Na gut, werter
@Pirat von Rhyolith
Ich will mir tatsächlich die Zeit nehmen und meine Meinung zum Thema AfD äußern, auch wenn ich weiß, dass diese ganz sicher nicht populär ist, gerade in diesen Kreisen.
Die AfD (und ich rede nur von der AfD und nicht Pegida und Co.) ist in meinen Augen unabdingbar, wenn es darum geht, dieses verkleisterte politische Establishment aufzubrechen. Über die Jahre/Jahrzehnte haben es sich die herrschenden "Volks"-Parteien wirklich gemütlich gemacht und haben zusehends an den Bedürfnissen und dem Willen des Volkes vorbeiregiert. Den Frust darüber wurde immer wieder mit den Worten "Es wird sich sowieso nix ändern." Ausdruck verliehen. Es gab einst mal eine Partei, die sich kurz anschickte, etwas Staub aufzuwirbeln... das waren die Piraten. Mit unpopulären Forderungen verschafften sie sich Gehör und zerlegten sich genauso schnell, wie sie entstanden sind. Da waren Querdenker, rechte, linke und Protestler, die sich letztendlich nicht einig waren, wo es langgehen soll. Die Altparteien haben also alles richtig gemacht (indem sie nichts taten) und der kurz aufkeimende Protest wurde wieder befriedet. Als dann die Grenzen aufgemacht wurden, um wirklich unkontrolliert jeden Flüchtling (egal, ob Wirtschaftsflüchtling oder Kriegsflüchtling) ins Land zu lassen und Frau Merkel dann die ganze Sache auch noch anheizte, in dem sie vollmundig versprach "WIR schaffen das!", war doch bei nicht wenigen Mitmenschen das Maß voll. Ich denke, das war der Hauptauslöser.
Ich will mal speziell den ostdeutschen Raum beleuchten (wo die AfD auf besonders fruchtbaren Boden fällt), denn daher komme ich selbst auch und weiß ganz gut, wie viele Menschen da funktionieren. Als Beispiel, wie die Ostdeutschen damals zur Wende verarscht wurden, kann man die Serie Weissensee heranziehen. Man hört immer wieder die Meinung, dass man aus einer Fremdbestimmung in die nächste Fremdbestimmung gerauscht ist. Man hat selbst kein Mitspracherecht, in Form von ostdeutschen Politikern, die in der Regierung mitwirken und dort entsprechend mitgestalten können. Wir wollen jetzt Frau Merkel mal außen vor lassen, denn die ist nicht nur für mich keine Ostdeutsche. Der Osten wurde im wahrsten Sinne des Wortes abgewickelt, die Identität, das ganze Umfeld dem Erdboden gleich gemacht. Kanzler Kohl versprach blühende Landschaften und bestach die Ostdeutschen vor den Wahlkabinen mit einem Päckchen Kaffee, um sich die Stimmen zu kaufen (war wirklich so). Mit den naiven Ostdeutschen (und das waren sie nun mal, wenn man, abgeschottet in Richtung Westen, lebte) konnte man es ja machen. Dann wurden sie beschissen, in dem man ihnen die Mark halbierte und in die DM tauschte. Für viele ging es zwar erstmal bergauf... der Westen hatte schon vieles zu bieten... vorallem Konsum, aber es blieben nicht unerheblich viele auch auf der Strecke, an denen der versprochene Wohlstand vorbeiging, die von langer Arbeitslosigkeit (immerhin existierte kaum noch größere Industrie) und der einhergehenden Perspektivlosigkeit betroffen waren. Schon zu dieser Zeit, machte sich ein gewisser Groll breit und man wählte NPD. Irgendwie paradox, wenn man bedenkt, dass es in der DDR offiziell keine Nazi's gab. Die gab es sehr wohl. Jedenfalls versuchten sich viele mit ihrer Lage zu arangieren und trösteten sich mit solchen Dingen wie, "Jetzt kann man wenigstens alles kaufen, was man will." Aber wiedergefunden in einer politischen Mitbestimmung hat man sich nicht. Denen, die den Absprung geschafft haben (wie auch immer man das sehen mag), wählten ohne großartig nachzudenken CDU oder SPD und die Welt war in Ordnung. Und nicht wenige Jahre später wurde ihnen nun schon wieder eine Währung genommen. Der Euro sollte die DM ablösen. Und schon wieder wurde vieles teurer (auch wenn das offiziell immer bestritten wurde). Wer wurde gefragt, ob man den Euro überhaupt haben will? Es wurde wieder von ganz oben diktiert. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung war im Prinzip jetzt mindestens 2 mal bis 4 mal so schnell, wie zu DDR-Zeiten. Das überforderte die Menschen zusätzlich und bei den meisten Entscheidungen wurden sie eben nicht gefragt, ob es sie es wollen oder nicht. Nein, sie durften nur alle 4 Jahre ihr Kreuzchen an der hoffentlich richtigen Stelle machen. Da lobe ich mir doch die direkte Demokratie in der Schweiz, die man zwar auch diskutieren kann, wo aber dem Bürger ein Mitspracherecht eingeräumt wird.
Und um die richtige Stelle auf dem Wahlzettel zu finden, wurde vor der Wahl stets das Schönste und Beste versprochen, um es nach der Wahl einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Frei nach dem Motto: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." Das sich über die Jahre ein Politikverdruß aufbaut, der vorallem in Ostdeutschland dazu führt, dass man radikaler wählt, verwunderte mich daher nicht. Man hat viele Leute allein gelassen mit ihren Sorgen und Ängsten, in dem man einfach Scheuklappen angelegt und möglichst weit weg von Strasse und Volk regiert hat. Ich würde das sogar schon als Parallelgesellschft bezeichnen. Aber es reicht eben nicht, dass nur das Volk verarscht wird, dazu kommt noch, dass sich der Lobbyismus stark verbreitet hat und kaum noch ein Politiker in der Lage ist, keinen wirtschaftlichen Interessen zu folgen. Hinzu kam dann auch noch die Bankenkrise und die Griechenland-Rettung. Wies doch der Gesamtetat des Bundeshaushaltes damals noch eine rote Zahl auf, war doch plötzlich ganz viel Geld da um a) die Banken zu retten und b) Griechenland gleich noch mit zu retten. Was genau hat denn Deutschland bevollmächtigt, sich in die Angelegenheiten Griechenlands einzumischen und ein Diktat einer absolut unsozialen Politik zu betreiben? Was genau hat die deutschen Politiker dazu bevollmächtigt, Banken mit (eigentlich nicht vorhandenen) Milliarden zu retten? Was ist das für ein Spiel, was fernab des Volkes da oben gespielt wird? Schon da hat es die AfD auf den Plan gerufen, die sich EU-kritisch zeigte... zurecht. Deutschland spielt sich in Europa auf, als hätten sie es unter ihrer Herrschaft. Vielleicht ist mir zeitgeschichtlich etwas entgangen und '45 wurde doch nicht kapituliert...
Jedenfalls kann man natürlich mit solchen globalen Problemen wunderbar von den innenpolitischen Problemen ablenken, die da schon eine Weile gärten. Politiker entfernten sich zunehmend noch mehr vom Volk und bekamen es nicht mit, weil man nach Höherem strebte. Nämlich friedlich die Weltherrschaft an sich zu reißen (Sorry, für den kleinen ironischen Ausflug). Aber ich bin etwas vom Thema abgekommen... das alles zeigt aber ganz deutlich, dass viele Menschen nicht Schritt halten konnten oder auch wollten und sie garnicht mehr gehört wurden. Das erklärt eben auch, warum populistische Parteien Auftrieb bekommen haben, weil sie die Ängste, die im Volk wahrnembar ist, aufnehmen. Jetzt die Frage: Warum kann das keine der großen Volksparteien? Was läuft da schief? Was muss passieren, dass man die Menschen wieder ernst nimmt? Klar, interessiert das eine Kleinfamilie in ihrem trauten Heim in der Vorstadt nicht, solange beide gut verdienen und die Kinder womöglich noch eine Privatschule besuchen können. Die werden ihr Kreuzchen nach wie vor an der "richtigen" Stelle machen. Und sie werden die AfD mit ihren Wählern verteufeln. Diese Spaltung ist vorallem in Ostdeutschland und in westdeutschen Ballungsgebieten schon sehr weit fortgeschritten.
Und wer will es den Menschen verdenken, dass es sie erst recht auf die Barrikaden treibt, wenn dann plötzlich innerhalb eines Jahres noch ca. 1 Mio Flüchtlinge im Lande sind, von denen man überhaupt nicht weiß, ob sie zurecht hier sind, welche Absichten sie haben und wie lange sie bleiben. Wir haben doch eine nicht unerhebliche Anzahl an Kindern, die unterhalb der Armutsgrenze leben und deren Eltern bei den Tafeln ihre Nahrungsmittel besorgen müssen. Doch plötzlich war schon wieder ganz viel Geld da, um die Flüchtlingskrise, die wir (das Wörtchen "wir" fällt mir in dem Zusammenhang sehr schwer) selbst mitzuverantworten haben. Seit Jahrzehnten wird deutsches Kriegsmaterial in Krisengebiete geschippert (offiziell natürlich nicht, aber über Umwege schon) und dann wundert man sich, dass kriegsvertriebene Menschen vor unserer Haustür stehen? Wieviel Macht hatte denn Deutschland in der EU nun, wenn es darum geht, die Flüchtlinge gerecht in Europa zu verteilen? Keine. Man hat es satt, sich von diesen arroganten Politikern auf der Nase herumtanzen zu lassen. Es ist sicher nicht gerecht, wenn man Probleme gegeneinander ausspielt, aber es ist nunmal so, dass viele mit der Globalisierung überfordert sind. Sie bleiben schlichtweg auf der Strecke und werden schon lange nicht mehr gehört. War es damals schon schwer ein Land zu regieren und zu Wohlstand zu verhelfen, erscheinte es jetzt geradezu unmöglich, Politik für ein ungleiches Europa zu machen. Denn es gärt von innen heraus und das zurecht. All das absorbiert die AfD. Hetzer wie Höcke und Poggenburg wird es immer geben. Sie werden sich früher oder später selbst in ihrer Partei disqualifizieren. Was aber das Hauptproblem der Partei ist, dass sie ihr Hauptaugenmerk auf die Flüchtlinge lenkt. Nicht die sind daran schuld, dass sie hier sind, sondern die Politiker, die es über Jahre nicht fertig bekommen haben, für Frieden auf der Welt mit zu sorgen, sondern die Kriegswirtschaft mit ihren Exporten unterstützen.
Die Partei ist förderlich, um wieder zurückzufinden zu einer Politik fürs Volk. Es liegt an den großen Parteien, inwieweit sie langsam aus ihren Komfortzonen herauskommen. Vielleicht wirds erst bei 20% sein. Ich habe aber keine Angst, dass diese Partei irgendwann regierungsfähig wird auf Bundesebene. Ich mache mir aber auch keine Illusionen, dass ein Umdenken schon in dieser Legislaturperiode stattfindet. Schon mit einigen getroffenen Entscheidungen tragen sie weiterhin mit dazu bei, das Politikverdrossenheit noch mehr zunimmt. Leider! Aber wie so oft gesagt wird: Demokratie muss so eine Partei, wie die AfD, aushalten. Es wird sich zeigen, wie demokratisch unser Land wirklich ist.
Achso. Kleiner Nachtrag: Mein schwuler Bruder hat übrigens zur Landtagswahl in Berlin die AfD gewählt. Ich war auch ziemlich erschüttert und hätte ihm das nie zugetraut. Wir haben lange diskutiert und unsere Standpunkte ausgetauscht. Ich kann seine Beweggründe (die ich hier ansatzweise geschildert hab) durchaus nachvollziehen. Und wer einmal hier in Berlin unterwegs ist oder war, wird merken, was gerade an gewissen Brennpunkten los ist. Das bekommt man natürlich im Kaff auf dem Lande nicht mit. Da ist vielerorts noch heile Welt.
Und noch ein Punkt, den ich zwar themenmässig nicht passend, einfügen möchte. Mir ist aufgefallen, dass Frau Wagenknecht (ich gebs zu, ich bin ein Groupie) in fast jeder Talkshow meist sehr viel Applaus für ihre Thesen und Ansichten bekommt... zurecht. In meinen Augen ein Paradoxon, dass sie dann mit ihrer Partei um die 10% herumdümpelt. Falsche Partei? Ich will hoffen, dass sie eine neue Partei gründet, wie sie es vor hatte.
Sie hat jedenfalls einen guten Ansatz u.a., was die Flüchtlingspolitik angeht. Fluchtursachen bekämpfen. Und da sind wir uns hier doch wohl alle einig, nech?!?
Mein Beitrag kann Spuren von Ironie enthalten. Rechtschreibfehler sind ebenfalls nicht auszuschließen.
Vieles zum Thema hab ich vielleicht auch vergessen. Kann sein, dass ich es noch nachhole.
Nichts ist so, wie es scheint.