Was bedeutet Gothic für euch ?

[Pirat von Rhyolith]

@Elric Dazu gibts ne Menge Theorien. Die Begründung ich wäre eine Gefahr hat er vermutlich selber geglaubt, obwohl ich denke, dass die Gefahr von meinem Schwarz-sein ausgehen würde, war nur vorgeschoben, als Rationalisierung um sich eigene Schwächen nicht einzugestehen.
Zum einen war es vermutlich einfach längst Gewohnheit sich als Professor wie ein Gutsherr aufzuführen. Das Machtgefälle zwischen Prof und Student ist ziemlich groß, es gibt eigentlich keine wirkliche Kontrollinstanz (nur aufm Papier, aber das ist geduldig). Es ist wie bei einem Harvey Weinstein: Den Machtmissbrauch irgendwann für normal zu halten ist dann ein leichtes.
Zum andern vermute ich einen Fall von Narzissmus. Der Herr umgab sich halt gern mit Ja-Sagern, am besten Mädels (der Damenanteil in seiner Arbeitsgruppe war bemerkenswert hoch und bei näherem Hinsehen nicht durch die Leistungsmuster der potentiellen Anwärter in der Studentenschaft erklärbar), hier vor allem die kleineren mit den großen Augen. Da fühlte er sich wohl bewundert und sein Ego gestreichelt. Außerdem war da praktisch nie ein Schützling bei, der dem Prof hätte auf Augenhöhe fachlich gefährlich werden können - entweder fehlte es den Leuten an dem entscheidenden intellektuellen Schwung oder wenn sie den hatten, dann an dem nötigen eigenen Ego, um sich selber als sagen wir mal potentieller Konkurrent zum Prof profilieren zu wollen. Laut einer Theorie hätte ich aber beide Eigenschaften in mir vereint und das hätte er bereits gemerkt. Die Theorie ginge dann so, dass er mich als Konkurrent für seinen fachlichen Einfluss gesehen hätte, den er unbewusst direkt im Entstehen kaltstellt.
Ob das stimmen mag...ich weiß es nicht. Fakt ist allerdings, dass ich ihn mindestens einmal unabsichtlich vor versammelter Mannschaft etwas hab doof aussehen lassen, weil ich zu einem fachlichen Problem, dass ihn plagte, eine Idee hatte, auf die er nicht kam. Eine Idee übrigens aus der der Herr später eine Veröffentlichung gebastelt hat - ohne mich auch nur mit einem Wort zu erwähnen, nichtmal in den Acknowledgements, in denen man sonst gerne mal Leute erwähnt, die einem auch Inspiration zuteil werden ließen zu einem Problem.
Also irgendwas wirds schon gewesen sein. Große Egos hatten wir definitiv beide, aber halt leider gegensätzliche Ansichten zum Thema Integrität etc. Vielleicht war da eine Konfrontation auch einfach vorprogrammiert.

[Elric]

@ Pirat

Es ist schon grob, wie im akademischen Betrieb noch heute so eine Art Feudalsystem herrscht . Aber sehr aufschlußreich das Ganze; mich hat interessiert, ob da jetzt wirlich ein überzeugter Hexenjäger am Werk war...

...offenbar nicht, der nette Herr hat nur einen Aufhänger gesucht...

...ich denke, daß man im Beruf persönliche Befindlichkeiten nie komplett ausblenden kann, aber dieser absolute Mangel an Integrität und professioneller Einstellung ist schon traurig...

[Soiled]

Ich muß bei der Frage wohl unterscheiden zwischen der Schwarzen Szene und "Gothic" als Konzept. Die Szene ist ... naja, nett halt. Höflich. Angenehm. Produzieren lustige Musik, ich kann gut dazu tanzen und werde nicht dumm angemacht. Ja, ich weiß, das ist eine sehr oberflächliche Einstellung, aber ich stehe ja zu meiner Oberflächlichkeit.

Wenn es um "Gothic" als Motiv geht: Das findet man imho eigentlich überall, da braucht man groß keine Gesellschaft dazu. Kürzlich war ich in einer netten Inszenierung von Macbeth (Kritik dazu z.B. hier) - und es geht ja kaum massenkompatibler und mainstreamiger als Shakespeare am Burgtheater; ich bin mir sicher, daß hier viele ob dieses schnöden, ausgenudelten Stückes die Nase rümpfen werden. Nichtsdestoweniger passte es hervorragend in mein persönliches Bild von "Gothic". Schuld, Mord, Wahnsinn, emotionale Grenzerfahrungen, und obendrein jede Menge Kunstblut. Was soll ich sagen, ich bin halt ein schlichtes Gemüt.

[Wanderfalke]

Goth zu sein bedeutet für mich schlicht, einen "Ort" gefunden zu haben, der das, was ich bin, am ehesten beschreibt.

Goth wird man nicht, weil man es sein will, sondern, weil man es ist.
Lange, ehe ich mir dieses Prädikat zuerkannte, beherrschten bestimmte Themen, Sichtweisen, Charakteristika und Fragen mein Selbst. Immer wieder merkte ich - wie viele von uns - , daß ich mich nicht mit dem oberflächlichen Konsumieren, dem auf Spaß und Leichtigkeit ausgerichteten Leben, der poppigen Musik der Charts - kurz: dem Mainstream - nicht identifizieren konnte. Während einige sich sehr früh emanzipierten und rasch ihren eigenen Weg erkannten, dauerte das bei mir in bestimmten Bereichen, in denen ich noch länger vergeblich bemüht war, mich der Masse anzupassen. In anderen - z. B. der Musik - hatte ich mich bereits frühzeitig in meine eigene Welt verabschiedet.

Goth zu sein bedeutet, mein melancholisches, menschenscheues Wesen nicht zu verstecken, sondern auszuleben. Dazu gehört für mich unabdingbar die Farbe Schwarz, die mich einerseits optisch von der bunten Masse abgrenzt und mir andererseits ein Gefühl von Geborgenheit und Schutz gibt, vor allem in der so innig geliebten Nacht. Außerdem möchte ich mich als unbedeutendes menschliches Wesen auch bewußt vor der Großartigkeit der mich umgebenden Natur zurücknehmen, an der ich all die herrlichen Farben, die sie hervorzubringen im Stande ist, liebe.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Musik. Sie gibt meinem Lebensgefühl oft den richtigen "Soundtrack" (wenn ich das mal so formulieren darf) und hilft mir, meine Emotionen zu kanalisieren. Was wäre ich für ein Mensch, wenn ich es nicht Texte gäbe, die offen Suizid, Verlust oder das genüßliche Massaker an einer aufgekündigten Beziehung thematisieren würden?

Die Beschäftigung mit den Fragen der Menschheit nach dem Wohin, die Suche nach Alternativen zum stumpfsinnigen "Weiter so" der Masse, nach Lösungen für eine sozialere, ökologischere und friedlichere Welt zieht sich wie ein roter Faden durch meinen kompletten Alltag und unterscheidet mich so auch spürbar von meiner StiNo-Umgebung. Früher oder später sucht man aber nach Menschen, die ähnliche Denkweisen und Interessen teilen, die Verständnis dafür haben, daß man nicht modisch gestyled mit dem Dauergrinsen aus der Fernsehwerbung durch's Leben latschen kann und will. Unter Gothics habe ich diese am ehesten gefunden.

[Scheuer Wolf]

Als nachdenklicher und melancholisches Wesen ist es mir jahrelang sehr schwer gefallen, diese Gefühle rauszulassen. In der schwarzen Szene hab ich mich sehr schnell zu Recht gefunden, heimisch gefühlt. Ich habe mich mit meinen Ansichten, Charakterzügen, Standpunkten und vor allem auch dem Musikgeschmack verstanden gefühlt. Dinge, Weltgeschehen, Menschen, Handlungen zu hinterfragen; das Schwarz als Abgrenzung und "Zeigen der Trauer für die Welt, die ihr [die Menschen] verachtet" und gleichzeitig als Schutzschild. All diese Dinge im Zusammenspiel sind einfach nur das, was mein Lebensgefühl ausmacht.

[Herbstlaubrascheln]

Was der Pirat erzählt, bezüglich dem Prof und so....das ist schon eine ziemlich harte Nummer, muss ich sagen. Wenn ich mir das so anhöre, habe ich aber auch eher den Eindruck, dass das Thema Schwarz schlicht und einfach nur vorgeschoben wurde. Kam halt grad recht, wie man so schön sagt.

Angeeckt beim Thema Arbeit bin ich auch schon einige Male; es gab auch den einen oder anderen Fall, wo man mir auf den Kopf zusagte, dass man jemanden, der so aussähe wie ich aussehe, auf keinen Fall entstellen wird und es da auch keine Rolle spielt, was ich kann und weiß und wie gut ich qualifiziert bin. Da denkt man sich dann auch nur: "Wow. Ok." Generell halten sich da meine Probleme aber in Grenzen, muss ich sagen.

[blacksister´s ghost]

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[Madred]

Mir wurde mal von Marketing Managern gesagt (davon ist eine aber nicht mehr in unserer Firma). Mit den Klamotten, mit denen du herumläufst, kannste aber kein Senior Designer werden. Ist schon fast 2 Jahre her das Ding. Hab mir damals gesagt: Lass sie reden. Bin ich halt kein Senior, dafür glücklich. Ich lass mich nicht verbiegen! Erstaunlicherweise hat bei uns das Mittlere Management (sprich Führungskräfte) überhaupt kein Problem mit meinem Aussehen. Von daher: Laß ich den Pöbel reden!

[Pirat von Rhyolith]

Naja, Piercings raus oder so Sachen...es kommt immer drauf an. Im Industriebetrieb oder im Labor kann das sicherheitstechnisch tatsächlich wichtig und richtig sein. Im Labor an der Uni hab ich auch nie was gegen einen weißen Laborkittel gesagt. Die trägt man nicht umsonst. Besser die kriegen die Schwefelsäurespritzer ab als anderes.
Auch wenn man sag ich mal bei ner Bank im Kundenkontakt anheuert. Ich find die dortigen Bekleidungsvorschriften aus meiner Sicht auch ballaballa, aber die Mehrheit der Bevölkerung und damit der Kunden hat da halt gewisse Erwartungen. Da ist selbst eine liberale Meinung des Chefs halt im Zweifel scheißegal, sein Job ist es die beste Entscheidung für die Filiale/Firma zu treffen. Ich sag aber mal: Wer solche Bekleidungsvorschriften nicht mag, der sucht sich dann am besten erst gar nicht den entsprechenden Beruf aus und fertig.

Es gibt aber halt auch Dinge, da ist es halt Schwachsinn. Und in der Geologie ists das definitiv - da rennen so viele Metaler, Gruftis, Alternative etc. drin rum. Weil ist ja auch nicht grad das Mainstream-Studienfach. Und grad Schwerpunkt Paläontologie ist schon ziemlich morbide (tote Tiere und so). Kontakt mit irgendwelchen Kunden hat man eigentlich auch nicht, soweit ich weiß, hat sich der T-rex-Schädel noch nie über meine Klamotten beschwert. Das ist der eine Punkt.
Der andere ist: Selbst wenn es einen objektiv sinnvollen Grund gegeben hätte, mir die Klamotten zu verbieten (siehe oben), so wäre die Forderung des Profs dennoch überzogen gewesen. Denn er wollte ja nicht nur andere Klamotten bei mir - er wollte, dass ich JEDEN Kontakt zur schwarzen Szene abbreche. Jeden. Wo doch 90 % meiner Freunde inklusive meines besten Freundes, den ich seit der Krabbelgruppe kenne, in der Szene sind. Bei Klamotten kann ich Kompromisse schließen. Bei sowas - NEIN.

@Herbstlaubrascheln Es war eine Mischung aus tatsächlichem Grund und vorgeschoben. Anlass war halt auch, das zufällig in der Zeit ein Doktor der Paläontologie aus Mainz und Frankfurt, der Herr Fastnacht, Spezialist für Pterosaurier, laut eigener Auskunft Gothic (auch wenn er mir nie so vorkam und eigentlich ist mein Radar da gut) und auf jeden Fall in der SM-Szene noch parallel, in Berlin eine junge Dame gemeuchelt hat -im Rahmen einer SM-Session. Besagte Dame war auch aus der schwarzen Szene (sie war sogar im DL angemeldet). Und das sah der Prof dann als Beweis, dass wir alle böse, verkommen und gefährlich sind und auf gar keinen Fall mt dem Fach in Verbindung stehen dürfen. Tja....

[blacksister´s ghost]

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