Hmmm..... hmmmm..... hmmmmmmmmmm......
Eines vorweg: Ich habe die entsprechenden wissenschaftlichen Publikationen gelesen und halte die Arbeit für eine technische Meisterleistung.
VLBI (Very Long Baseline Interferometry) bei einer Wellenlänge von 1.3mm und Frequenz von 230 GHz ist alles andere als ein Spaziergang im Park. Das Radiosignal mußte hierfür bis zu 7 Minuten lang mit 32Gbps gesampelt werden. Das müssen die Festplatten erst einmal mitmachen. Insofern: Hut ab!
Aber: VLBI nimmt keine Bilder auf, sondern mißt die zeitlich-räumliche Kohärenz der von den diversen Radio-Teleskopen empfangenen elektromagnetischen Wellen -- oder anders ausgedrückt: VLBI mißt, wie gut die Berge und Täler in den von den verschiedenen Radio-Teleskopen aufgenommenen Radiosignalen miteinander übereinstimmen, nachdem die erwarteten Laufzeitunterschiede der Radiosignale aufgrund der verschiedenen Standorte der Teleskope herausgerechnet worden sind. Die verbleibenden Unterschiede in der räumlich-zeitlichen Kohärenz der Signale werden durch die Struktur der Radioquelle verursacht. Durch eine Fourier-Transformation kann man aus die Struktur der Radioquelle (also ihr Bild) aus diesen Unterschieden berechnen.
Im Prinzip.
Die zeitliche Kohärenz ist nicht das Problem. Das Signal wurde extrem genau mit hoher Frequenz gesampelt. Das Problem ist die räumliche Kohärenz. Am Event Horizon Teleskop, das die vorliegenden VLBI Beobachtungen gemacht hat, waren "nur" acht Antennen an sechs Standorten beteiligt. Die räumliche Kohärenz des Signals wurde also nicht sonderlich gut gesampelt -- besser geht allerdings auch nicht.
Und das bedeutet in der Praxis, daß die Fourier-Transformation keine eindeutige Lösung besitzt, d.h. dieselben Unterschiede in der Kohärenz der Meßdaten können von ganz verschiedenen Objekten erzeugt werden.
Im vorliegenden Fall haben sich die Wissenschaftler nun mit einem Trick beholfen: Sie haben im Computer ein Modell des Schwarzen Lochs mit dem zu erwartenden Ring und dem Schatten gemacht, hieraus synthetische VLBI Beobachtungsdaten berechnet und diese dann in die Fourier-Transformation gesteckt, um ein Bild zu erhalten. Anschließend haben sie so lange an den freien Parametern der Fourier-Transformation gedreht, bis sie ein Bild erhalten haben, das dem ursprünglichen Computermodell entspricht.
Die derart getunte Fourier-Transformation haben sie dann auf die echten Beobachtungsdaten losgelassen, um aus den knapp 10000 möglichen Bildern dasjenige herauszufischen, das wohl am ehesten dem eines Schwarzen Lochs entspricht. Um dieses Bild überhaupt erhalten zu können, mußte in den Algorithmus also hineingesteckt werden, was man ungefähr als Resultat erwartet. Ansonsten wäre da nämlich nur Schwachfug herausgekommen. Oder nochmals anders gesagt: Wenn man nicht schon vorher gewußt hätte, was für ein Bild so ein Schwarzes Loch erzeugt, dann sähe das letztendlich veröffentlichte Bild wohl anders aus.
Ich möchte die Leistung der an diesem Projekt beteiligten Leute nicht schmälern. Aber ich habe so ein ganz kleines bißchen Mühe. daß das nun als »das erste Bild« eines Schwarzen Lochs gehypt wird. Es ist kein Bild, sondern die wahrscheinlich plausibelste Lösung der entsprechenden Fourier-Transformation.
Zudem finde ich, daß sich Wissenschaft und Medienevents nur schlecht vertragen.
Nörgel-nörgel-nörgel.