Nachwuchs, oder Wie sieht es heute aus mit der Jugend?

[Luna Rabenherz]

Hoffentlich ist das OK, wenn ich noch ein Thema erstelle
Also. Wie sieht die jüngste Generation der Gothics aus? Hat jemand Informationen? Kennt jemand jemanden persönlich?

Ich habe gelesen und in Videos gesehen, dass die Jugendliche heutzutage sich keiner Szene dauerhaft anschließen möchten, sondern probieren verschiedene Stile je nach der Laune an und das überwiegend im Internet. Dass sie kein Bock auf Rebellieren haben und Schwierigkeiten möglichst vermeiden.
Aber na ja, "damals" schrieb man ja gerne, dass "wir" verrückte drogensüchtige Grabschänder seien Medienberichte sind immer mit Vorsicht zu genießen...

Hinzugefügt nach 39 Minuten 48 Sekunden:
@Herbstlaubrascheln zum Beispiel, diese junge Gothics, die Du gesehen hast. Sahen sie eher "oldschool", kreativ, oder eher wie auf einem Werbungsbild im Katalog?

[Graphiel]

Vorab: ich finde es super wenn Themen eröffnet werden, egal von wem. Daher einfach nur mal ein Daumen nach oben

Zum eigentlichen Thema... Persönlich kenne ich 2 junge "Gothics", mit denen ich im Rahmen meiner beruflichen Tätigkeit zu tun habe. Die eine ist inzwischen mit ihrer Schullaufbahn fertig, die andere gerade in der Oberstufe. Daneben kenne ich noch rein vom sehen ein paar Leutchens, die definitiv noch nicht all zu lange mit der Schullaufbahn fertig sein dürften und die ich neben Alltagsbegegnungen (etwa am Busbahnhof) gelegentlich auf schwarzen Partys sehe.

Keine der beiden mir persönlich bekannten jungen Damen sieht so aus, als wären sie gerade aus den 80ern oder 90ern gefallen. Toupierte Harre wirst du bei ihnen vergeblich suchen und von Pikes hatten die beiden vor den Schulhofplaudereien mit mir scheinbar auch noch nie was gehört. Würde die ältere der beiden auf Kajal und diversen Schmuck (etwa in Form von Fledermäusen) verzichten könnte man sie spielend leicht auch mit anderen jungen Menschen verwechseln, welche auch ganz szeneunabhängig aus rein modischen Gründen in schwarz herumlaufen. Die jüngere der beiden geht da schon ein wenig auffälliger zu Werke und bevorzugt neben typischem Schmuck, Nagellack und Kajal schwarze Oberteile mit allerlei Spitze dran.

Gemein haben beide, dass sie über ihre Eltern mit der Musik in Berührung kamen, wenn auch nicht mit den urgruftigsten der gruftigen Vertreter. Die jüngere kennt zwar Bauhaus und The Cure, bevorzugt aber eher modernere Klänge wie Lacrimosa. Die ältere hat sich dagegen auf Musik im Stile von ASP eingeschossen. Auch gemein haben beide, dass man ihnen als unreflektierte (und meiner Meinung nach selten dämliche) Beleidigung "Emo!" hinterher ruft.

Also ja: Meinen Erfahrungen gibt es durchaus noch Nachwuchs in der Szene, aber man sollte sich nicht der Illusion hingeben dass diese automatisch so aussehen wie aus einem gruftigen Lehrbuch der 80er und 90er

[Luna Rabenherz]

@Graphiel danke! Klingt nach Hoffnung
Ich habe mir neulich ein paar alte Dokus (TV-Berichte oder so) über Gruftis in 1990ern angeschaut. Die schwarze Jugendliche da hatten auch nicht unbedingt toupierte Haare und trugen häufig massive Stiefel statt Pikes...

[Herbstlaubrascheln]

@Luna Rabenherz
In der Szene gab`s ja auch immer wieder mal Trends, die teilweise "wechselten", von ganz grundlegenden Dingen halt einfach mal abgesehen - toupierte Haare sah man in den 90ern nicht sooooo häufig wie in den 80ern (und wie heute, nicht zu vergessen), auch sah man eine ganz Weile Pikes nur eher vereinzelt, während die ich jetzt wieder hoher Beliebtheit erfreuen. FInd` ich auch alles nicht wirklich diskussionswürdig, da ich ohnehin meinen eigenen "Stil" habe und nach irgendwelchen Trends dann doch eher selten gehe...Ich freue mich aber, bestimmte Dinge einfach wieder öfter zu sehen und andere dafür kaum mehr

Zu Deiner Frage: Der Nachwuchs, den ich gesehen habe, sah überhaupt nicht nach Katalog aus. Pikes haben die nicht getragen, finde ich aber auch vollkommen unwichtig. "Kreativ" ist auch nicht immer das alles beherrschende Muss für mich; es gibt auch eine ganze Menge Leute, die kein Händchen für Schneidern oder Nähen oder Herumbasteln haben und das ist auch überhaupt kein Kriterium, was das angeht. Meine Kreativität beschränkte sich auch großteils auf Krägen abschneiden, Stiefelsohlen kleben und Klamotten einfärben, deswegen finde ich es nicht problematisch, wenn nicht alles selbst von Hand gemacht wird. Wenns war kann, ists schon irgendwo cool - wenn nicht, juckts letztendlich auch nicht.

[Luna Rabenherz]

@Herbstlaubrascheln Ich befürchte, wenn nur das diskutiert würde, was diskussionswert ist, würde auf der Erde Schweigen herrschen
Ich behaupte nicht, dass alles selbstgemacht werden muss und fertige Szene-Klamotten das wahre Übel ist. Nein. Ich bin einfach so naiv und altmodisch, dass ich möchte, dass etwas noch Gothic von der Masskultur unterscheidet. Ein bisschen Individualität, Kreativität, Freiheit. Nicht zuzulassen, dass jemand für einen entscheidet, was man tragen soll und wie aussehen. Nicht alles fertig kaufen und wie gezeigt verwenden. Mal was kombinieren, was Neues, was Altes, was Ungewöhnliches, nicht so viel Angst vor Risiko haben, das etwas "nicht richtig" ist... Das beginnt in Klamotten und wächst nach innen ins Gehirn, deswegen sind ja die "Contr-Kulturen" der Vergangenheit ausgerechnet mit Kleidung und Aussehen ausgefallen...
Aber na ja, eigentlich wirklich wurscht. Das ist einfach nur Gemecker einer älterwerdender Frau, die nie mehr 17 sein wird

[Herbstlaubrascheln]

@Luna Rabenherz
Nicht falsch verstehen, ich finds super, dass hier diskutiert wird. Grad die Szene-Themen vermisse ich ohnehin immer etwas, was den Gesprächsstoff hier angeht und natürlich kann und soll man sich hier auch austauschen und drauf los diskutieren Ich meinte lediglich, dass ich Nachwuchs nicht irgendwie aburteile oder sonst wie bewerte, gerade nicht durch irgendwelche Äußerlichkeiten. Seinen eigenen Style findet man meist ja auch erst mit den Jahren.
Dieses ganze individuelle Ding ist an MIR persönlich halt immer so ein bisschen vorbei gegangen. Mir gings, auch in jungen Jahren, nie darum, lieber nix "fertiges" zu kaufen oder irgendwie dadurch aus der Reihe zu tanzen. Ich wollte halt immer wie ein Grufti aussehen *lacht* - soooo furchtbar individuell ist das ja auch nicht; denn woran orientiert man sich logischerweise? An anderen Gruftis halt. Da sind wir wieder bei Black Fridays coolem Zitat "Wenn Du Deinen Stamm gefunden hast, trägst Du auch die Kleidung Deines Stammes, weil Du möchtest, dass andere Dich erkennen." Gerade wenn man jung ist, spielt das keine unerhebliche Rolle.
Persönlich mochte ich noch nie Klamotten aus Szene-Läden. Liegt aber eher daran, dass sie mir rein optisch nicht gefallen, dass sie überteuert und von miserabler Qualität sind und das Ganze auch meinen Geschmack nicht wirklich trifft. Wenn jemand, der noch sehr jung ist und da grad rein findet, sowas anzieht.. naja, seh` ich jetzt kein großes Problem drin. Scheisse siehts zwar trotzdem aus, aber mehr sagt das erstmal nicht aus. Auch was die Musik angeht, kann man da doch durchaus noch ein bisschen nachsichtig sein *lacht* Vor vielen Jahren hatte ich mal einen Praktikanten, dem ich gleich angesehen hatte, dass er etwas "schwarz angehaucht" ist - der suchte auch schnell das Gespräch mit mir über Musik und ich habe ihm einfach mal ein bisschen was an Musik zusammen gestellt, was man "kennen sollte" Fand der damals sehr cool; weil er 95% davon eben noch NICHT kannte.

Dazu kommt, dass die Jugend ja eigentlich ohnehin immer wieder probiert, sich ab zu grenzen von den anderen. Grufti oder nicht.

[Durante]

Ich wollte halt immer wie ein Grufti aussehen *lacht* - soooo furchtbar individuell ist das ja auch nicht; denn woran orientiert man sich logischerweise? An anderen Gruftis halt. Da sind wir wieder bei Black Fridays coolem Zitat "Wenn Du Deinen Stamm gefunden hast, trägst Du auch die Kleidung Deines Stammes, weil Du möchtest, dass andere Dich erkennen." Gerade wenn man jung ist, spielt das keine unerhebliche Rolle.
Persönlich mochte ich noch nie Klamotten aus Szene-Läden. Liegt aber eher daran, dass sie mir rein optisch nicht gefallen,

Ich weiß nicht wie oft ich das inzwischen hier im Forum schon geschrieben habe, aber ich seh das (mal wieder) genauso wie Herbstlaubrascheln...
Ich finde den Grufti-/Tradgoth-Look einfach genial, cooler kann man in meinen Augen einfach nicht aussehen, und deshalb wollte ich auch (soweit ich es hinkriege) so aussehen... ob mich das jetzt (rein äußerlich) besonders individuell oder zu einem "Abziehbild" macht is mir irgendwie eher egal.
(Wobei der Stil natürlich automatisch dazu führt dass man nicht ausschließlich 0815-Klamotten in Szene-Läden kauft, die haben dafür einfach sowieso das falsche Angebot.)

@Graphiel Cool, du machst einem ja richtig Hoffnung (was Nachwuchs angeht)!

[Luna Rabenherz]

Na ja. Das Gefahr solchen Foren und so einer Kommunikation in generell, wo man nicht ausschließlich sachlich Informationen austauscht, sondern Meinungen, besteht daraus, dass man sich unbewusst anfängt, entweder zu rechtfertigen oder anzupassen...
Ich habe mich mittlerweile dazu entschieden, mich eher als "Schwarzromantikerin" zu bezeichnen. Und meine Szeneangehörigkeit darf jeder gerne selbst definieren, falls jemand (warum auch immer) darauf Lust haben sollte

P. S. Einige Szene-Klamotten sind doch qualitativ hochwertig. (Stichwort Alchemy Gothic).

Ach ja, unter "Individualität" oder so habe ich nicht gemeint, sich von anderen Gothics zu unterscheiden, sondern von der "Mass-Kultur", wo es reicht, "die richtige" Sachen zu kaufen und zu konsumieren, um dazuzugehören...

[Eddie Winkler]

Ich sehe so extrem selten junge alternative Menschen, und Gruftis und andere aus der schwarzen Szene noch seltener. Leider. Dabei liebe ich das doch so sehr. Selbst die "aktuelleren" E-Girls/Boys/Enbys sieht man nur sehr selten, sie sind eher ein Internetphänomen (und daher leider meist auch ohne wirklicher Subkultur hinter dem Stil).

Viele junge Menschen aus der Szene halten die allgemeinere Schwarze Szene für die Gothic Szene, aber das war ja schon seit Jahrzehnten so... Die Mode derer, die ich sehe geht in Richtung Metalhead trifft auf Nu Goth (Killstar und co.), bei Männern noch mal mehr Metalhead, immer mit Bart und langen Haaren, wenn auch glatt statt wild. Die Musik ist auch eher in Richtung Blutengel, Covenant, VNV Nation, Faderhead, Suicide Comando und co., also fast schon "normale" Techno/Electro Musik mit düstereren Texten und etwas geschrei... Eben Zeug, zudem man den "Industrial Dance" (der weder mit Industrial noch EBM zu tun hat) oder normalen Club/Techno-Stile tanzen kann...
Wären die Glühwürmchen noch stärker vertreten, würden sie sich freuen.

[Luna Rabenherz]

Na ja, es ist wohl nicht mehr aktuell, aber ich möchte es trotzdem loswerden. Jetzt habe ich endlich formuliert, was ich mir wünschte. Authentizität. Nicht Individualität. Hoffentlich jetzt versteht ihr, was ich meine (zumindest ich verstehe, was schon mal gut ist ). Eine gewisse Ehrlichkeit oder so, wenn das Äußere das Innere widerspiegelt. Nicht wie es "sein soll", sondern wie es jeder für sich fühlt. Egal ob es ähnlich oder anders ist, wie bei anderen, ob es fertig gekauft oder selbst gebastelt wurde. Und nicht nur im Aussehen, sondern in generell. Was man liebt, wie man sich hielt, was man sagt und tut... Das, finde ich, ist der entscheidende Unterschied. Die Möglichkeit, das Recht sich selbst zu sein. Vielleicht das war der Grund, warum due erste Subkulturen überhaupt entstanden sind?
So. Das möchte ich sagen