Landtagswahlen in Thüringen

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blacksister´s ghost

Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von blacksister´s ghost »

Phönix75 hat geschrieben: Dienstag 29. Oktober 2019, 06:36 AfD hin oder her. Das alles ist ein Problem, welches nicht die AfD selbst hat, sondern alle andere Parteien, die versagt haben und die du wahrscheinlich nach wie vor wählst. Mit dem Finger auf andere zeigen, aber gleichzeitig keine Ideen und Lösungen vorlegen ist halt einfacher. Wie kann ich die Leute, die die AfD wählen wieder mit ins Boot holen? Irgendeine Idee oder kommt da wieder nur Blablubb-AfD-Alles-Nazis-Geblubber?
Versteh mich nich falsch, aber sollte das nich die Aufgabe der Politiker sein und nich die des Volkes?
Ich mein, die verdienen nen Haufen Kohle und "wir" sollen die Arbeit erledigen?
Im Prinzip brauchen die doch nur mal anfangen den Leuten zuzuhören. Die schreien doch schon ewig, wo es in ihren Augen hängt. Ich mein jetzt nich diesen Mist von wegen die Ausländer sin schuld. Dort sollten sie ansetzen und hinterfragen warum Leute so denken.
Traurig aber wahr, die AFD hat genau an den Punkten angesetzt und somit Leute für sich gewinnen können.
Die Wähler haben das Vertrauen in die Politik verloren und ich denk jeder von uns weiß, wenn Vertrauen nen Knacks bekommt, wird´s schwierig.
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Grauer Wolf
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Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Grauer Wolf »

Heute morgen ein Interview mit einem Soziologen bei Spiegel Online. Fazit: Eine wissenschaftliche Studie habe gezeigt, daß die Erfolge der AfD in Thüringen eine Folge einer grundsätzlich fremdenfeindliche Einstellung - besonders gegenüber Muslimen - gepaart mit einer diffusen Angst der Überfremdung geschuldet sei. Sollte der gute Mann recht haben, dann hieße das also, daß knapp ein Viertel der Thüringer schlicht und ergreifend fremdenfeindliche Nationalisten sind. Das typische daran sei, daß Fremdenfeindlichkeit insbesondere dort Urständ feiert, wo es kaum Fremde gibt.

Meiner Meinung nach hieße das im Umkehrschluß also: Mehr Fremde nach Thüringen! Zum Glück haben wir die Chinesen: Der chinesische Batterienhersteller CATL baut in der Nähe von Erfurt ein großes Werk. Thüringen als verlängerte Werkbank der führenden Forschungs- und Industrienation China.

Passend hierzu möchte die neue EU Kommission die beiden bisherigen Ressorts »Forschung, Wissenschaft und Innovation« und »Bildung, Kultur, Jugend und Sport« zu einem neuen Ressort »Innovation und Jugend« zusammenfassen. Paßt irgendwie alles zusammen. Aber das ist dann wirklich ein anderes Thema...
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
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Heimfinderin

Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Heimfinderin »

Mich würde interessieren, was der Nährboden für "grundsätzlich fremdenfeindliche Einstellung" ist, wie es dazu kommt.

Ich für meinen Teil habe Angst davor, in einem Land zu leben, in dem es wieder möglich ist, dass plötzlich die Exekutive vor der Haustür steht, um uns oder unsere Lieben willkürlich abzufüheren und schlimmeres -_-
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Grauer Wolf
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Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Grauer Wolf »

Vielleicht schlicht und ergreifend die Angst vor dem Unbekannten? Selbst hat man im Leben noch nie einen Fremden gesehen, geschweige denn sich mit einem unterhalten. Aber man hat gehört, der Vater des Freundes der Schwester des einen Kumpels habe vom Bäcker im Nachbarort gehört, der Fleischer nebenan habe neulich am Stammtisch vom Wirt gehört, daß sich einige Gäste neulich sehr verdächtige Leute gesehen hätten, die fremd ausgesehen hätten, die sich fremd benommen hätten und die eine fremde Sprache gesprochen hätten.

Gegen Ängste kann man nicht andiskutieren. Ängste sind immer irrational. Man kann die Leute nur mit ihren Ängsten konfrontieren -- und hoffen, daß sie daran dann nicht zugrunde gehen sondern über ihre momentanes Ich hinauswachsen.

Statt Wehr- und Zuvieldienstplicht für alle abzuschaffen hätte man vielleicht ein verbindliches Auslandsjahr für alle einführen können. Daß zünftige Handwerksgesellen früher auf die Walz gehen mußten, war vielleicht gar keine so schlechte Idee.
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Fanchen
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Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Fanchen »

@Phönix75
Stumpfsinnige Sprüche? Eigentlich habe ich nur Schattenwurfs Frage beantwortet.
Meinst du "Leute, die angeblich keine Faschisten sind"? Würde ich nicht als "stumpfsinnig" beschreiben, das ist nämlich relevant. Dass Faschisten Faschisten wählen würden, kann ich nachvollziehen.
Oder meinst du, dass ich Teile der AfD (hier insbesondere Höcke) als Faschist bezeichnet habe? Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass du da anderer Meinung bist.

Etwas arm, mir vorzuwerfen, dass ich die Ohren vor Argumenten verschließen würde. Meine Intention war explizit, die (angeblich offensichtliche) Erklärung zur Stärke der AfD zu bekommen.
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Schattenwurf
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Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Schattenwurf »

"Eine wissenschaftliche Studie habe gezeigt, daß die Erfolge der AfD in Thüringen eine Folge einer grundsätzlich fremdenfeindliche Einstellung - besonders gegenüber Muslimen - gepaart mit einer diffusen Angst der Überfremdung geschuldet sei."

hahaha ... "die Wissenschaft sagt." ... ja ja so so.

Die Erfolge liegen schlicht im Versagen der etablierten Parteien. So einfach ist das.
Niemand käme auf die Idee eine, ihm fremde, Partei zu wählen, wenn er mit seiner bisherigen Partei zufrieden wäre.
Die Leute laufen nicht auf die AFD zu, sondern vor den anderen Parteien weg. ;)

PS:
Ich zb. hab früher SPD gewählt, weil auch aus dem Arbeitermilieu komme. Dann gabs Hartz IV.
Zweitstimme war in der Regel grün, weil ich Pazifist bin. Dann gabs den Kosovo.
LINKE waren wählbar, bis sie Lafo und Sahra geschasst haben. Deren einzigen vernüftigen Stimmen.
Jetzt sind die auf dem Gendertrip.
CDU ist unwählbar, weil ich kein Unternehmer bin.
Bleibt noch FDP, AFD oder nicht wählen.
DIE PARTEI wäre da noch. Wenn schon untergehen, dann zumindest mit Spass. :D
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blacksister´s ghost

Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von blacksister´s ghost »

Schattenwurf hat geschrieben: Dienstag 29. Oktober 2019, 16:32
Die Erfolge liegen schlicht im Versagen der etablierten Parteien. So einfach ist das.
Ganz so verallgemeinern kann man das aber auch nich.
Oder hast du mit allen AFD-Wählern Rücksprache gehalten, um das so beurteilen zu können? ;)
Ich denke, dass selbst in dieser Studie nur eine Handvoll Leute zu Wort kamen und nich alle.
Das Übel wird viele Gründe haben.
Soiled

Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Soiled »

Heimfinderin hat geschrieben: Dienstag 29. Oktober 2019, 12:05 Mich würde interessieren, was der Nährboden für "grundsätzlich fremdenfeindliche Einstellung" ist, wie es dazu kommt.
Ich glaub da gibt es viele, viele Faktoren, die sich auch gegenseitig beeinflussen. Da gibt es keine einfache Antwort.
Disclaimer: Ich bin weder Psychologe noch Soziologe, und ich kenn mich auch nicht besonders gut damit aus - Menschen sind mir einfach zu kompliziert. :lol: Das folgende ist also maximal Küchenpsychologie, aber wer Zeit und Nerven hat kann sich ja gern weiter in das Thema vertiefen.

Ein Ding ist das, was schon Grauer Wolf erwähnt hat: Die Angst vor dem Unbekannten. Das ist jetzt etwas vereinfacht ausgedrückt, wenn man etwas genauer sein will kann man auf das hier schon mehrfach angesprochene Ingroup-Outgroup-Modell schauen. Andere Gruppen werden (unter anderem) abgewertet, wenn man selber wenig Selbstwert hat. Und Menschen aus dem Osten wurden ja recht lang als Deutsche zweiter Klasse gesehen, bzw. haben sich so gefühlt. Also müssen sie sich jemanden suchen, auf den sie möglichst undifferenziert herabschauen können und wo sie ihren aufgestauten Frust loswerden können.
Im Prinzip ist das ja nichts schlimmes, hier wird ja auch zwischen "den Schwarzen" und "den Stinos" unterschieden, also zwischen "uns" und "den anderen" - und auf letztere wird halt gern mal geschimpft und wenig differenziert. Ganz normales Phänomen.

In dem oben verlinkten Artikel wurde auch das Konzept Autoritäre Persönlichkeit angesprochen. Wahnsinnig komplizierte und heiß diskutierte Sache, schon seit Jahrzehnten - Adorno hat da einiges drüber geschrieben. Ich denke aber, dass da schon was dran ist - die DDR war ja eine hochgradig autoritäre Gesellschaft, das färbt ab. Nicht etwa, weil sich Leute durch Leistung und Fähigkeit Autorität erarbeitet haben, sondern parteipolitisch gesehen. Die BRD hatte ja wenigstens die 68er, die da ein bisschen für frischen Wind gesorgt haben ...
Und ich sehe immer wieder Sachen, die diese Theorie unterstützen. Wien ist ja tendenziell eher rot, die Boho-Bezirke sehr grün. Aber es gibt bei mir um die Ecke einen erschreckend blauen Wahlsprengel, wo hauptsächlich FPÖ gewählt wurde. Das ist ein Polizistenwohnheim - und es gibt ja kaum autoritärere Systeme als Polizei und Militär. (Wenn die da was von "nicht mehr sicher in Wien" schreiben ist das natürlich kompletter Kappes - Wien ist eine der sichersten Städte der Welt.)

Wenn man dann noch einen Ausflug in die Persönlichkeitspsychologie macht: Es gibt ja das Big-Five-Modell. Und ich kann mich dran erinnern, irgendwo gelesen zu haben, dass besonders die Kombination "niedrige Offenheit für Erfahrungen" mit "geringer Verträglichkeit" häufig bei Leuten vorkommt, die zu Fremdenfeindlichkeit neigen. Interessanterweise ist das tatsächlich zu einem gewissen Teil vererbbar, man kann aber selbstverständlich immer noch dran arbeiten - Gewicht ist ja auch zu einem Teil Veranlagung, aber damit es wirklich entgleist müssen da mehr Umstände dazukommen. Und natürlich wird nicht jeder, der misstrauisch und streitfreudig ist, automatisch ein Nazi, genauso wenig wie jeder, der ungern sein Dorf verlässt, ein Nazi wird. Aber es sind halt Risikofaktoren.
Ich hab ja irgendwie den Verdacht, dass manche Leute das lesen werden als "Schlechtheit ist angeboren". Nein. Nein, ist es nicht. Es ist nur eine Summe von Persönlichkeitseigenschaften, die, je nach Umständen, positiv oder negativ sein können. Wenn man zu offen für Erfahrungen ist und jeden Pilz probiert ist man schnell tot. Wenn man zu wenig offfen für Erfahrungen ist und nur das isst, was man kennt, ist man irgendwann auch tot, nämlich wenn nach einem Wetterumschwung auf einmal andere Sachen wachsen die neu für einen sind. Eine Gesellschaft braucht beides: "Tester" und "Bewahrer". Oder halt "Progressive" und "Konservative".
Und genauso ist das mit der Verträglichkeit: Wenn man zu vertrauensselig und ständig nur auf Harmonie aus ist ist man wenig widerstandsfähig. Wenn man ständig nur aggressiv ist bleiben nur Tote übrig. Man braucht also auch beides.
Der Einfachheit halber hab ich das jetzt mal schwarzweiß gezeichnet, natürlich gibt es nicht nur zwei Extreme, die meisten Leute (und auch Tiere, für die trifft das imho genauso zu) sind irgendwo dazwischen.

Und es ist ja nicht nur der Osten - auch Kärnten hat den Ruf weg. Die FPÖ fährt da immer ihre besten Wahlergebnisse ein. Zu einem gewissen Teil dürfte da die Geographie reinspielen - die Berge sind dort so unglücklich verteilt, dass alles dort jahrhundertelang sehr isoliert lag. Im Vergleich zur Steiermark gab es dort kaum Bodenschätze, also hat auch die Industrialisierung lang auf sich warten lassen, was natürlich zu Frust führte. Sehr autoritäre, patriarchalische Strukturen herrschten dort obendrein. Mit den Slowenen in Südkärnten hatte man dazu auch noch ein passendes Feindbild. Ist alles natürlich noch um einiges komplexer, klar, und die Geschichte spielt da auch noch massiv mit rein. Simple, eindimensionale Antworten gibt es da jedenfalls nicht. Aber das hab ich ja schon am Anfang gesagt. ;)

Edit: Schönes kleines Meinungsstück zu Kärnten. Ich stimme nicht mit allem überein, viele Sachen versteht man als Außenstehender sowieso nur schwer (z.B. wieso es relevant ist, dass Haider nicht singen konnte und das erst lernen musste - anscheinend singen Kärntner wohl gern und viel). Aber ich finde es immer sehr hilfreich, wenn man mental mal einen Schritt zur Seite macht und von außen auf Probleme schaut. Als Deutscher hat man zu Kärnten nämlich ein deutlich distanzierteres Verhältnis als zu Thüringen und kann das emotionsloser beurteilen, das sorgt für einen Shift im Mindset. Und wenn man dann wieder zu Thüringen zurückgeht sieht man die eine oder andere Sache vielleicht etwas anders, weil die Gedanken aus ihren eingefahrenen Gleisen rausgekommen sind.
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Schattenwurf
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Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von Schattenwurf »

blacksister´s ghost hat geschrieben: Dienstag 29. Oktober 2019, 17:17
Schattenwurf hat geschrieben: Dienstag 29. Oktober 2019, 16:32
Die Erfolge liegen schlicht im Versagen der etablierten Parteien. So einfach ist das.
Ganz so verallgemeinern kann man das aber auch nich.
Oder hast du mit allen AFD-Wählern Rücksprache gehalten, um das so beurteilen zu können? ;)
Ich denke, dass selbst in dieser Studie nur eine Handvoll Leute zu Wort kamen und nich alle.
Das Übel wird viele Gründe haben.
Glaubst du Rechte wachsen auf Bäumen?
Oder spriessen wie die Pilze aus dem Boden?
Es gab und gibt immer rechte Parteien im Spektrum, NPD , DVU, was-weiss-ich-noch.
Das ist der rechte Rand ... 5% unserer Mitmenschen, das muss/kann eine Demokratie locker aussitzen.

Aber das sind keine 20%+ gewesen. Die zusätzlichen sind Ottonormalbürger die die Schnauze voll haben. Und die Schnauze voll haben sie, weil niemand Politik für sie macht. Es ist halt so, dass wenn ich mit zb. Gendermist anfange, ich automatisch die Hälfte meiner Wähler verliere. *shrug* Wenn ich Männer als toxisch diffamiere, dann wählen die Männer die entsprechende Parteien nicht mehr. Die einzigen die sich klar gegen Gendergebrabbel stellen sind die von der AFD. Und davon gibt es noch mehr Beispiele die ich schon nannt. Als Pazifist sind die Grünen unwählbar geworden. Für Arbeiter die SPD. usw.
Man darf halt seine Klientel nicht vergraulen und verkaufen. So einfach ist.
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blacksister´s ghost

Re: Landtagswahlen in Thüringen

Beitrag von blacksister´s ghost »

Schattenwurf hat geschrieben: Dienstag 29. Oktober 2019, 19:39
Glaubst du Rechte wachsen auf Bäumen?
Natürlich! Und wenn sie reif genug sin werden sie gepflückt 8-)