Kapitalistisch war die Szene ja schon immer. Wie soll das denn ohne Kapitalismus aussehen? Dass es alles kostenlos gibt und man nichts dafür bezahlen muss? Alles nur unprofessionelle Hobbyisten? Kann ich mir nur schwer vorstellen. Ich mein ... ich geh auf ein Konzert und bezahle Eintritt, damit die Band sich ein Hotel für die Nacht leisten kann. Ich kaufe mir in der Location was zu trinken, weil die ja auch was verdienen muss. Gegebenenfalls kauf ich den Leuten nach dem Konzert Tonträger oder Merch ab - ebenfalls eindeutig kapitalistisch. Und auch die typischen Marketing-Tricks werden angewandt: Manche Künstler oder Labels verknappen das Angebot künstlich indem sie Platten limitieren, verlangen dafür aber Mondpreise, und es gibt Deppen die das tatsächlich kaufen und dann über den Massenkonsum des ungewaschenen Pöbels die Nase rümpfen. Dabei werden sie genauso nach Strich und Faden manipuliert.

Was mir an alternativen Optionen einfällt: In autonomen Zentren machen die viel über freiwillige Spenden, aber das ist ja oft hauptsächlich zur Vermeidung der Gewerbesteuer gedacht. In Jugendzentren gibt's teilweise auch sehr coole Konzerte, die so gut wie nichts kosten, aber das ist halt städtisch gefördert. Das sind die einzigen kapitalismusfernen Sachen die mir überhaupt in den Kopf kommen, aber ich lasse mir ja gern erklären, was genau früher da so viel anders war als heute.
Gibt jedenfalls in meinen Augen immer noch genug Alternativen zu hyper-kommerziellen Events wie dem M'era. Es zwingt einen doch keiner, daran teilzunehmen. Gönnt den Leuten doch ihren Spaß. Wir haben unsere kleinen Underground-Konzerte, sie haben ihre großen Festivals - da gibt's kaum Überschneidungen und das ist doch voll ok.
Und das mit den Klamotten ist doch eh vollkommen irrelevant. Über die alten Männer, die junge Frauen in Band-Shirts ausfragen, um sicherzustellen, dass sie auch bitteschön echte Fans sind (weil ja sonst keiner ein beklopptes Slayer-Shirt tragen darf) macht sich doch auch die halbe Welt lustig. Auf dieses Niveau werd ich hoffentlich nie sinken.
Ich find's auch komisch das einerseits zu kritisieren, andererseits zu einem Monster-Event wie einem Cure-Konzert zu gehen. Die standen früher sogar in der Bravo, hatten also nie Angst davor, den Mainstream als Zielgruppe anzusprechen. Bei so Großevents stecken zusätzlich natürlich auch seelenlose Organisationen wie Eventim oder FKP Scorpio dahinter, aber, na ja, scheint in dem Fall komischerweise nicht groß gestört zu haben wenn's einen selber betrifft.
Hab heute von der sehr klugen Natascha Strobl was gelesen: "Das Wesen des Kulturkampfs ist es übrigens die Probleme, die man so mutig aufzuzeigen vorgibt, überhaupt nicht lösen zu wollen. Es geht nur darum ganz niedere Emotionen zu bedienen und am köcheln (eigentlich am überkochen) zu halten." Sie hat damit natürlich vollkommen recht.
Manchmal hab ich das Gefühl, dass es bei vielen Szene-Diskussionen nicht viel anders läuft. Es geht gar nicht darum, Alternativen für sich zu finden, oder Kompromisse für alle. Nein, es geht nur um's meckern, von der "Früher war alles besser!"-Variante. Was natürlich überhaupt nix und niemanden voranbringt, eh klar.


Ach so, ja, Emo: Hatte ich nie Berührungspunkte mit.