
Abneigung gegen (Berufs-)Gruppen
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Re: Abneigung gegen (Berufs-)Gruppen
Ich glaube, ursprünglich kam das Thema ja mal zu Stande, weil es sich aus irgendeiner Diskussion heraus kristallisiert hatte, dass manche Menschen eine Abneigung gegen Bauarbeiter haben, weil die dazu neigen ,sexistisch zu sein. Irgendwie so war das. 

" Hab` keine Angst, bin nur ein Nachtgespenst
das keine Liebe kennt." (Untoten, "Grabsteinland")
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Re: Abneigung gegen (Berufs-)Gruppen
Ich glaub nicht, dass Bauarbeiter speziell sexistisch sind. Vor allem individuell sind die glaub ich nicht sexistischer als der statistische Rest der Gesellschaft.
Spannender wäre die Frage, ob während der Arbeitszeit aufgrund der überwiegend männlichen Kollegenschaft eine Stimmung mit sexistischer Dynamik entsteht.
Dazu folgende Beobachtungen:
1. Menschen richten ihr Verhalten unbewusst daran aus, was sie glauben, was ihr direktes Umfeld von ihnen erwartet. Deshalb verhalten sich Menschen daheim oft total anders als auf der Arbeit, beim Bowling mit Kumpels etc. Daraus erklären sich Unterschiede wie: Auf der Arbeit umgänglich, höflich und zurückhaltend, daheim der Frauen-und Kinderverdrescher; im Krieg der Massenmörder, der Juden ohne zu zucken abknallt, zurück im Frieden liebevoller Familienvater.
2. Die Gruppenzusammensetzung beeinflusst diese Erwartungen und damit unser Verhalten. Klar, wir versuchen unsere selbst gewählten Werte irgendwie zu vertreten, aber so einfach ist das nicht immer, je nach Gruppendynamik. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, wir reagieren auf diese Gruppendynamiken, mal mehr, mal weniger, je nach Persönlichkeit, aber wir reagieren darauf. Die meisten neigen irgendwann zum Nachgeben. Schließlich muss man sich mit der Gruppe auch den folgenden Tag noch rumschlagen und mit ihr auskommen.
3. Diese Effekte sind umso stärker, je mehr man sich innerhalb der Gruppe aufeinander verlassen muss. Man bezieht das meist vor allem auf Gruppen in Extremsituationen - Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner etc. -, aber das ist psychologisch problemlos auch auf andere Berufsgruppen übertragbar. Z.B. auch auf Bauarbeiter. Die müssen sich aufeinander verlassen, um im Plan zu bleiben und bei der harten Arbeit sich auch gegenseitig abzusichern. Eine Baustelle ist ein potentiell gefährlicher Ort, jedenfalls gefährlicher als das durchschnittliche Büro.
Während obige Punkte sich problemlos aus wissenschaftlicher Verhaltensliteratur speisen, kommen jetzt Beobachtungen meinerseits. Ihr erinnert euch an meine lange Litanei an Zeug, das ich schon gearbeitet hab? So, ich war dabei in sehr unterschiedlichen Teams. Zwei-Mann-Teams (Chef und ich), kleineren und größeren mehrköpfigen Teams (4 Leute bis 30 Leute in der gesamten Halle). Die direkten Vorgesetzten waren mal Männer, mal Frauen. Und die Zusammensetzung der Teams waren mal relativ ausgeglichen gemischt, mal zu fast 100 % Männer und in ein paar Fällen hatte ich sogar mal überwiegend weiblich. Es gibt Dinge, die mir auffielen.
Ich habe nämlich daraus mitgenommen, dass ich am liebsten in einem Umfeld arbeite, in dem das Geschlechterverhältnis halbwegs ausgeglichen ist. Das ist das konstruktivste Arbeiten. Die Beteiligten benehmen sich am sozialverträglichsten, also im Schnitt. Sobald eines der beiden (Haupt-)Geschlechter mehr als ungefähr 70-75 % stellt gibt es Verhaltensauffälligkeiten. Und da tun sich Männer und Frauen nix. Als ich mal in einem überwiegend weiblichen Team landete, war die Dynamik so, dass sich die Damen durch ausgeprägte Stutenbissigkeit (man muss das einfach so nennen) und durch herablassendes Verhalten gegenüber männlichen Leiharbeitern auszeichneten. Erzählt mir jetzt nicht, jetzt wüsste ich als Mann mal wie das ist: Ein solches Verhalten bleibt unangebracht. Hinzu kam ausgeprägtes Territorialverhalten - das können Frauen nämlich auch.
Aber klar, und da kommt die Kurve zu den Bauarbeitern, überwiegend männlich Teams prägen auch ihre Auffälligkeiten aus. Aufplusterndes Territorialverhalten, Neigungen zu - ja, zugegeben - sexistischen Witzen und ziemlich rauher, vulgärer Sprache. Fragt mich nicht warum das so ist. Wahrscheinlich Punkt 1 von oben, unbewusst gehen alle davon aus, die Kerle um sie rum würden das so erwarten. Und die Dynamik ist so, seien wir ehrlich, dass man dann in der Mittagspause, in der man bereits die Stunden zählt, bis man den Tag endlich hinter sich hat, einfach mal mitlacht über den dämlichen Witz des Kollegen Harald-Dieter. So wie alle anderen auch. Nicht weil man das bewusst so entschieden hätte, sondern einfach so. Gruppendynamik. Ich sag nur wie es ist.
Und dann liegt man abends bei Netflix in den Armen der besseren Hälfte und denkt sich "eigentlich war das gar nicht lustig und wenn der Witz über meine Tochter wäre, sollte ich Harald-Dieter vielleicht in die Kreissäge werfen".
Ich will sagen: Dass man einen Bauarbeitertrupp als sexistisch wahrnimmt...ja, der Beruf ist überwiegend männlich besetzt, die Gruppendynamik ist in so einem Umfeld für andere Teile der Gesellschaft sozial weniger verträglich. Aber das liegt nicht daran, dass Bauarbeiter Bauarbeiter sind. Viele von denen würden sich bei anderer Gruppenzusammensetzung, das ist meine Hypothese aufgrund gemachter Erfahrungen, anders verhalten. Wir bräuchten also tatsächlich mehr Frauen auf dem Bau. Erzwingen können wir das aber eben nicht. Ich kenne jetzt eher weniger Frauen, die von sich aus sagen, "ich arbeite auf dem Bau". Aber Hand aufs Herz, ich kenne auch nur wenige Männer, die das voller Begeisterung sagen würden. Ist nicht gerade das Berufsumfeld, dass unter dem Ansturm der Freiwilligen ertrinkt.
Spannender wäre die Frage, ob während der Arbeitszeit aufgrund der überwiegend männlichen Kollegenschaft eine Stimmung mit sexistischer Dynamik entsteht.
Dazu folgende Beobachtungen:
1. Menschen richten ihr Verhalten unbewusst daran aus, was sie glauben, was ihr direktes Umfeld von ihnen erwartet. Deshalb verhalten sich Menschen daheim oft total anders als auf der Arbeit, beim Bowling mit Kumpels etc. Daraus erklären sich Unterschiede wie: Auf der Arbeit umgänglich, höflich und zurückhaltend, daheim der Frauen-und Kinderverdrescher; im Krieg der Massenmörder, der Juden ohne zu zucken abknallt, zurück im Frieden liebevoller Familienvater.
2. Die Gruppenzusammensetzung beeinflusst diese Erwartungen und damit unser Verhalten. Klar, wir versuchen unsere selbst gewählten Werte irgendwie zu vertreten, aber so einfach ist das nicht immer, je nach Gruppendynamik. Es ist wissenschaftlich nachgewiesen, wir reagieren auf diese Gruppendynamiken, mal mehr, mal weniger, je nach Persönlichkeit, aber wir reagieren darauf. Die meisten neigen irgendwann zum Nachgeben. Schließlich muss man sich mit der Gruppe auch den folgenden Tag noch rumschlagen und mit ihr auskommen.
3. Diese Effekte sind umso stärker, je mehr man sich innerhalb der Gruppe aufeinander verlassen muss. Man bezieht das meist vor allem auf Gruppen in Extremsituationen - Polizisten, Soldaten, Feuerwehrmänner etc. -, aber das ist psychologisch problemlos auch auf andere Berufsgruppen übertragbar. Z.B. auch auf Bauarbeiter. Die müssen sich aufeinander verlassen, um im Plan zu bleiben und bei der harten Arbeit sich auch gegenseitig abzusichern. Eine Baustelle ist ein potentiell gefährlicher Ort, jedenfalls gefährlicher als das durchschnittliche Büro.
Während obige Punkte sich problemlos aus wissenschaftlicher Verhaltensliteratur speisen, kommen jetzt Beobachtungen meinerseits. Ihr erinnert euch an meine lange Litanei an Zeug, das ich schon gearbeitet hab? So, ich war dabei in sehr unterschiedlichen Teams. Zwei-Mann-Teams (Chef und ich), kleineren und größeren mehrköpfigen Teams (4 Leute bis 30 Leute in der gesamten Halle). Die direkten Vorgesetzten waren mal Männer, mal Frauen. Und die Zusammensetzung der Teams waren mal relativ ausgeglichen gemischt, mal zu fast 100 % Männer und in ein paar Fällen hatte ich sogar mal überwiegend weiblich. Es gibt Dinge, die mir auffielen.
Ich habe nämlich daraus mitgenommen, dass ich am liebsten in einem Umfeld arbeite, in dem das Geschlechterverhältnis halbwegs ausgeglichen ist. Das ist das konstruktivste Arbeiten. Die Beteiligten benehmen sich am sozialverträglichsten, also im Schnitt. Sobald eines der beiden (Haupt-)Geschlechter mehr als ungefähr 70-75 % stellt gibt es Verhaltensauffälligkeiten. Und da tun sich Männer und Frauen nix. Als ich mal in einem überwiegend weiblichen Team landete, war die Dynamik so, dass sich die Damen durch ausgeprägte Stutenbissigkeit (man muss das einfach so nennen) und durch herablassendes Verhalten gegenüber männlichen Leiharbeitern auszeichneten. Erzählt mir jetzt nicht, jetzt wüsste ich als Mann mal wie das ist: Ein solches Verhalten bleibt unangebracht. Hinzu kam ausgeprägtes Territorialverhalten - das können Frauen nämlich auch.
Aber klar, und da kommt die Kurve zu den Bauarbeitern, überwiegend männlich Teams prägen auch ihre Auffälligkeiten aus. Aufplusterndes Territorialverhalten, Neigungen zu - ja, zugegeben - sexistischen Witzen und ziemlich rauher, vulgärer Sprache. Fragt mich nicht warum das so ist. Wahrscheinlich Punkt 1 von oben, unbewusst gehen alle davon aus, die Kerle um sie rum würden das so erwarten. Und die Dynamik ist so, seien wir ehrlich, dass man dann in der Mittagspause, in der man bereits die Stunden zählt, bis man den Tag endlich hinter sich hat, einfach mal mitlacht über den dämlichen Witz des Kollegen Harald-Dieter. So wie alle anderen auch. Nicht weil man das bewusst so entschieden hätte, sondern einfach so. Gruppendynamik. Ich sag nur wie es ist.
Und dann liegt man abends bei Netflix in den Armen der besseren Hälfte und denkt sich "eigentlich war das gar nicht lustig und wenn der Witz über meine Tochter wäre, sollte ich Harald-Dieter vielleicht in die Kreissäge werfen".
Ich will sagen: Dass man einen Bauarbeitertrupp als sexistisch wahrnimmt...ja, der Beruf ist überwiegend männlich besetzt, die Gruppendynamik ist in so einem Umfeld für andere Teile der Gesellschaft sozial weniger verträglich. Aber das liegt nicht daran, dass Bauarbeiter Bauarbeiter sind. Viele von denen würden sich bei anderer Gruppenzusammensetzung, das ist meine Hypothese aufgrund gemachter Erfahrungen, anders verhalten. Wir bräuchten also tatsächlich mehr Frauen auf dem Bau. Erzwingen können wir das aber eben nicht. Ich kenne jetzt eher weniger Frauen, die von sich aus sagen, "ich arbeite auf dem Bau". Aber Hand aufs Herz, ich kenne auch nur wenige Männer, die das voller Begeisterung sagen würden. Ist nicht gerade das Berufsumfeld, dass unter dem Ansturm der Freiwilligen ertrinkt.
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Re: Abneigung gegen (Berufs-)Gruppen
Oben gesagtes deckt sich im Wesentlichen mit meiner Meinung und Erfahrung.
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
(Hanlon's Razor)

wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
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