Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
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Durante
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Durante »

Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Dienstag 20. September 2022, 09:35Friedfertigkeit.
Kann nur bestätigen was du sagst! Natürlich trifft man in der Szene nicht nur "nette Menschen", aber öffentliche Aggression (sei sie verbal oder gar körperlich) ist mir auf Szene-Veranstaltungen auch noch nie untergekommen (in Bierzelten oder auf Volks-/Dorf-/Stadtfesten usw. sind Pöbeleien oder gar Prügeleien zu späterer Stunde quasi normal wie mir auch Stino-Bekannte regelmäßig berichten). Ich fühle mich in größeren Menschenmengen normalerweise automatisch unwohl (auch weil mir diese Aggressivität und die "Rüpelhaftigkeit" einfach so fremd sind), nur auf schwarzen Konzerten/Festivals ist das tatsächlich NICHT so. Ich gehöre als Mann in den 30ern mit über 1,90m zwar glücklicherweise schon zu den Menschen die sich notfalls def. auch wehren können, aber große Lust darauf dass ein "sich wehren" überhaupt notwendig wird hab ich trotzdem keine wenn ich doch eigentlich Abends einfach entspannen und feiern will...

Was man allgemein zu den Begriffen "Werte" und der oft beschworenen "Toleranz" (schwieriger Begriff wie hier schon ausgeführt wurde und manchmal auch falsch verstanden) der Szene ergänzen könnte:
Das Verständnis für persönliche oder psychische Probleme, Depressionen beispielsweise, schien mir unter Goths schon immer größer zu sein als in der "Gesamtgesellschaft". Ebenso auch das Verständnis oder sogar eine Wertschätzung dafür dass jemand evtl. Traurigkeit "einfach mal zulässt" (anstatt sich "gefälligst zusammenzureißen" oder - anders ausgedrückt - zu verstellen).
Damit meine ich explizit NICHT dass alle Goths "sich ritzende suizidale Depressive" sind! (Jeder hier kennt solche Klischees noch denke ich... ;) )
Ich meine nur dass das Verständnis dafür dass jemand in DIESER kranken Welt/Gesellschaft eventuell nicht immer "gut drauf" ist und "funktioniert" (und das auch mal zugibt) ist einfach größer.
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Archy
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Archy »

Da muss ich an einen Vorfall, in der Bahn zur Agra dieses Jahr, denken...also WGT, wo es doch kurz zu einem kleinen Wortgefecht zwischen 2 Männern kam. Bildet sicher die Ausnahme, aber geben tut´s das dennoch. Ich bekam das auch nur beiläufig mit, aber da stand einer bei der Tür und hielt sich an der Stange fest, keine Ahnung was der für eine Bewegung gemacht hat, zumindest kam der vorbeilaufenden Typ im Gang sich gerempelt vor...mit Absicht, und fing da ein Theater an. Ich mein, wer schon mal mit der Bahn zur AGRA ist, der weiß, wie enge das da zu geht und klar kann das da auch passieren, dass man da mal wem auf die Füße tritt oder irgendwie anstößt.
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Durante
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Durante »

OK, das zerstört meine Illusion jetzt leider doch... ein wenig. :(
Aber wahrscheinlich wäre es nüchtern betrachtet auch naiv anzunehmen dass sowas auf einem Event der Größe des WGT* z.B. buchstäblich "nie" vorkommt, das geb ich (ungern) zu. ;) Es ist aber sicherlich trotzdem deutlich seltener als auf "bunten" Veranstaltungen (ähnlicher Größe).

*wo das Publikum nicht nur viel zahlreicher sondern auch etwas weniger homogen ist als auf einem kleinen Indie-Goth-Tagesfestival mit nur einigen hundert Besuchern
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Herbstlaubrascheln
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Joa, meine "Illusion" zerstört das nun nicht sooooo sehr, weil ich das WGT gar nicht mehr so sehr als reine, typische Szene-Veranstaltung sehe *hüstel*, sondern da auch relativ viel Leute einfach so mit herum laufen und sich hier alles doch sehr vermischt. Aber wie gesagt, nur meine Meinung; die ist natürlich nicht allgemein gültig.
Ansonsten schließe ich mich natürlich auch Durante an, irgendwo..bei einem riesen Event wie dem WGT wäre es ja fast ein bisschen naiv zu glauben, das da nie irgendwas abgeht und alle nur Ringelreih tanzen *lacht*

Tatsächlich empfinde ich es aber so, dass es auf schwarzen Veranstaltungen bei weitem friedlicher zu geht als auf allen anderen. Ich habe in über 20 Jahren "Gothic" noch nie erlebt, dass sich irgendwo handfest geprügelt worden wäre, dass Leute besoffen Frauen belästigt hätten, dass Besitz von anderen mutwillig zerstört worden wäre und so weiter und so fort. Kleine Wortgefechte zerstören meine ganz eigene Illusion da nicht wirklich, muss ich ganz klar sagen.
Dass die Szene nur aus freundlichen, netten, aufgeschlossenen Menschen besteht, würde ich auch niemals behaupten. Schlicht und einfach, weil das nicht so ist. *schulternzuck*

Auf Stino-Veranstaltungen ist es doch eher die Regel, dass es ab einem bestimmten Pegel bzw. einer bestimmten Uhrzeit einfach knallt und viel gepöbelt wird. Ich lebe ja mitten auf dem Land; wenn ich da so an die Zeltdiscotheken, Kneipen-Feten und Dorf-Disco-Eskalationen von früher denke...das war schon immer alles sehr geladen und mit viel Aggressionen, einem recht unterschiedlichen Publikum, das dann irgendwann mal aufeinander knallte.
Betrachtet man solche Veranstaltungen wie aktuell zB. das Oktoberfest, wird auch schnell klar, worüber ich rede. *lacht*
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Soiled

Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Soiled »

Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass Feuerwehrfeste repräsentativ für Leute sind, die nicht der schwarzen Szene angehören (find den Ausdruck "Stinos" übrigens immer noch schrecklich abwertend, und außerdem ist es ein klassischer Fall von Fremdgruppenhomogenität und dadurch ziemlich dumm).
Es gibt auch genug Nicht-Szene-Events, die vollkommen friedlich sind. Ich geh ja nicht nur auf schwarze Konzerte sondern auch auf andere. Bei Klassik hab ich z.B. auch noch nie gesehen, dass sich Leute geprügelt hätten. Auch nicht bei Neuer Musik. Oder experimenteller elektronischer Musik. Genauso wenig bei Punk, Grindcore, Metal, Indie-Pop und -Rock ...
Klar, Punk und Grindcore haben einen durchaus aggressiven Vibe, aber das ist rein ritualisierte Gewalt, keine echte. Da fühl ich mich auch als (nur durchschnittlich große, haha) Frau vollkommen sicher, auch wenn ich allein unter 30 besoffenen Typen bin. Aber ich bin ja generell nicht der ängstliche Typ.
Zu Jazz, Folk, Schlager, HipHop und sowas kann ich nix sagen, weil ich mir das nicht anschaue, aber ich hab noch nie gehört, dass es da großartige Probleme gegeben hätte. Warum man sich bei so vielen Alternativen ausgerechnet Dorffeste mit extrem hohem Alkoholkonsum und dadurch auch hohem Gewaltpotenzial rauspicken muss um sie mit Szene-Events zu vergleichen kann ich nicht nachvollziehen. Da kann man ja gleich Fußballspiele nehmen. :lol:

Und, mit Verlaub: Wenn z.B. Klassik-Fans ein Dorf-Besäufnis heranziehen würden um zu zeigen, dass sie ja viel "friedlicher" wären, wär die Arroganz und der Snobismus dahinter jedem klar. Warum solche Aussagen bei Mitgliedern der Schwarzen Szene anders zu bewerten sind konnte mir bis jetzt noch niemand glaubwürdig erläutern.
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Herbstlaubrascheln
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Soiled hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 18:30 Ich würde jetzt nicht unbedingt sagen, dass Feuerwehrfeste repräsentativ für Leute sind, die nicht der schwarzen Szene angehören (find den Ausdruck "Stinos" übrigens immer noch schrecklich abwertend, und außerdem ist es ein klassischer Fall von Fremdgruppenhomogenität und dadurch ziemlich dumm).
1. Joa, ich auch nicht.
2. Joa, ich eben nicht. Hat nichts mit Abwertung zu tun, ersetze es meinetwegen als "Nicht-einer-bestimmten-Gruppierung-zugehörig"; wer den traditionellen Szene-Jargon kennt, weiß, dass damit halt "Nicht-Grufti" (usw) gemeint ist, sondern eben jemand, der aus den eigenen Augen (!) eben "stinknormal" unterwegs ist, in mehrerlei Hinsicht. Wichtig hierbei zu beachten ist es ja auch, dass einem nicht selten durchaus von Außen zu verstehen gegeben wurde, dass man eben NICHT "ganz normal" ist *lacht* Von dem her: Nicht abwertend, nicht dumm. Wer mich oder meine Beiträge so werten will....joa, kann ich nix dran ändern. Ist mir auch relativ bums.


Soiled hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 18:30 Bei Klassik hab ich z.B. auch noch nie gesehen, dass sich Leute geprügelt hätten.
Ich bin jetzt nicht sicher, ob der Einwand jetzt ernst gemeint ist oder nicht - jedenfalls: Habe ich auch noch nie gesehen. Und noch nie irgendwo das Gegenteil behauptet. *schulternzuck*

Soiled hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 18:30 Warum man sich bei so vielen Alternativen ausgerechnet Dorffeste mit extrem hohem Alkoholkonsum und dadurch auch hohem Gewaltpotenzial rauspicken muss um sie mit Szene-Events zu vergleichen kann ich nicht nachvollziehen.
Hatte ich durchaus in meinem Beitrag erwähnt: Weil ich (!) damit hier auf dem Hinterland in meiner Jugendzeit viel in Berührung gekommen bin, als ich jung war. Warum sollte ich von etwas sprechen, was ich selbst nicht beurteilen kann? Ich kann Schlager-Kram beurteilen, weil ich das in einem nicht gerade kleinem Ausmaß direkt vor der Haustür habe (das kann ich gern näher erläutern, mache ich aber nicht, weil es sowieso keine Sau juckt und ich selbst auch nicht weiter beschäftigt), Dorfdisco und Kneipenkram, weil ich aus einer sehr ländlichen Gegend komme und diverse, größere Bierzelt-Ereignisse, weil ich eben in Bayern wohne und davon logischerweise auch viel mitbekomme.
Und alles, was ich eben "da" schon gesehen habe, habe ich eben in über 20 Jahren schwarze Szene noch nicht mitbekommen. Wie schon erwähnt, meine Meinung ist keineswegs allgemeingültig; ebenso wenig können meine persönlichen Erfahrungen nicht auf den Rest der Welt zutreffen. Warum man meine Plaudereien (aus eben meinen ganz persönlichen Erfahrungen und Erlebnissen heraus) und meine Meinung zu dem Thema mit Argumenten wie "Auf einem Klassik-Konzert pöbelt auch niemand besoffen herum" so sehr entkräften möchte, weiß ich aber auch nicht *schulternzuck*
Ich nehm`s einfach mal nicht persönlich.
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Durante
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Durante »

Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 18:14weil ich das WGT gar nicht mehr so sehr als reine, typische Szene-Veranstaltung sehe *hüstel*
Da muss ich dir leider einfach zustimmen.
Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 19:17wer den traditionellen Szene-Jargon kennt, weiß, dass damit halt "Nicht-Grufti" (usw) gemeint ist
Genau so ist es! Für mich ist Stino nicht abwertender als Bunti oder das umständliche "Szene-fremd" oder "Nicht-Grufti". Wenn ich jetzt einen "Nicht-Grufti" tatsächlich abwerten wollen WÜRDE, würde ich ihn ganz altmodisch einen Spießer nennen. Aber andere mögen den Begriff von mir aus gern verwenden wie es ihnen beliebt.

Was die Diskussion betrifft:
- Auf reinen(!) Grufti-Events (sowas wie einem Fabrika Records Festival oder einem Clan of Xymox-Konzi) hab ich in all den Jahren nie erlebt dass jemand ausfällig wurde, kein einziges mal.
- Auf Konzerten bekannterer Bands (The Cure in München, Bauhaus in Berlin, ...) hab ich durchaus erlebt dass gepöbelt, geschubst und gedroht wurde. Auf einem Cure-Konzert wurde eine Bekannte von mir belästigt. Und bei allen diesen Vorfällen waren die "Täter" aber interessanterweise ausnahmslos.. obacht... ;) ..."Stinos". KEINE Goths.
- Meine Freunde gehören eher der Rock- und Metal-Fraktion an (bis auf einen einsamen Punk), und was mir die über die Jahre so von "normalen" oder von mir aus "Mainstream-Events" wie Rock am Ring/im Park usw. erzählten weicht teilweise stark von dem ab was ich wiederum z.B. vom Mera Luna (um mal was größeres zu nennen) kenne. Und der Alkoholkonsum auf einem durchschnittlichen Musikfestival ist auch nicht geringer als auf einem bayerischen Dorffest. ;) Wacken soll angeblich aber wiederum auch überraschend friedlich sein (is halt wieder ein anders zusammengesetztes Publikum als Rock im Park)!

Ist das jetzt eine soziologische Studie? Nein, aber viele persönliche Erlebnisse über Jahre einerseits sowie Berichte von div. Leuten die ich über 20 Jahre kenne andererseits reichen MIR persönlich zur Bestätigung meiner Theorie nachvollziehbarerweise aus. "Überzeugen" will und muss ich damit niemanden.

Und nein, Goths sind NICHT automatisch die "besseren Menschen", aber meiner Meinung sticheln und lästern sie halt eher als dass sie pöbeln und prügeln... ;)
Und diese empfundene, "äußerliche Friedlichkeit" der Goths emfinde ich im Zweifelsfall subjektiv dann doch als angenehmer.
(Hat natürlich diesen einen unangenehmen Nebeneffekt dass einem z.B. auf dem Mera Luna leider evtl. auch mal - vereinzelt - offensichtliche Faschos über den Weg laufen, weil die Gruftis alter Schule darauf nur mit skeptischem Blick und gerümpfter Nase reagieren, aber den Spinnern nicht offensiv die Meinung sagen werden - Das wär auf einem Punk-Festival wohl etwas anders...)
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Phönix75 »

Ich fände es so wunderbar entspannt, wenn man die Userin Soiled einfach ignoriert und das rechthaberische Gesabbel einfach ausblendet. Das täte, glaube ich... Nein! Ich bin davon überzeugt... allen Beteiligten gut.

Im Großen und Ganzen gehe ich damit d'accord, dass die Szene-Leute weitaus friedlicher unterwegs sind.
Hier gibts z.B. ein Baumblütenfest in Werder (westlich von Berlin). Dort kann man sich drauf einstellen, dass es abends ruppig wird, wenn der Alkoholpegel steigt. Vielleicht kann man das schon als ein Ritual bezeichnen oder als verabredete Prügelei, wie in der Hooligan-Szene, wenn sich abends die Kante gegeben wird, um dann noch bisschen "Spass" haben zu wollen. Und so ist es bei diversen anderen Volksfesten oft auch. Natürlich haben alle, die das live miterlebt haben und auch immer wieder davon hören, nicht recht, wenn dann eine Soiled um die Ecke kommt und das mit ebenso friedlichen Klassik-Fans entkräftet. Man man man... :lol:
Nichts ist so, wie es scheint.
Soiled

Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Soiled »

Nur weil man selber eine gängige Bezeichnung für andere(!) nicht als abwertend empfindet heißt das doch noch lange nicht, dass die, die damit bezeichnet werden, ihn toll finden. Dachte eigentlich, dass das spätestens seit der N-Wort-Diskussion jedem klar geworden wäre (wobei "Stino" da im Vergleich natürlich viel harmloser ist, wegen nicht vorhandener diskriminierender Strukturen). Hab mal im Bekanntenkreis rumgefragt, und so wirklich begeistert war keiner von der Bezeichnung "Stino", weil in unserer über-individualisierten Welt "normal" fast ein Schimpfwort geworden ist. Und der Teil "Stink-" ist ja schonmal eine eindeutige Abwertung, so wie in "stinkreich" oder "stinkfaul". Das kann man doch nicht einfach wegleugnen, nur weil man keinen Bock drauf hat, mal ein bisschen selbstkritisch zu sein.
Ich red da aber nicht groß rum, allein hab ich da sowieso keine Chance gegen eingefahrene Gewohnheiten. Aber nur weil etwas üblich ist heißt das doch nicht, dass es automatisch gut und respektvoll ist. Kenn Leute, die mit dem gleichen Argument Antisemitismus verteidigen - weil der halt zur deutschen Kultur gehöre und das schon immer so gewesen sei. :lol:

Mir scheint eh, dass hier der Ausdruck "Stino" gar nicht für allgemein Szenefremde genommen wird sondern als Synonym für "Sauf- und Prügel-Proll" oder sowas in der Art, die ja natürlich nur einen winzigen Ausschnitt der Gesellschaft darstellen. Die sind ja eben nicht "normal" sondern die absolute Ausnahme. Warum man die als repräsentativ dahernimmt - keine Ahnung. Wegen der gewünschten Distinktion, vermute ich mal - das geht leichter, wenn man die "andere" Gruppe dämonisiert. Wobei natürlich auch "Proll" ein klassistisch-abwertender Begriff ist, den man ebenfalls vermeiden sollte. So wie ich es ja generell für eine eher schlechte Angewohnheit halte, Menschengruppen mit abwertenden Begriffen zu bezeichnen. (Außer Faschos. Die gehören so genannt. Immer und immer wieder, bis sie sich beleidigt maulend zurückziehen und im Idealfall überlegen, was sie wohl falsch gemacht haben, weil niemand sie mag.)
Irgendwie hinterlässt das ganze jedenfalls einen extrem schalen Nachgeschmack bei mir. So als ob man zufällig mal ein paar kriminelle Ausländer gesehen hat und daraus schlussfolgert, dass die generell überdurchschnittlich kriminell seien. Oder wenn ein paar Bauarbeiter einem sexistische, objektifizierende Sprüche nachwerfen - dann heißt das doch nicht, dass die ganze Berufsgruppe aus ekligen Schmuddel-Sexisten besteht. Jedenfalls nicht mehr als andere Berufsgruppen mit niedrigem Frauenanteil.

Und obendrein find ich ja, dass die Spießer-Dichte innerhalb der Schwarzen Szene ziemlich hoch ist, weil sie sich vor allem aus dem (weißen) kleinen und mittleren Bürgertum rekrutiert und natürlich auch klein- bzw. mittelbürgerliche Werte und Lebensentwürfe mitbringt. Ist ja auch ok und per se nichts schlechtes dran, halt nur bieder und ein wenig langweilig. 0815-Job, heiraten, Kinder kriegen, Eigenheim, Serien-Abende auf dem Sofa ... alles durchaus üblich in der Szene. Den Quatsch mit dem "Lebensgefühl" halte ich eh für an den Haaren herbeigezogenen Blödsinn von Leuten, die nicht einsehen wollen, dass nichts, aber auch gar nichts an ihnen besonders oder einzigartig ist. Reines Wunschdenken. (Disclaimer: Ich halte mich auch für nix besonderes. Nur um das klarzustellen.)
Die Leute mit den wirklich spannenden bis durchgeknallten Biografien hab ich jedenfalls eher außerhalb der Szene gefunden, um ehrlich zu sein. Was aber vermutlich dran liegt, dass es da einfach generell mehr Leute gibt.

Ansonsten ist sowohl Alter als auch das politische Spektrum der Szene weit gefächert, drum entzieht sie sich verallgemeinernden Aussagen. Ich kenn da waschechte Linksextreme. Ich kenn aber auch waschechte Neue Rechte. Glaub eh, dass die Szene anfällig für letzteres ist (so wie das Kleinbürgertum generell dafür anfällig ist), weil die ihren Menschenhass hinter einer pseudo-intellektuellen, sauberen Fassade und Manieren verstecken. Genre-abhängig ist es noch dazu: Die Neofolk-Fraktion ist viel, viel rechter als die Postpunk-Fraktion, zum Beispiel.
Durante hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 22:02 aber meiner Meinung sticheln und lästern sie halt eher als dass sie pöbeln und prügeln... ;)
Haha, ja, das stimmt - hab ja am Anfang der Diskussion schon erwähnt, dass ich die meisten für eher konfliktscheu halte. Also, dass sie offene Konflikte vermeiden (was ich ja für sehr ungesund halte) und dafür hinterrücks rumzicken. Bevorzugt passiv-aggressiv. :D
Clan of Xymox-Konzi
Schon länger her, oder? Inzwischen boykottiere ich die. Eigentlich schad, musikalisch find ich sie ja durchaus charmant, aber sie sind voll in die Q-Anon-Richtung abgekippt. Sieht man total an ihrem letzten Album. Da heißt z.B. ein Lied vollkommen unironisch "The Great Reset". Brrrrr.
offensichtliche Faschos
Die offensichtlichen find ich ja wenigstens noch ... na ja ... offensichtlich. Die stehen immerhin dazu und sind leicht zu identifizieren. Aber rechtes Gedankengut ist inzwischen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, bzw. war nie so wirklich weg, wird aber öfter kritisiert als früher. Und die Leute sind natürlich höchst empört und streiten alles ab, wenn man sie z.B. auf ihre rassistischen Aussagen hinweist. Ist halt der Verlust der kulturellen Hegemonie und der Deutungshoheit, das verkraftet man nicht so einfach. :lol:
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Graphiel
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Re: Normen/ Werte/ Verhaltenregeln der schwarzen Szene

Beitrag von Graphiel »

Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Dienstag 4. Oktober 2022, 19:17 Ich bin jetzt nicht sicher, ob der Einwand jetzt ernst gemeint ist oder nicht - jedenfalls: Habe ich auch noch nie gesehen. Und noch nie irgendwo das Gegenteil behauptet. *schulternzuck*
Ich gebe zu, dass hätte aber zumindest kurzfristigen Unterhaltungswert, wenn sich die Leutchens dort mal wie auf einem 80er Jahre-Gedenk-Punkkonzert aufführen würden. Es gibt dazu schon ein paar durchaus "nette" Geschichten. Bei einer ist Peter Hook von Joy Division mal wutentbrannt ins Publikum gesprungen und hat eine Schlägerei angefangen, weil ihm Irgend ein Ochse bei einem Konzert von Joy Division in den offenen Mund gerotzt hatte. (Quelle: Joy Division Biografie von Jon Savage) Das selbe passierte übrigens auch mal bei einem Bauhauskonzert, als es Peter Murphy erwischte. Nicht das ich so ein Benehmen gut heiße, oder abfeiere, aber auf einem Klassikkonzert wäre sowas als einmaliges Schauspiel zumindest etwas wovon man noch Jahre später erzählen könnte. :lol:

Naja mal Spaß bei Seite...

Grundsätzlich sehe ich das ähnlich wie die meisten hier. Schwarze Veranstaltungen sind meinen Erfahrungen nach eher so friedlich, dass man sich die Security für gewöhnlich auch schenken könnte. In all den Jahren habe ich es nur ein einziges mal erlebt, dass die Security aktiv werden musste und selbst der Fall war vergleichsweise harmlos. Irgendwann fiel zufälligerweise meine Lieblingstanzveranstaltung (Sabotage Noir) mit einem kurzfristig geplatzten Mittelalterfestival zusammen und der Veranstalter der Sabotage lies sich dazu überreden die enttäuschten Besucher des Festivals auf die Sabotage zu lassen. Das führte dazu, dass eine Horde sturzbetrunkener Mittelalterfreunde über die Tanzfläche sprang und dabei alles anrempelte was nicht schnell genug zur Seite wich. Irgendwann reichte es einem der älteren Grufties und er fegte den Hauptakteuer der Truppe beim Totengräbertanz mit einem beherzten Rempler von der Tanzfläche. Die Typen fingen zwar etwas an zu mosern, aber inzwischen war auch schon die Security startklar und geleitete die Gruppe nach draußen. Wohlgemerkt ohne das es noch Gegenwehr oder anderweitige Provokationen gab.

Allerdings...

Wenn ich mir den aktuellen Beitrag auf Spontis durchlese, dann bekommt bei mir diese lieb gewonnene Illusion von der familiären und friedliebenden Szene wieder einige Risse. K.O. Tropfen bei eigentlich schon eher undergroundigen, schwarzen Veranstaltungen wie dem Gothic-Pogo Festival... Ich kann es immer noch nicht fassen.
"Sowas kann doch nur Leuten einfallen, die in Assoziationsspielchen neben Hund, Katze und Maus auf "Hmm.... Schwingschleifer!" kommen, oder?" - Barlow