Zielgruppengerichtete Provokation

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Soiled

Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von Soiled »

Inhaltswarnung: Geht logischerweise (auch) um Sex und Gewalt.

So. Nachdem sich Gott und die Welt über eine drittklassige Kabaretteuse aus Ö aufregt denk ich mir, dass das hier mal ein Thema sein könnte.

Also: Woran macht ihr gute und treffende Provokation fest? Was unterscheidet sie von plumper, kindischer Provokation?

Bei mir ist es eigentlich ganz einfach: Ich schau a) an wen sie gerichtet ist, b) ob es gerechtfertigt ist und c) ob sie ihr Ziel überhaupt erreicht. Bei obiger Dame trifft ganz klar Punkt c) nicht zu, sonst würden sich Antisemiten aufregen, nicht Juden. Ziel also verfehlt.

Anderes Beispiel: Gibt ja einiges an Hinrichtungsvideos aus Srebrenica, wo z.B. Jungen zwischen 15 und 20 aufgereiht und exekutiert werden. Definitiv schockierendes Material, also, zumindest wenn man einen Funken Menschlichkeit übrig hat. Nein, keine Links.
Ich hab ja Bekannte, die vor den Jugoslawien-Kriegen geflüchtet sind - natürlich würde sie das provozieren, aber ihnen gegenüber würde ich nicht einmal die Existenz derartiger Videos erwähnen, weil das ganz schnell retraumatisierend wirken kann. Wäre eine klassische Variante von "nach unten treten" - Opfer brauchen unser Mitgefühl und sind nicht zu unserem Amüsement da, oder damit wir uns "edgy" fühlen können.
Anders wäre es z.B., wenn man damit zur Nobelpreisverleihung von dem Handke gepilgert wäre - von der Kontroverse hat ja jeder gehört, denke ich mal. Sicher, da wäre die angenehme Feier unterbrochen worden, aber den etablierten Kulturbetrieb zu stören find ich jetzt nicht wirklich dramatisch. Die haben eh Kohle und Macht, die müssen da durch.

Mit Sexualität/Pornographie kann man ja eh nur noch die spießigsten aller spießigen Kleinbürger hinter dem Ofen hervorholen, dem guten alten Bildungsbürgertum entlockt es bloß noch ein Gähnen. Ist ja eh fast Standard, dass Leute sich nackt auf der Bühne wälzen - alles schon mal da gewesen, eher langweilig. Provokation ist also auch durchaus zeitgebunden; der gute alte Industrial ist in meinen Augen zum Beispiel ziemlich erledigt. Immer noch ab und zu nette Musik, aber der künstlerische Aspekt dahinter? Aus und vorbei, so wie Dada oder Wiener Aktionisten oder sonstwas.

Nichtsdestoweniger: Wie ist so die allgemeine Meinung? Was geht, was geht nicht? War Siouxsie ok, wenn sie sie aus Provokationsgründen vor der japanischen Kriegsflagge posiert hat oder ist das lame?
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Evanahhan
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von Evanahhan »

Gute, treffsichere Provokation ist viel unangenehmer, weil sie Weltbilder ins Wanken bringen könnte. Sie erzeugt idealerweise neue Gedankengänge, während plumpe Provokation oft nur alte Argumente wiederkäut und schlimmstenfalls so lästig wie ne Fliege ist. Gute Provokation ist eher die Axt im Kopf, mal bildlich gesprochen.
„Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“
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Shame
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von Shame »

Ich hab früher gerne provoziert,echte Emotionen auslösen,die Masken fallen lässt.Heute halte ich das für Terror!Provokation ist nur ein Mittel für den Provokateur:Lacher von nicht betroffenen Dritten bekommen,Provozierte bloßstellen oder zur Raserei bringen entweder im Macht auszuüben oder sich anderweitig selbst abreagieren zu können.Wer etwas in dieser Welt erreichen möchte,für alle,auch für die Arschlöcher,der diskutiert sachlich,analysiert,begutachtet Fakten,lässt Pro und Kontra einander antreten.Dann braucht es auch keine Beleidigungen.Ja,ein Arsch ist immer unterwegs,aber auch das hat Gefühle,ist Mensch,hat Träume...ich glaube nicht an das Böse in Menschform,also hat jeder verdient auch ganzheitlich gesehen zu werden.Wenn ich das nicht kann,das passiert mir zum Beispiel bei Nazis immer wieder,gehe ich ihnen persönlich aus dem Weg und versuche halt so meine politische Umwelt zu ändern,das die Gedanken dieser Gruppe nicht zu Taten werden können.Ich werde aber zum Beispuel keinen Mörder provozieren,es bringt uns beide nicht weiter,bringt mich in Gefahr und macht vergessen,das jeder Mörder auch einmal "nur" ein Mensch war.Ich hoffe,dieser Beitrag wird nicht falls verstanden:Verbrecher sollen verurteilt werden,das ist ja unser Mittel der Gesellschaft ihr Schuld zu "begleichen"um sie wieder in die Gesellschaft aufnehmen zu können,und ich möchte hier auch nicht sagen Nazis sind "ok".Es geht nur darum,was ich von Provokation halte und was ich als Instrument und Medium verwende.
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Phönix75
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von Phönix75 »

@Shame


Du hast das Stilmittel Provokation nicht verstanden. Provokation dient auch dazu, Missstände aufzudecken und vorallem verkrustete Denkstrukturen aufzubrechen. Davon gibts hier im Forum auch mehr als genug.

Provokation nimmt auch jeder anders wahr. Mich provoziert bspw. fast garnix mehr. Was mich am ehesten noch provozieren kann, ist dieser Mainstream-Einheitsbrei, Gleichmacherei und Denkfaulheit.

Und vorallem dient es im Musikgenre "Industrial" dazu, das Ganze auch visuell zu verdeutlichen. Die Welt ist grausam und es ist niemanden geholfen, die Augen davor zu verschließen. ;)
Nichts ist so, wie es scheint.
Shame
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von Shame »

Also ich sehe es gar nicht als meine Aufgabe,andere Leute bezüglich ihrer Denkstrukturen zu bekehren!wenn jmd. der mir nahe steht sich selbst oder unserem Umfeld was antut,werde ich natürlich handeln,je nach Situatuon. Und möchte jmd. Rat zeige ich ihm gerne meine Perspektive auf,aber ansonsten:ich bin nicht Jesus,ich bin nur little Shame und versuche so zu leben,wie es sich gut anfühlt.Also wer bin ich,das ich jmd. Provoziere,sprich ihn in seinem Leben und Handeln / Glück?störe und bekehre...
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NoelWilliamMoelders
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von NoelWilliamMoelders »

funny, wenn Leute so klar beurteilen können was gutes Kabarett ist und was nicht. :D
wenn man sich ich festen Gleisen bewegt und nicht nach einen Schritt nach links oder rechts denken kann in Abweichung von seinem eigenen geistigen mainstream,
dann ist es natürlich wesentlich einfacher, das seit Jahre gelamete Weltbild aufrechtzuerhalten mit immer den gleichen Trigger Stereotypen. Ist dann auch irgendwann mal
ausgelutscht und mumifiziert.
Mit freundlichen Grüssen
Noel W. Moelders
An Analog Guy in a Digital World
oder die Rebellion der Träumer
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Phönix75
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von Phönix75 »

Shame hat geschrieben: Samstag 15. August 2020, 20:44 Also ich sehe es gar nicht als meine Aufgabe,andere Leute bezüglich ihrer Denkstrukturen zu bekehren!wenn jmd. der mir nahe steht sich selbst oder unserem Umfeld was antut,werde ich natürlich handeln,je nach Situatuon. Und möchte jmd. Rat zeige ich ihm gerne meine Perspektive auf,aber ansonsten:ich bin nicht Jesus,ich bin nur little Shame und versuche so zu leben,wie es sich gut anfühlt.Also wer bin ich,das ich jmd. Provoziere,sprich ihn in seinem Leben und Handeln / Glück?störe und bekehre...

Tja, wie ich schon schrieb... du hast Provokation nicht verstanden. Das muss man auch garnicht persönlich nehmen. Satire provoziert auch sehr oft. Und der Nebeneffekt ist, dass darin noch eine Menge Wahrheit liegt und die ganzen Lemminge es leider nicht verstehen (gleich kriecht Soiled wieder aus ihrem Loch und nörgelt und will mich aufklären). ;)
Nichts ist so, wie es scheint.
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CharlotteSchlotter
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Re: Zielgruppengerichtete Provokation

Beitrag von CharlotteSchlotter »

Ich finde Evanahhans Definition sehr gut und stimme ihr absolut zu. Ein wichtiger Aspekt ist dabei auch "bringt Weltbilder ins Wanken". Und an der Stelle wird deutlich, dass Provokation sehr subjektiv ist. Jeder hat sein eigenes Weltbild, seine Emotionen, seine spontanen Assoziationen zu einer Provokation. Und es kann sich am Ende auch nur jeder selber fragen, was er für sich daraus macht - ob eine bestimmte Provokation sein Weltbild ins Schwanken bringt, ob sie zu Denkanstößen führt, ob man den Inhalt empört von sich weist und im besten Fall reflektiert man auch direkt, warum man reagiert, wie man reagiert.

Eine Art Deklination, nach der man die Provokation Punkt für Punkt durchanalysiert um auf der Basis zu entscheiden, ob sie plump war oder nicht - damit wird man der subjektiven Komponente nicht gerecht. Was der eine als plump empfindet, ist für den anderen subtil. Menschen sind unterschiedlich und nehmen Dinge unterschiedlich wahr.

Es gibt sicherlich viele Provokationen, die ich geschmacklos und plump finde. Aber müssen das deshalb andere genauso sehen? Bei mir wäre die Grenze am ehesten da, wo mit Provokationen Menschen bewusst verletzt werden und das auch das einzige Ziel der Provokation war. Aber um das zu wissen, müsste man dem Provokateur ja wiederum hinter die Stirn gucken können.