"Später" Einstieg

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
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Grauer Wolf
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Grauer Wolf »

Achtung! Gefährliches Vollwissen... :mrgreen:

Steampunk ist wie Dieselpunk & Co. eine Spielart des Cyberpunk. Und Cyberpunk ist ein von Bruce Bethke geschaffenes Kunstwort für den Titel der 1980 geschriebenen, gleichnamigen Kurzgeschichte. Bethke kombinierte jeweils ein Wort aus dem Bereich Technologie mit einem Wort aus dem Bereich Störenfriede, bis er eben über "Cyberpunk" stolperte:
Bethke in Ethymology of Cyberpunk hat geschrieben: [It was] 1980: I was living in River Falls, Wisconsin (population 7,000), selling Radio Shack TRS-80 Model 1s, taking courses at the local college, and hanging out on the very distant periphery of the Minneapolis music scene. I thought I was doing okay; after all, I'd gotten the sales job by a dazzling display of computer prowess (I'd shown the Radio Shack store manager how to load and run the BASIC demo program for his display model), and I was making as much money each month as I'd made in the previous year as a musician… Then one day a trio of kids, the oldest maybe 14, came into the store and started puttering with the demo computer. I turned my back on them for about two minutes. When I looked again the kids were gone, the demo program was trashed, and in its place they'd left me with something that had the Model 1 jumping through hoops. I took a few minutes to admire their ingenuity, then broke out of the program and looked over the code. Damned if I could figure out what it was doing. Okay, no problem. The Model 1 had this big orange RESET button on the front panel. I hit the button, reloaded my only copy of the demo program (can you tell where this is leading?), keyed in RUN -- And that's when I discovered their other little surprise.

A pinch of Educational Psych -- Teenagers live in an ethically neutral state. They haven't got the hang of empathy yet, nor have they really grasped the linkage between their causative actions and the resulting effects… [which means they are ‘punkish’]

A snort of Political Theory -- Just as command of a communication medium is power, technological skill is enfranchisement, and in 1980 we were some 20 to 30 years away from an explosive proliferation in technology that would radically change the distribution of power in society… [fight the system]

A double-shot of A Clockwork Orange -- Colloquial English evolves in response to technology. What will it be like in twenty or thirty years? -- and I ended up with this core idea…

The kids who trashed my computer; their kids were going to be Holy Terrors, combining the ethical vacuity of teenagers with a technical fluency we adults could only guess at. Further, the parents and other adult authority figures of the early 21st Century were going to be terribly ill-equipped to deal with the first generation of teenagers who grew up truly "speaking computer… [fully punkish]

THEREFORE, if you thought that punks on motorcycles were a problem, just wait until you meet the -- the -- You know, there isn't a good word to describe them?
Bethke scheint den Begriff "punk/punkish" hier im amerikanischen Sinne des Wortes zu verwenden -- also in der Bedeutung von "Rabauke" ohne Bezug auf die britische oder europäische "Punk" Szene gleichen Namens.

Der Begriff wurde dann schnell als Genre-Bezeichnung auf andere dystopische Romane übertragen, die in einer abgeratzten High-Tech Welt spielten -- ganz vorne "Newromancer" und Nachfolgeromane von William Gibbson (insbesondere im englischen Original lesenswert).

Die Cyberpunk und Steampunk Szenen sind letztendlich die Cosplay-Szenen zu diesen Romanen und deren Verfilmungen -- und haben mit den uns bekannten "Punks" nix, aber auch rein gar nix zu tun.
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
(Hanlon's Razor)

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Archy
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Archy »

Grauer Wolf hat geschrieben: Freitag 15. Dezember 2023, 21:45 ...
Die Cyberpunk und Steampunk Szenen sind letztendlich die Cosplay-Szenen zu diesen Romanen und deren Verfilmungen -- ...
Mensch da lag ich mit meinem gefährlichen Halbwissen ja gar nicht mal so verkehrt 😎😁
Lianna Nightfall

Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Lianna Nightfall »

Herbstlaubrascheln hat geschrieben: Freitag 15. Dezember 2023, 08:27 "Kreativität"....weiß nicht...Punks verändern halt ihre Optik dahin gehend, möglichst kaputt, anstößig, wüst etc. aus zu sehen. "Gegen den Zeitgeist"...hm, weiß auch nicht...würde ich so in erster Linie jetzt auch nicht als Definition für Punk stehen lassen. Die sind gegen ganz vieles; "Zeitgeist" wäre nicht das erste, was mir einfällt. Ist mir zu ausgelutscht formuliert.
Abgrenzen ..nun ja. Bei den Steampunk-Leuten sehe ich da nicht so sonderlich viel davon; keine Ahnung, wie @Lianna Nightfall darauf kommt. In meinen Augen ist das halt ein Hobby. Nicht wenige Leute sind da schon um einiges älter, nicht alle, aber doch viele. Und bis auf Basteln und Posieren machen die in meinen Augen halt recht wenig.
Sie gerade mit Punks in einen Topf werfen zu wollen, ist schon sehr falsch.
Also nicht nur die "Entstehungsgeschichte" ist unterschiedlich - das eine hat mit dem anderen kein bisschen zu tun und Deine Aussage war schlichtweg falsch.
Du hast da einerseits recht, in vielen Fällen ist das sicher so...

Aber trotzdem, ich sehe da für mich, und auch bei manch anderen mehr dahinter... so ne Sehnsucht nach alten Dingen, nach vergangenen Zeiten... nach der alten Welt... durchaus auch Ablehnung der heutigen Welt, der heutigen Zeit...

Klar, rein äußerlich betrachtet sind da z.B. die Punks dann der brutale Gegensatz :mrgreen: , aber mir gings eher so um die inner ablehnende Haltung gegenüber der heutigen Zeit...

Hinzugefügt nach 17 Minuten 34 Sekunden:
Archy hat geschrieben: Freitag 15. Dezember 2023, 11:51 Vielmehr würde ich es auf eine Stufe mit Cosplay und Mittelalter / Reenactment stellen, denn alles bedient sich der Darstellung von Figuren und Dingen, welches man am Abend wieder ablegt, während man Punk oder Goth selbst noch an sich hat, während man den Schlüppi schon längst ausgezogen hat.
hm... Kann man die Vorliebe für alte Dinge, für vergangene Zeiten, für andere Welten einfach so ablegen?

Finde ich nicht...

Also ich würds komisch und traurig finden, wenn das bei jemandem so ist...

Ich denke da aber auch nicht strikt in Schubladen, und lasse mich da auch nicht von irgend welchen Definitionen einengen.
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Phönix75
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Phönix75 »

@Lianna Nightfall

Hast du jemals jemanden aus der Steampunk-/Cyberpunkszene getroffen und mit ihm/ihr gesprochen? Wie jetzt schon treffend geschrieben wurde, kommt das einem Cosplay, ergo einem Hobby, gleich. Diese Leute müssen doch nicht zwingend die heutige Zeit/Zeitgeist ablehnen. Sie tauchen eher in ihrer Freizeit in eine Fantasiewelt ein, in der sie sich (zumindest unter sich) wohl fühlen. Also sprich, gemeinsam einem Hobby nachgehen. Kann es sein, dass du da zuviel hinein interpretierst? Für die herkömmliche Cosplay-Szene gilt das doch ebenso. Ich persönlich finde solche Leute ziemlich befremdlich, weil mir dass immer so vordergründig erscheint und scheinbar einen nicht unerheblichen Teil ihrer Lebenszeit einnimmt... also, schon teilweise fanatisch ausleben. Ich lebe lieber in der Realität und leben meine Fantasie anders aus. ;) Aber das nur am Rande.
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Archy
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Archy »

Ein Hobby damit gleichsetzen wie man lebt und ist, ist schon mehr als derb. Das nur zum Thema "Vorliebe für alte Dinge ablegen".
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Evanahhan
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Evanahhan »

Ich denke, die Grenze kann da ziemlich fließend sein. Das reicht auch beim Hobby von gelegentlicher Bastelei und Veranstaltungsbesuchen, über exzessivere Beschäftigung, bis hin zu vollkommener Identifikation. Wenn jemand diese ganze Welt mit der Ästhetik, Kunst und Freizeitgestaltung in sich trägt, es das Gefühlsleben entscheidend prägt, macht das doch auch die Identität der Person aus. So jemand würde dann wohl auch sagen, dass er „so lebt und ist“.
Das sind dann halt andere Themen als in der schwarzen Ecke.
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Phönix75 »

Ich habe generell ein Problem damit, wenn jemand etwas exzessiv, fanatisch und über alle Maßen vordergründig auslebt. Demzufolge kann ich eben auch keine Fans von irgendwas wirklich etwas abgewinnen. Auch wenn jemand einem Verein, Organisation, Partei oder ähnlichem beitritt. Das versperrt m.M.n. den Blick/Sichtweise auf andere Dinge. Eine Identifikation mit etwas heißt meist auch, dass man voller Überzeugung von etwas ist und jemanden anderer Überzeugung/Meinung/Sichtweise nicht ernst nimmt/ablehnt oder versucht von seiner Sichtweise zu überzeugen. Ich sehe mich immer irgendwo in der Mitte und versuche das objektiv und von beiden/anderer Seite zu betrachten. Gelingt mir nicht immer, aber immer öfter. ;)
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Archy »

Evanahhan hat geschrieben: Samstag 16. Dezember 2023, 11:25 Ich denke, die Grenze kann da ziemlich fließend sein. Das reicht auch beim Hobby von gelegentlicher Bastelei und Veranstaltungsbesuchen, über exzessivere Beschäftigung, bis hin zu vollkommener Identifikation. Wenn jemand diese ganze Welt mit der Ästhetik, Kunst und Freizeitgestaltung in sich trägt, es das Gefühlsleben entscheidend prägt, macht das doch auch die Identität der Person aus. So jemand würde dann wohl auch sagen, dass er „so lebt und ist“.
Das sind dann halt andere Themen als in der schwarzen Ecke.
Dein Ernst?!
Sowohl Punk als auch Goth steht für etwas. Das ist kein Hobby was man einfach so auslebt oder womit man sich die Zeit vertreibt.
Hier tun sich neuerdings Abgründe auf, das ist erschreckend.
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Evanahhan
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Evanahhan »

Sag ich doch, bei Schwarzen geht’s um ganz andere Themen. Mir ging’s um das Thema Identifikation und dass Grenzen da fließend sind.
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Grauer Wolf
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Re: "Später" Einstieg

Beitrag von Grauer Wolf »

Archy hat geschrieben: Samstag 16. Dezember 2023, 13:21 Sowohl Punk als auch Goth steht für etwas. Das ist kein Hobby was man einfach so auslebt
Sagst Du.

Am WGT laufen mehr als genug Leute herum, für die "Goth" auch nur eine mögliche von vielen Spielarten des Cosplay ist. Goth steht da genau so wie Cyberpunk, Dieselpunk oder Steampunk für eine bestimmte Ästhetik -- und mehr nicht.

Und ich würde jetzt mal ganz frech darauf tippen, daß die Cosplay-Goths seit jeher -- zumindest aber seit den 90er Jahren -- in der Überzahl waren. Der einzig wahre und echte Goth starrt doch also schon seit dem Zeitpunkt seiner Selbsterkenntnis in besagte Abgründe. Und das wohlige Gefühl des Abscheus gegenüber der dort erblickten Kreaturen ist inzwischen doch schon Teil der Religion. Oder so ähnlich.
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