Irgendwie hab ich ja den Verdacht, dass der Thread nur aus weißen Leuten bestehen wird, die sich gegenseitig versichern, dass sie ja eigentlich gar nicht rassistisch seien. So seltsam wie Männer, die sich gegenseititg versichern, dass sie nicht sexistisch seien. Aber sei's drum.
Evanahhan hat geschrieben: ↑Freitag 26. März 2021, 10:46Mich interessiert einfach, was für einen Background Leute haben.
Es gibt durchaus Leute, die mit solchen Fragen kein Problem haben. Es gibt auch viele Leute, die damit ein Problem haben.
Hier kann man sich mal die Meinung von einer jungen Frau durchlesen, die die Frage nicht ausstehen kann.
Ich denk mir halt: Was ist wichtiger? Dass ich meine persönliche Neugier befriedige oder dass sich mein Gegenüber wohl fühlt? Ich hab mich für die zweite Variante entschieden, und das obwohl ich ein seeeeeehhhr neugieriger Mensch bin.
Und gerade das Beispiel mit neuen Kollegen find ich unpassend gewählt. Wenn jemand grad irgendwo anfängt und einer von den alten Hasen unangemessene Fragen stellt wird der/die Neue ganz sicher nicht sagen "Sorry, aber die Frage war jetzt scheiße, lass das gefälligst." Man will ja einen Job und schluckt sowas natürlich erst einmal runter, einfach weil ein Machtgefälle herrscht.
Freund von mir (Moslem) erzählte mir zum Beispiel, dass eine Kollegin in der beruflichen WhatsApp-Gruppe immer FPÖ-Werbung rumschicken würde. Er findet das natürlich nicht prickelnd, sagt aber nix, weil er das Betriebsklima nicht ruinieren will.
Nur durch die ganze Diskussion um Rassismus ist diese ganze Unbefangenheit futsch und wahrscheinlich würde ich mich nicht mehr so ohne weiteres trauen, diese Frage zu stellen.
Diese Aussage hat für mich auffällige Parallelen zu Männern, die sagen, dass durch #metoo ihre Unbefangenheit weg wäre und sie sich gar nicht mehr trauen würden, Frauen anzusprechen ...
Da kann man sich übrigens die gleiche Frage stellen: Was ist wichtiger? Dass ich jetzt was sage oder dass sich die Frau wohl fühlt? Und, ja, auch da gibt es unterschiedliche Wahrnehmungen.
Wenn also Otto-Normalbürger keinen Kontakt zu dunkelhäutigen Menschen hat oder allgemein Migranten, dann ist es doch klar, dass da Wissen fehlt.
Ignoranz ist eine Erklärung, aber keine Entschuldigung.
Dass eine Gesellschaft umso rassistischer ist je weniger divers sie ist ist ein alter Hut.
Hier hab ich mal einen Artikel gelesen, ok, geht um Islamophobie, nicht um Rassismus, aber gewisse Überschneidungen gibt's da ja. Zitat: Wer keine Muslime kennt, ist islamfeindlicher (66 % ohne Kontakte zu Muslimen finden „den Islam“ bedrohlich, bei denen mit Kontakt sind es 43 %; 71 „ohne“ finden, dass der Islam nicht in die westliche Welt passt, bei denen „mit“ sind es 42 %).
Am erschreckendsten find ich da Sachsen: Nur 0,1% Moslems in der Bevölkerung, aber 78% (!) lehnen den Islam ab. Das ist der höchste Wert in D. Muss man sich mal vorstellen - von fünf Sachsen sind vier islamfeindlich eingestellt und haben demzufolge ein Problem mit meinen Kolleg:innen, Freund:innen und Gspusis, also mit Menschen, die ich mag oder sogar liebe ...
Und auch Kontakt zu Leuten, die nicht weiß sind, macht einen nicht automatisch immun gegen Rassismus. Ich hatte/habe ja viele solche Kommiliton:innen/Kolleg:innen/Nachbar:innen usw., trotzdem bin ich immer noch in rassistischen Denkstrukturen gefangen. Anti-Rassismus ist harte Arbeit. Vor allem Arbeit an sich selbst.
Das betrifft ja nicht nur Menschen anderer Hautfarbe, sondern allgemein Menschen, die irgendwie von der „Norm“ abweichen.
Klar. Es gibt auch Behindertenfeindlichkeit, Homophobie, Transphobie usw. Aber nur weil die ebenfalls verbreitet sind macht das Rassismus doch nicht ok.
Wenn wir eh alle per Geburt Rassisten sind,
Das hat doch nie jemand behauptet. Sachsen und Sächsinnen sind doch nicht von Geburt an islamfeindlich, sondern weil sie in einer ignoranten, islamfeindlichen Umgebung aufgewachsen sind. Rassismus ist gelernt, und man kann ihn wieder entlernen. Also, wenn man dazu bereit ist natürlich. Gibt ja immer noch Leute, die z.B. das N-Wort okay finden, bei denen ist imho Hopfen und Malz verloren. Die sind dann wirklich entweder unheilbar rassistisch oder sehr dumm oder beides.
Ist es nicht genauso rassistisch, zu sagen, dass weiße Menschen ihren Rassismus nicht erkennen?
Nein. Gibt Untersuchungen dazu, siehe z.B.
hier.
Hat etwas damit zu tun, dass Rassismus als "böse" gilt, man sich selber nicht als "böse" sehen mag und deswegen die Verteidigung automatisch und unbewusst hochfährt.
Ist es nicht besser, aus Unwissenheit und Neugier dumme Fragen zu stellen und damit die Stereotype im Kopf zu bekämpfen, als aus Angst vor dem Rassismus-Vorwurf gar keine Fragen zu stellen?
Wie wäre es denn damit, Leute nicht mit dummen Fragen zu belästigen, sondern sich mal hinzusetzen und ein paar Bücher oder wenigstens Artikel zu lesen und drüber nachzudenken?
Diesen hier find ich z.B. sehr interessant: "Why I’m no longer talking to white people about race"
Es ist ein komplexes Thema, drum ist es auch ein langer Artikel. Find's ja immer wieder seltsam, wenn über sowas "long read" steht, als ob unser aller Aufmerksamkeit so beschissen wäre dass wir damit überfordert sein könnten. Ich verlange ja auch von keinem, die gesammelten Werke von Frantz Fanon und seinen Nachfolgern durchzulesen. Hab ich auch nicht gemacht. Aber Michael Harriot (
Link) schreibt z.B. sehr coole und interessante Sachen, den kann ich auch wärmstens empfehlen.
Finde es ja sowieso sinnvoll, zu Fragen von Rassismus auf PoC zu hören, nicht auf Weiße, drum verweise ich logischerweise auf Literatur von PoC. Hier im Forum gibt's ja keine, und ich werde mich nie so weit erheben als dass ich mich als alleinigen Sprecher für sie sehen würde.
Mit dem Begriff Rassismus schwingt ja auch immer der moralische Zeigefinger mit, den ich wiederum als ungerecht empfinde.
Naja, das ist doch immer der Fall, wenn man gesellschaftliche Missstände oder Fehlverhalten aufzeigt, oder? Als ich gestern im Bus zwei Jungs gesagt hab, dass sie ihre Maske ordentlich aufsetzen sollen, war das auch mit "moralischem Zeigefinger". Soll ich das lassen, weil das ihre Gefühle verletzt?
Mir kommt es so vor, als werde eine unmenschliche Perfektion verlangt.
Ernsthaft? Also, ich hab mein Verhalten nur minimal ändern müssen. Und ich lerne immer noch dazu, und ich verändere es weiter.
Früher fand ich z.B. Ethnomedizin sehr cool, bis ich dann geschnallt hab, dass das zum großen Teil nur Fortsetzung von Kolonialismus mit anderen Mitteln ist. Das mit der geraubten Kunst in "völkerkundlichen" Museen hab ich auch lange nicht kapiert. Bricht mir doch kein Zacken aus der Krone, wenn ich sage, dass ich es damals nicht besser wusste und dazugelernt habe.
Graphiel hat geschrieben: ↑Freitag 26. März 2021, 12:58
Und genauso verhält sich jemand, der dem "alten weißen Mann" zu seinem vorkonstruierten Bösewicht erklärt hat kein bisschen weniger rassistisch als wer anders, der das selbe über Menschen anderer Hautfarbe macht.
Nein. Rassismus hat immer auch etwas mit Machtstrukturen zu tun.
Eine gesunde Gesellschaft muss in meinen Augen eben auch Grauzonen aushalten können.
Prinzipiell ja, aber im Rassismus-Fall würde ich das in dieser Formulierung nicht so unterschreiben. Natürlich hat eine primär weiße Gesellschaft kein größeres Problem mit rassistischen Grauzonen und kann die ignorieren. Aber in dem Fall geht es halt ausnahmsweise mal nicht um das Empfinden der weißen Mehrheit.
Daraus folgt schließlich ja nicht Leuten mit kontroversen Ansichten automatisch das uneingeschränkte Recht auf unkommentiertes Gepöbel einräumen zu müssen.
Einerseits stimme ich Dir zu, dass man, wenn man eine Meinung äußert, Widerspruch aushalten sollte. Ich mein, ich bin zwar durchaus genervt und gelangweilt, wenn ich die selben ausgelatschten und schon längst widerlegten Gegenargumente zum tausendsten Mal höre, da muss ich mich schon anstrengen, damit mir nicht der Geduldsfaden reißt, aber ich versuche es zumindest.
Andererseits gibt's ja das Konzept "tone policing" (
Link), wo nicht der Inhalt sondern die Ausdruckweise kritisiert wird. Als olle Feministin bin ich es natürlich gewohnt, dass mir empfohlen wird, meine Beschwerden doch bitte "netter" zu formulieren. Als ob nettes Fragen je groß was gebracht hätte.
Diese Kritik kommt ganz häufig aus der spießig-kleinbürgerlichen Ecke, meiner Erfahrung nach. Die Diskussion hab ich übrigens immer wieder mit meinem liebsten Anarcho-Kommunisten, im Vergleich zu dem bin ich ja sowieso unglaublich freundlich und entgegenkommend. Seiner Meinung nach bin ich jedenfalls viel zu nett. Andere finden mich dagegen nicht nett genug. Tja, was willste machen?
Wenn man rassistische Äußerungen allerdings als "Pöbeln" bezeichnet verharmlost man sie. Das sollte man auch immer im Hinterkopf behalten.
Weil er den Ausdruck "Mohr" schön fand und sein Restaurant "Zum Mohren" nannte.
Das M-Wort als solches ist fraglos rassistisch. So wie "Schlampe" eine sehr herabsetzende Bezeichnung für Frauen ist. Ich selber kann mich so nennen, klaro, kein Problem. Aber wenn das jemand anders täte wär's halt sexistisch. Und wenn ich andere Frauen so bezeichnen würde ebenfalls.
Wenn der Herr sein Restaurant unbedingt so nennen will und es ihm scheißegal ist, damit andere Menschen zu verletzen, ist das seine Sache. Dass es verletzend ist haben ja nun schon viele oft genug gesagt. Geht in die Richtung internalisierter Rassismus, so wie es auch internalisierte Misogynie geht - also, wo Minderheiten/Frauen sich rassistisch/sexistisch verhalten, um sich bei der Mehrheitsgesellschaft/Männern einzuschleimen. Halte ich persönlich für ziemlich traurig, aber nachvollziehbar - nicht jeder ist konfliktbereit. Dass das ganze dann von Rassisten/Sexisten instrumentalisiert wird ist leider die logische Folge.
Das Thema ist ziemlich komplex,
hier kann man sich mal einen recht differenzierten Artikel dazu durchlesen. Ein schwarzes AfD-Mitglied kommt da auch zur Sprache. Sowas gibt's also auch.