweisen können? Auch ich wüsste spontan nicht wie ich in einer fremden Stadt und einem fremden Club nachweisen sollte, dass ich wirklich so bin, wie ich bin. Eine Fotosammlung mit entsprechenden Bildern aus dem Urlaub, von meiner Arbeit, oder eine schriftliche Bestätigungen meiner gruftigen Bekanntschaften trage ich ja nicht ständig mit mir herum. Mir fehlt da einfach die Vorstellung wie sowas praktisch umgesetzt werden sollte, da dies ja schon innerhalb der eher urgruftigen bubble außer in Sachen Musikgeschmack nicht wirklich homogen ist und auch da verschiedene Lebensentwürfe aufeinander prallen. Und selbst wenn all das irgendwie umsetzbar wäre, so wüsste ich nicht wie Clubbetreiber sowas finanziell überleben sollten. Selbst bei recht speziellen Veranstaltungen, wie der Sabotage Noir (meine Lieblingstanzveranstaltungen) legt der Veranstalter hier keine all zu starken Maßstäbe an und es laufen Leute dort herum, die nicht (mehr) dem absoluten Klischeebild eines waschechten Grufties entsprechen. Und sei es nur weil sie altersbedingt gar nicht mehr genug Haare auf dem Kopf haben um eine gruftige Frisur daraus zu bauen.

Hier ist es (so muss man es ehrlicherweise zugeben) lediglich die eingeschränkte Musikpalette die einen äußeren, künstlichen Rahmen absteckt. Halt indem sie Musikrichtungen wie Metal, oder fast schon technoartige utz utz utz Musik nahezu ausschließt.
Was ich hingegen gar nicht teile ist die Ansicht, dass all die übertriebene Toleranz irgendwas mit links zu tun hat, aber dazu komme ich ausführlicher bei Punkt c. Da würde ich nun höchstens soweit den Punkt gelten lassen, dass Faschos bei schwarzen Veranstaltungen (zumindest meinen Erfahrungen nach) gefälligst draußen zu bleiben haben.
Feststellung c teile ich offen gestanden gar nicht. Ich sehe nicht, dass die Politik nach links gerutscht ist, auch nicht die grünen. Schön wäre es ja, aber.... Was in meinen Augen gemacht wurde ist ein Ruck in Richtung eines pseudo-linken Moralismus. Man hat sich linker Themen bedient und sie in ein nach wie vor durch und durch neoliberales System eingefädelt. Man hat diese Themen (und das ist der springende Punkt) rein kosmetisch behandelt, denn ohne einen weitreichenden Systemwechsel bleiben diese Maßnahmen und Idee nicht mehr als oberflächliche Schönheitskorrekturen ohne irgendwelche tiefgreifenden Auswirkungen. Die eigentlichen Machtverhältnisse wurden in all der Zeit so gut wie nie angetastet und das werden sie auch mit diesen Schönheitskorrekturen nicht. Andere Leute würden so eine Handhabung und Einstellung vielleicht noch wohlwollend als gut bürgerlich bezeichnen, ich für meinen Teil ziehe inzwischen den viel direkteren Begriff Heuchelei vor. Viel mehr als substanzlose Selbstbeweihräucherung ist all das in meinen Augen nämlich nicht. Mit links hat das alles jedenfalls so gut wie gar nichts zu tun. Ich gebe jedoch zu, dass ich dies lange Zeit selbst nicht erkannt habe. Die Grünen (und das ist für mich das perfideste daran) haben diese Suggestion von Progressivität nahezu perfektioniert. Sie schmücken sich mit Pseudohumanismus, Pseudoemanzipation, usw. und machen es sich damit superleicht Kritik (wenn sie denn kommt) immer gleich nach rechts zu deflektieren, während sich von rechts ohnehin nur an den kosmetischen Eingriffen abgearbeitet wird. Von daher würde ich ausnahmsweise sogar der Polemik einer Sarah Wagenknecht zustimmen (wenn auch nur in diesem Punkt), dass die Grünen damit aktuell die gefährlichste Partei in Deutschland ist. Ich vertraue denen jedenfalls nicht weiter als ich sie im Einzelfall werfen kann.
Schlussfolgerung: Ja, auch ich sehe natürlich eine Wechselwirkung zwischen Szene und Gesellschaft. Den gab es (natürlich) immer und den wird es auch immer geben, solange die Szene nicht auf einen Extraplaneten umzieht. Allerdings sehe ich weder einen politischen Linksruck, noch dass sich dieser in der Szene widerspiegelt. Alles andere hat (wie ich finde)
@Herbstlaubrascheln in ihrem letzten Post schon gut zusammengefasst:
Man kann hier Parallelen sehen, wenn man sich bestimmte Dinge ansieht, die Du erwähnst - für mich persönlich liegt der Hund da ganz wo anders begraben (wie man in Bayern so schön sagt

) Ein bestimmter Zeitgeist mag da mit Sicherheit mit rein spielen - die Leute laufen anders als meinetwegen in den 90er Jahren; und auch die Haltung zu Subkulturen und Jugendkulturen etc. ist eine vollkommen andere geworden. Bzw. die Motivation, sich in solchen Ecken herum zu treiben.
"Sowas kann doch nur Leuten einfallen, die in Assoziationsspielchen neben Hund, Katze und Maus auf "Hmm.... Schwingschleifer!" kommen, oder?" - Barlow