Was bedeutet Gothic für euch ?

[Phönix75]

Auch wenn man sag ich mal bei ner Bank im Kundenkontakt anheuert.

Ich weiß nicht... mich verwirren solche Aussagen. In meiner Welt schließt sich das schon von vorn herein aus. Grufti--->gegen die Gesellschaft bzw. Abgrenzung zur Gesellschaft--->ohnehin gegen das Kapitalsystem und deren Oberflächlichkeiten--->würde ich nicht im Traum daran denken, diesen Beruf zu erlernen und gar auszuüben.
Ich weiß aber, dass es nicht wenige gibt, die Karriere in gehobeneren Berufen machen und sich am Wochenende kostümieren. Die sind in meinen Augen noch schlimmer, als ein Stino/Spießer der Karriere macht und seine kleine bunte Welt auslebt.

Aber so ist das mit den Überzeugungen... der Wind weht mal aus West und am anderen Tag aus Süd.

[Herbstlaubrascheln]

Ich seh`das auch ein wenig so wie phönix - zu mir wurde auch schon oft gesagt "Und wenn Du jetzt mal in der Bank arbeiten wollen würdest, wo Du Dich halt ganz sicher nicht so anziehen dürftest?" Das ist für mich überhaupt kein Thema - so WILL ich schlicht und einfach gar nicht. Was Kundenkontakt angeht - ich denke, eine etwas aus der Reihe fallende Optik schließt nicht von vorne herein Kundenkontakt aus; ich hab`seit vielen Jahren extrem viel Kundenkontakt; da ich mitten in einem Kurgebiet lebe, auch viel mit älteren Leuten usw., das war eigentlich nie Thema.

Piericings rausnehmen aus Sicherheits- oder Hygienegründen ist ja wieder ein komplett anderes paar Schuhe.

Aber ich denke, um auf das eigentliche Thema zurück zu kommen, wir sind uns schon mal ziemlich einig: Gothic ist kein Teilzeit-Ding. Nichts, was man sich mal eben aus dem Kleiderschrank holt. Und da liegt meiner Meinung nach ja auch schon der Hund begraben, denn das wird einfach komplett anders gehandhabt mittlerweile.

[CharlotteSchlotter]

In meiner Welt schließt sich das schon von vorn herein aus. Grufti--->gegen die Gesellschaft bzw. Abgrenzung zur Gesellschaft--->ohnehin gegen das Kapitalsystem und deren Oberflächlichkeiten--->würde ich nicht im Traum daran denken, diesen Beruf zu erlernen und gar auszuüben

@Phönix75:
Das hat finde ich was von Doppelmoral. Denn letztendlich muss auch der gemeine Grufti von irgendwas leben und sich gegen Geld verdingen. Und da wir hier alle im selben kapitalistischen System leben, ist es doch bums, ob das nun bei der Bank, bei einem Konzern oder der Bäckerei nebenan ist. Diese Kritik lasse ich von jemandem gelten, der ganz und gar unabhängig vom System als Selbstversorger lebt. Und das dürften auch unter den überzeugtesten Gruftis die wenigsten sein. Aber zu behaupten, dass ein Banker oder jemand der Karriere macht per se ungruftiger ist, als z.B. ein Maurer oder Friseur erschließt sich mir nicht.

Ich sehe es so, dass wir alle kleine Rädchen im System sind - ob wir wollen oder nicht. Es kommt auf die Haltung an, mit der man sich das bewusst macht und die kleinen Akte der Subversion, die einem noch so bleiben.

[Charlotte Sometimes]

Habt ihr schon die Vorher/Nachher Bilder von einigen WGT Besuchern gesehen?
Ich finde sie jetzt leider nicht wieder,aber vielleicht entdeckt ihr sie beim stöbern: https://www.mdr.de/kultur/wgt/wave-goti ... n-100.html
Ich dachte bloß ,ich guck nicht richtig...so viele verkleidete Normalos auf einem Haufen.


Da knalle ich die "Tür" zu *kawumms!*

[Pirat von Rhyolith]

@Phönix75 Deine Haltung ist jetzt aber sehr....annmaßend? Arrogant? Anzunehmen, der Bänker verkleidet sich nur am Wochenende...ich würde mal eher vermuten, der verkleidet sich dann für die Arbeit und sobald er aus der Bank raus ist landet die Krawatte im Rucksack und daheim wirds auch eher gruftig zugehen. Auch wird er auf seinem Smartphone wahrscheinlich dann die entsprechende Musik haben, mit der er sich immer umgibt.
Ich musste mal in einem Fabrikeinsatz immer blau tragen - war firmeninterne Vorschrift. Als Leiharbeiter hab ich mir den Einsatz nicht ausgesucht; kündigen oder durch eigenes Verschulden gekündigt werden hätte mir ziemlichen Ärger mit der Arge eingebracht. Und als (damals) Familienvater überlegst Du dir das zwei Mal. Dafür war das blaue T-shirt das erste, was daheim in die Ecke flog.

Was Kundenkontakt angeht - das mit der Bank war ja nur ein Beispiel. Es gibt solchen und solchen. In vielen Kellnerjobs isses inzwischen egal. In Läden wie einem Piercingjob wärs wohl sogar genau gegenteilig: Ohne Metall im Gesicht kriegt man den Job eh nicht. Denn da erwünscht die Kundschaft das ja sogar ausdrücklich - im Grunde das Gegenteil zur Bank.
Wenn einem das alles vorher schon klar ist, wie gesagt, man wird dann wohl eher nicht Banker.
Aber es gibt ja auch Spätberufene. Nicht jeder ist schon mit 15 Grufti. Ich selber kam erst mit 20 in die Szene. Ich glaub die Frau Schlotter kam sogar noch später dazu. Und wenn man dann womöglich schon längst im entsprechenden Beruf ist....dann muss man alles unter einen Hut kriegen. Das Leben ist kein Wunschkonzert, selten einheitlich und manchmal ein bischen komplexer als es in den Lehrbüchern steht.

Ich stimme durchaus zu, dass Gothic zu sein, eigentlich ein Vollzeitzustand ist. Der geht aber über Klamotten hinaus. Es hat was mit Haltung zu tun und die kann man auch haben, wenn man mal beruflich bedingt im Rosa-Tütü rumrennt und auch im Alltag nicht immer voll aufgetakelt ist. Mein Flur hat auch weiße Wände. Die Schwärze ist etwas an der Seele, das merkt man auch wenn das Gegenüber in bunt vor einem steht. Oder wenn es fehlt...tja, dann hilft es auch nicht, 24/7 im schwarzen Lederkostüm rumzurennen. Man wird doch irgendwie auffallen, sobald man den Mund aufmacht.

@Herbstlaubrascheln Mag sein, dass Du keine Probs beim Kundenkontakt hattest, aber daraus kannst Du nicht auf die ganze Republik schließen. Und klar, manchmal sind die Kunden vielleicht toleranter als es die Firmenbosse annehmen, aber naja, die fahren halt die sichere Schiene. Speziell beim Bereich Banken gab es mal irgendwann Experiment: Ein gelernter Banker wurde in abgeranzte Klamotten gesteckt, ein Punk in Schlips und Kragen. Plötzlich hielten alle Kunden den Punk für seriöser und glaubten dem, egal was für einen Stuß er erzählte. Es ist halt leider wirklich ein Berufsfeld wo sich die Leute von Krawatten und so blenden lassen.
Ich persönlich habe eine Aversion gegen Anzüge und Krawatten und wer mir in so einem Aufzug irgendwas verkaufen will, hat im Grunde schon so gut verloren. Typen in Schlips und Kragen sind es schließlich gewesen, die uns die Finanzkrisen und so eingebracht haben und ihre Steuer vor der Allgemeinheit in Liechtenstein verstecken. Daher bin ich bei krawattenträgern aus Prinzip misstrauisch.

[Herbstlaubrascheln]

Ich finde diese Haltung überhaupt nicht arrogant, wenn ich ehrlich bin. Eigentlich ist das Ganze recht naheliegend - irgendwo hat die Arbeit, die man tut, ja auch ein wenig was mit dem zu tun, womit man sich selbst identifizieren kann. Klar, das könnte man jetzt noch eine ganze Weile so weiter spinnen, wenn man denn will, aber ich persönlich kenne nun z.B. keinen Punk, der als Bankdirektor arbeitet und nachmittags, wenn er heim kommt, den Anzug aus- und die Lederjacke mit den angenähten Bierdeckeln anzieht. Sorry, der Vergleich ist grad ziemlich banal, aber genau so will ich`s ausdrücken.

@P@Pirat von Rhyolith
Nö, ich hab`doch auch nirgendwo erwähnt, dass ich von der ganzen Republik rede - sondern nur von mir und meinen Erfahrungen, die ich damit gemacht habe; und ich arbeite schon immer mit sehr, sehr vielen Menschen zusammen und deswegen dachte ich, ich kann das hier einbringen. Erfahrungswerte also.
Ja, ich kenne diese Experimente auch, die Du beschreibst - und genau gegen sowas will ich mich wehren Denn das sind die genau die Aspekte der Gesellschaft, die nicht richtig laufen und wir aber quasi mit der Muttermilch eingeflöst bekommen. Warum sollte ich einen Anwalt meinetwegen für weniger kompetent halten, weil er 30mm Plugs in den Ohren trägt und meinetwegen schwerst tätowiert wäre und keinen Anzug trägt? Ich mag halt genau dieses Denken eben nicht; und das ist uns nicht angeboren, sondern anerzogen.

Klar, Gothic-Sein ist nicht nur ein Klamotten-Ding...dabei soll es natürlich nicht aufhören. Aber irgendwie passt der Bankdirektor trotzdem nicht so ganz in meine Welt. Sorry, falls hier unter Euch einer sein sollte, nix für ungut *lach* Ich mein`das nicht irgendwie diskriminierend oder so und generell ist es mir ja vollkommen latte, was jemand arbeitet oder was auch immer.

[Pirat von Rhyolith]

zwischen Banker und Bankdirektor ist ja nochmal ein Unterschied. Selbst unter Bankern soll es sehr verschiedene Menschenschläge geben, hab ich mir sagen lassen. Ein Banker, der eigentlich Grufti ist, könnte z.B. innerhalb der Rahmen des Möglichen in seinem Beruf ehrlicher agieren, als man es erwarten würde. Vernünftiger mit Kunden und Kollegen umgehen.
Seine Karrierechancen auf den Direktorenposten sind aber vielleicht nicht so gut.

Menschen sind selten eindimensional. Zu einem Berufsfeld gibt es mehr als einen Zugang. Dass der Beruf die innere Einstellung widerspiegelt ist nur zu einem gewissen Grad wahr; mindestens ebenso wichtig ist der Punkt, dass die innere Einstellung bestimmt wie wir den gewählten Beruf, egal welchen, mit Leben füllen. Beispiel mein Prof und ich - wir hatten zum Thema wissenschaftlicher Ethos offensichtlich sehr unterschiedliche Sichtweisen. Und doch hatten wir uns eigentlich den selben Beruf ausgewählt.

[Elric]

Denn letztendlich muss auch der gemeine Grufti von irgendwas leben und sich gegen Geld verdingen. Und da wir hier alle im selben kapitalistischen System leben, ist es doch bums, ob das nun bei der Bank, bei einem Konzern oder der Bäckerei nebenan ist.

Da sehe ich dann doch Unterschiede...

[Phönix75]

Halleluja!

Kaum zu glauben, dass die Goth-Szene entfernt mal aus der Punk-Szene entstanden ist. Übrig geblieben ist wohl nicht viel bis nichts. So einen Quatsch, wie, die Goth's sind unpolitisch, scheint dann doch zu stimmen. Ich bin durchaus überzeugter Antikapitalist. Zumindest bin ich vehement gegen den derzeitigen und immer extremer werdenden Raubtierkapitalismus.
Und @CharlotteSchlotter , auch im Sozialismus musste man sich seine Brötchen verdienen. Keine Ahnung wo da jetzt der Unterschied ist. Aber eine Bank hat schon lange nicht mehr die Bedeutung, wie sie mal am Anfang hatte. Nämlich: Dem Volk zu dienen; und nicht sich selbst und den Aktionären. Von daher geht Goth, in meinen Augen, völlig konträr zu einem Bankangestellten. Und das ist sicher auch in andere Bereiche übertragbar.

[Herbstlaubrascheln]

Ehrlich gesagt bin ich gerade ein wenig erleichtert über die Aussagen von phönix und Elric - ich dachte schon, ich steh`mit meiner Meinung da komplett alleine da.