Kann jemand seine eigene Meinung begründen, wenn er keinen freien Willen hat? Die Meinung basiert ja dann nicht auf einer willentlich erlangten Erkenntnis, sondern ist einfach da. Vom Schicksal quasi hart verdrahtet.Fanchen hat geschrieben: ↑Dienstag 14. Dezember 2021, 15:56 Natürlich musst du das nicht begründen, aber irgendwie bist du doch zu der Meinung gelangt? Der Prozess wäre halt schon interessant. Stimmst du dem, was andere geschrieben haben, einfach rumdum zu? Wenn nicht, wo siehst du in den Argumenten Probleme bzw. wo bewertest du etwas anders?
Da gibts ja einiges, woran man ansetzen könnte. Musst du natürlich nicht tun. Aber spannender wäre es schon.
Ich gelange mit der Zeit immer fester zur Ansicht, daß ein gesundes Gehirn ziemlich gut darin ist, uns zu bescheißen, uns eine konsistente Persönlichkeit mit freiem Willen vorzugaukeln. Vor einigen Jahren schon habe ich von Studien gelesen, in denen die Reifung einer Entscheidung durch Hirnströme zu messen. Wenn ich mich recht erinnere, schickt unser Hirn die Befehle an die Muskeln, sich zu bewegen, etliche Millisekunden, bevor sich eine entsprechende Entscheidung in unserem Bewußtsein manifestiert. Leider finde ich den Link zur Publikation nicht mehr. Das legt meiner Meinung nach den Verdacht nahe, daß unsere Entscheidungen nicht von der Instanz in unserem Hirn getroffen werden, die uns unsere Persönlichkeit und unseren freien Willen vorgaukelt.
Unsere Persönlichkeit ist also quasi so was wie unsere PR-Abteilung, die zuguckt, was die anderen Abteilungen im Hirn so treiben, und nachträglich versucht, eine schlüssige Erklärung hierfür abzuliefern, resp. die Entscheidung im besten Licht eines freien Willens erscheinen zu lassen.
Ich hatte oben das »gesunde« Gehirn erwähnt. Wenn diese PR-Abteilung versagt und es nicht (mehr) schafft, aus dem von den anderen Abteilungen angerichteten Chaos eine schlüssige Geschichte -- und somit Persönlichkeit -- zu basteln, dann liegen eben Persönlichkeitsstörungen vor.
Das alles beantwortet natürlich nicht die Frage, ob wir einen freien Willen haben, ob unsere Entscheidungen durch ein Schicksal vorgegeben sind, oder ob es sich hier um chaotisch selbst-organisierende Reaktionen auf äußere und innere Reize handelt. Nur die Ebene, auf der diese Prozesse ablaufen, wird weiter nach unten ins Unterbewußte verschoben.