Spannend. Ich bin ja, wie bereits erwähnt, glühende Atheistin, Tendenz Antitheistin, aber natürlich hab ich auch noch Rudimente einer christlichen Erziehung. Das hat aber in meinem Fall im kompletten Kontrast absolut nix mit einem strafenden Gott zu tun sondern geht mehr in die Richtung Nächstenliebe, Einsatz für Schwächere, Mitgefühl für Ausgestoßene und so. Bisschen Antikapitalismus obendrein, Jesus wirft die Tische im Tempel schließlich um. Ich vermute, dass es damit zu tun hat, dass Christentum und die Bibel eh ein sehr gemischtes Buffet sind und man sich (bewusst oder unbewusst) das raussucht, was sich am "richtigsten" anfühlt, beruhend auf dem eigenen Hintergrund und den eigenen Erfahrungen. Also, das ist jetzt erstmal meine Arbeitshypothese, ich kann natürlich damit auch volkommen falsch liegen.
Das allermeiste lehne ich allerdings natürlich ab, ich feiere inzwischen ja nicht mal mehr Weihnachten oder Ostern.
Mein aktuellstes Gspusi hat ja amüsanterweise tatsächlich sogar mal Theologie studiert, auch noch evangelische, das macht es in Ö natürlich noch um einiges pikanter. Und, ja, das ist der selbe, der auch wohnungsloser Junkie war - ich pick mir ja immer Leute mit ungewöhnlicheren Biografien raus, die sind am unterhaltsamsten.

Das Miteinander funktioniert in diesem Fall sogar ziemlich gut, so lang man nicht versucht, sich gegenseitig missioniert und respektvoll miteinander umgeht. Es macht durchaus Spaß zu vergleichen, wie unterschiedlich wir unterschiedliche Bibelstellen interpretieren, zum Beispiel. Nicht dass das jetzt soooo oft passiert, aber es passiert.
Und nur weil ich selber hochgradig unspirituell bin heißt das ja noch lang nicht, dass ich automatisch Menschen bevorzuge die mir da ähnlich sind. Einer der größten Kritikpunkte am Neuen Atheismus ist ja eben grade, dass deren lauteste Vertreter (Hitchens, Dawkins usw.) teilweise extrem unangenehme Personen sind bzw. waren. Und, was soll ich sagen: Es stimmt leider. Wobei ich viele Positionen von ihnen trotzdem immer noch richtig find und unterstütze. Aber genauso gibt's natürlich auch ganz ekelhafte Christ·innen, eh klar.
Und grade dieser ganze Komplex Versuchung/Sünde/Buße/Vergebung ist ja total christlich. Aber eben auch total menschlich. Wie sowieso in der Bibel recht viele zwischenmenschliche Themen behandelt werden, die sich über tausende Jahre eigentlich kaum verändert haben, weil sich auch Menschen in der Zeit nur wenig verändert haben. Ich kann schon verstehen, dass Leute da Halt und Orientierung drin finden. Und rein vom literarischen und historischen Gesichtspunkt mag ich die Bibel ja eh ganz gern und kenn mich auch verhältnismäßig gut darin aus. Was bei Atheist·innen ja eh häufig der Fall ist, wenn sie vom Glauben abgefallen sind hat das ja meistens Gründe. Ich glaub halt nur nicht an Gott oder dass das Buch die absolute Wahrheit beinhaltet, das ist alles.