Durante hat geschrieben: ↑Mittwoch 5. Oktober 2022, 13:54von uns Linken.
Lustig - ich seh mich nicht mal als besonders links sondern als gemäßigt bürgerlich, nur halt das typisch bürgerliche Arschlochtum so weit wie möglich vermeidend.
Komm aber mit (extremen) Linken in der Regel gut zurecht und erachte es auch nicht als nötig, mich von ihnen dezidiert abzugrenzen.
umgekehrt hat so ziemlich jeder langjährige Grufti schon verbale oder körperliche Gewalt durch "Stinos" oder halt "Nicht-Gruftis" erfahren.
Ich nicht, und das obwohl ich dann doch schon ein paar gute Jährchen dabei bin. Also, natürlich bin ich auch schon beschimpft und bedroht worden, aber das war immer komplett unabhängig von meinem Outfit. In letzter Zeit häufig von Maskenverweigerern, aber die sind ja glücklicherweise nur eine kleine, wahnsinnige Minderheit. Und natürlich von Männern (übrigens durchaus auch mal Szene-Mitgliedern), die sich bemüßigt fühlten mir mitzuteilen, dass sich mich für fickbar halten, oder dass sie mich eben nicht für fickbar halten. Aber das ist ja eine ganz gewöhnliche weibliche Erfahrung. Und dass Leute gemobbt und schikaniert werden weil sie nicht die "richtigen" Klamotten tragen richtet sich weiß Gott nicht nur gegen die Schwarze Szene sondern ist ein universelles Phänomen.
Kenn's auch von anderen so, dass das nie großartig ein Problem darstellte. Mein Lieblings-Anarcho-Kommunist ist z.B. gelegentlich in die Bredouille geraten weil er ein Anarcho-Kommunist ist, nicht etwa weil er schwarz trägt und bestimmte Musik hört.
Und, jaja, Sophie Lancaster, aber die hätten genauso z.B. einen Obdachlosen verdroschen. Die waren einfach tragischerweise zur falschen Zeit am falschen Ort.
Aber ich hab ja auch nur in Thüringen, Bayern, Berlin, Ba-Wü, Salzburg und Wien gewohnt. Vielleicht hab ich durch großen Zufall immer genau die Gegenden erwischt, wo Schwarzvolk wohlgelitten war und ist. Ich mein ... ich krieg hier ständig Komplimente, von wildfremden Leuten, auf der Straße. Lauf über den hiesigen Türkenmarkt und eine Omi teilt mir in gebrochenem Deutsch mit, dass sie meine Frisur cool fände und so. Ich find's immer wieder erstaunlich, wenn Leute sagen, dass ihnen das nicht genauso passiert. Kann doch irgendwie nicht sein, dass Menschen zu mir netter sind als zu allen anderen, oder? Und es liegt definitiv nicht daran, dass ich besonders gut oder zugänglich ausschauen würde. Ganz im Gegenteil, im Moment seh ich so aus wie eine weibliche Version von Nosferatu in der Max-Schreck-Version.
Ganz viel liegt auch an der individuellen Wahrnehmung, glaub ich. Bin mal mit oben erwähntem Anarcho-Kommunisten die Straße lang, uns kam ein Mädel entgegen, und sie ist uns ausgewichen. Ich so: "Oh, wie nett, sie hat uns Platz gemacht". Er so: "Schau, die hatte Schiss vor uns, weil wir so schwarz und gruselig ausschauen". Was wirklich dahinter steckte? Da hätten wir sie wohl fragen müssen.
Jedenfalls: Ich seh Szenemitglieder keinesfalls als unterdrückte Minderheit sondern, ganz im Gegenteil, oft als eine selbsternannte, teils ziemlich snobistische Elite, die z.B. auf den "Stino-Pöbel" herabschaut. Der Ruf der Arroganz, der Szenemitgliedern anhaftet, ist imho absolut gerechtfertigt und begründet. Aber so lang sich das mit der erwähnten Passivität vereint ist das ja kein größeres Problem. Da wird maximal mal böse geschaut und gemault und gelästert. Engagiert wird sich im umgekehrten Fall aber auch eher selten, leider.
Und auch die vielbeschriene Toleranz ist ein Indikator dafür, dass man eigentlich recht gut situiert ist: Die Szene stört sich nicht groß an Hass und Menschenverachtung, weil es sich ja in der Regel eben nicht gegen ihre Mitglieder richtet. Das ist ja eben kein Sammelbecken der Mühseligen und Beladenen sondern eine Anhäufung von ziemlich privilegierten Menschen. Ausnahmen gibt's natürlich eh, klar. Aber unpolitisch zu sein muss man sich halt leisten können.
Aber was willste machen - die Musik ist nett, die Parties sind ziemlich cool und die Outfits sind stylish, da schaut man über gelegentlichen Charakterschwächen gerne hinweg. Und was definitiv positiv ist: Die Szene war schon immer ziemlich queer-freundlich.
Kann aber natürlich sein, dass sich andere da viel besser auskennen. Ich geh ja vielleicht grad mal alle zwei Wochen auf ein szenenahes Event, wenn's hochkommt, andere tun das sicher öfter und haben deswegen mehr und tiefere Einblicke in den Themenkomplex als ich. Und auf solche kommerziellen Massen-Events wie das M'era geh ich eh nicht, drum kann ich dazu auch nix sagen, obwohl die natürlich ebenfalls einen Teil der Szene abbilden.
Außerdem möchte ich auf das Konzept "Geusenwort" hinweisen. (
Link) Wenn ein Ausdruck auch historisch mal abwertend gemeint war muss er das noch lange nicht bleiben.
Wie man wen nennt und ob es abwertend oder beleidigend wirkt ist oft kontextabhängig. Ich bezeichne mich ja auch selber als Flittchen, aber wenn das wer anders macht ist das eindeutig beleidigend gemeint. Lachen tu ich aber trotzdem drüber, weil ... Eiche, Schwein, wissen schon.
Und Leute mit echter Macht kann man sowieso nicht straflos beleidigen. Wer das glaubt sollte einfach mal einen Polizisten als Bullenschwein oder so bezeichnen - das kann sehr schnell ins Auge gehen.
Hab übrigens keine Ahnung wie man in Hörsälen spricht, war seit Ewigkeiten nicht mehr in einem. Fände es allerdings nicht weiter schlimm, wenn von dort aus Fachbegriffe oder sprachliche Konventionen in die Alltagssprache einsickern, ganz im Gegenteil. Laien reden leider viel zu oft recht unpräzise - was in letzter Zeit alles als "Faschismus" bezeichnet wird ist nur noch lächerlich, da wär's mir durchaus lieb, wenn man sich mehr an den Begriff aus den Politikwissenschaften hält. Und mich stört's auch, wenn Leute von Monokulturen reden, obwohl sie eigentlich Reinkulturen meinen, zum Beispiel. Weiß jetzt aber nicht, was das alles mit dem eigentlichen Thema zu tun hat.
Durante hat geschrieben: ↑Donnerstag 6. Oktober 2022, 08:38 wenn ich in einem kleinen alternativen Club auf einem Lebanon Hanover-Konzert bin
Interessant - das Lebanon Hanover Konzert auf dem ich war würd ich niemal als "klein" bezeichnet haben, ganz im Gegenteil.

Hab nachgeschaut, müssen so ca. 500 Leute gewesen sein, das ist imho eine ganz schöne Menge. Und ich hab mich tatsächlich am Anfang etwas komisch dabei gefühlt, aber das lag daran, dass das Publikum im Schnitt ziemlich jung war. Gewöhnt man sich schnell dran. Mich stört's ja auch nicht großartig wenn ich bei klassischen Konzerten eine der jüngsten Zuhörerinnen bin.
Und ansonsten bin ich ja eigentlich der Meinung, dass ich sowieso fast überall hingehöre und fast überall selstverständlich auch willkommen bin. Wieso denn nicht?
Zu dem Spontis-Artikel: Das mit den K.O.-Tropfen zweifele ich gar nicht mal groß an. Das mit den Spritzen allerdings schon. Derartige Gerüchte poppen immer wieder mal auf, siehe z.B.
hier ("Syringe attacks, a panic since 1819"). Hab mal wen aus dem medizinischen Bereich gefragt, der hat dann noch den dortigen Suchtexperten drauf angesprochen, und die halten es beide für sehr unwahrscheinlich. Intravenös kann man im Gedränge ja eh nicht injizieren, intramuskulär bzw. subkutan dauert und ist unzuverlässig im Vergleich zu oraler Applikation über den Drink. Hab dann noch wen gefragt, der sich allen möglichen lustigen Scheiß von Ketamin bis Codein injiziert hat, um auch mal eine Perspektive von jemandem zu bekommen, der sich mit der praktischen Anwendung im nichtmedizinischen Kontext auskennt. Aber da wart ich noch auf Antwort.
