Nur weil man selber eine gängige Bezeichnung für andere(!) nicht als abwertend empfindet heißt das doch noch lange nicht, dass die, die damit bezeichnet werden, ihn toll finden. Dachte eigentlich, dass das spätestens seit der N-Wort-Diskussion jedem klar geworden wäre (wobei "Stino" da im Vergleich natürlich viel harmloser ist, wegen nicht vorhandener diskriminierender Strukturen). Hab mal im Bekanntenkreis rumgefragt, und so wirklich begeistert war keiner von der Bezeichnung "Stino", weil in unserer über-individualisierten Welt "normal" fast ein Schimpfwort geworden ist. Und der Teil "Stink-" ist ja schonmal eine eindeutige Abwertung, so wie in "stinkreich" oder "stinkfaul". Das kann man doch nicht einfach wegleugnen, nur weil man keinen Bock drauf hat, mal ein bisschen selbstkritisch zu sein.
Ich red da aber nicht groß rum, allein hab ich da sowieso keine Chance gegen eingefahrene Gewohnheiten. Aber nur weil etwas üblich ist heißt das doch nicht, dass es automatisch gut und respektvoll ist. Kenn Leute, die mit dem gleichen Argument Antisemitismus verteidigen - weil der halt zur deutschen Kultur gehöre und das schon immer so gewesen sei.
Mir scheint eh, dass hier der Ausdruck "Stino" gar nicht für allgemein Szenefremde genommen wird sondern als Synonym für "Sauf- und Prügel-Proll" oder sowas in der Art, die ja natürlich nur einen winzigen Ausschnitt der Gesellschaft darstellen. Die sind ja eben nicht "normal" sondern die absolute Ausnahme. Warum man die als repräsentativ dahernimmt - keine Ahnung. Wegen der gewünschten Distinktion, vermute ich mal - das geht leichter, wenn man die "andere" Gruppe dämonisiert. Wobei natürlich auch "Proll" ein klassistisch-abwertender Begriff ist, den man ebenfalls vermeiden sollte. So wie ich es ja generell für eine eher schlechte Angewohnheit halte, Menschengruppen mit abwertenden Begriffen zu bezeichnen. (Außer Faschos. Die gehören so genannt. Immer und immer wieder, bis sie sich beleidigt maulend zurückziehen und im Idealfall überlegen, was sie wohl falsch gemacht haben, weil niemand sie mag.)
Irgendwie hinterlässt das ganze jedenfalls einen extrem schalen Nachgeschmack bei mir. So als ob man zufällig mal ein paar kriminelle Ausländer gesehen hat und daraus schlussfolgert, dass die generell überdurchschnittlich kriminell seien. Oder wenn ein paar Bauarbeiter einem sexistische, objektifizierende Sprüche nachwerfen - dann heißt das doch nicht, dass die ganze Berufsgruppe aus ekligen Schmuddel-Sexisten besteht. Jedenfalls nicht mehr als andere Berufsgruppen mit niedrigem Frauenanteil.
Und obendrein find ich ja, dass die Spießer-Dichte innerhalb der Schwarzen Szene ziemlich hoch ist, weil sie sich vor allem aus dem (weißen) kleinen und mittleren Bürgertum rekrutiert und natürlich auch klein- bzw. mittelbürgerliche Werte und Lebensentwürfe mitbringt. Ist ja auch ok und per se nichts schlechtes dran, halt nur bieder und ein wenig langweilig. 0815-Job, heiraten, Kinder kriegen, Eigenheim, Serien-Abende auf dem Sofa ... alles durchaus üblich in der Szene. Den Quatsch mit dem "Lebensgefühl" halte ich eh für an den Haaren herbeigezogenen Blödsinn von Leuten, die nicht einsehen wollen, dass nichts, aber auch gar nichts an ihnen besonders oder einzigartig ist. Reines Wunschdenken. (Disclaimer: Ich halte mich auch für nix besonderes. Nur um das klarzustellen.)
Die Leute mit den wirklich spannenden bis durchgeknallten Biografien hab ich jedenfalls eher außerhalb der Szene gefunden, um ehrlich zu sein. Was aber vermutlich dran liegt, dass es da einfach generell mehr Leute gibt.
Ansonsten ist sowohl Alter als auch das politische Spektrum der Szene weit gefächert, drum entzieht sie sich verallgemeinernden Aussagen. Ich kenn da waschechte Linksextreme. Ich kenn aber auch waschechte Neue Rechte. Glaub eh, dass die Szene anfällig für letzteres ist (so wie das Kleinbürgertum generell dafür anfällig ist), weil die ihren Menschenhass hinter einer pseudo-intellektuellen, sauberen Fassade und Manieren verstecken. Genre-abhängig ist es noch dazu: Die Neofolk-Fraktion ist viel, viel rechter als die Postpunk-Fraktion, zum Beispiel.
Durante hat geschrieben: ↑Dienstag 4. Oktober 2022, 22:02
aber meiner Meinung sticheln und lästern sie halt eher als dass sie pöbeln und prügeln...

Haha, ja, das stimmt - hab ja am Anfang der Diskussion schon erwähnt, dass ich die meisten für eher konfliktscheu halte. Also, dass sie offene Konflikte vermeiden (was ich ja für sehr ungesund halte) und dafür hinterrücks rumzicken. Bevorzugt passiv-aggressiv.
Clan of Xymox-Konzi
Schon länger her, oder? Inzwischen boykottiere ich die. Eigentlich schad, musikalisch find ich sie ja durchaus charmant, aber sie sind voll in die Q-Anon-Richtung abgekippt. Sieht man total an ihrem letzten Album. Da heißt z.B. ein Lied vollkommen unironisch "The Great Reset". Brrrrr.
offensichtliche Faschos
Die offensichtlichen find ich ja wenigstens noch ... na ja ... offensichtlich. Die stehen immerhin dazu und sind leicht zu identifizieren. Aber rechtes Gedankengut ist inzwischen längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen, bzw. war nie so wirklich weg, wird aber öfter kritisiert als früher. Und die Leute sind natürlich höchst empört und streiten alles ab, wenn man sie z.B. auf ihre rassistischen Aussagen hinweist. Ist halt der Verlust der kulturellen Hegemonie und der Deutungshoheit, das verkraftet man nicht so einfach.
