Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
Herbstlaubrascheln
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Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Bei mir sind durchgehend alle Klamotten schwarz. Bis auf die eine oder andere Pyjama-Hose habe ich überhaupt keine farbigen Klamotten; was jetzt aber auch nicht bedeutet, dass ich das irgendwie "untrue" finden würde oder was auch immer; ich mach`mir da gar keinen großen Kopf drum. Und bunte Farben = Mainstream.. hm, keine Ahnung, wie man auf sowas kommt; den Vergleich hab` ich persönlich noch nie gezogen. Ich für meinen Teil hab`halt keinen Bock drauf und hab`seit vielen, vielen Jahren keine "bunten" Klamotten mehr getragen *lach
Jeder so, wie er will. Komplett in schwarz liefen ja auch die Gruftis noch nie wirklich rum, da waren immer wieder mal ein paar Farbtupfer dazwischen, das ist schon richtig.
Entsprechende Kleidung gehört für mich aber schon immer "mit dazu".
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Soiled

Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von Soiled »

Selene hat geschrieben: Mittwoch 10. März 2021, 21:14 Ich bin trotzdem nicht „Mainstream“, also im Inneren nicht.
Ich hab da ein Verständnisproblem. Was genau heißt "im Inneren" hier? Ich vermute mal, dass Du damit nicht meinst, dass Du drei Nieren hast oder so. Einstellungen? Oder Gefühle? Und was heißt in diesem Kontext "Mainstream"? Hast Du mal ein paar konkrete Beispiele?

Klar, ich selber hab sicher schon die eine oder andere Ansicht, die vielleicht etwas radikaler oder ausgefallener ist als die der Mehrheit, ist jetzt ja auch nichts ungewöhnliches. Aber keine davon würd ich jetzt speziell mit der Schwarzen Szene in Verbindung bringen.
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Selene
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Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von Selene »

@Soiled

Oha, ich merke schon, dass ich das, was du wissen möchtest, nicht so richtig in Schriftform bringen kann, ohne das es zu missverständlich wird.
Okay, also drei Nieren habe ich schon mal nicht. ;)
Du hast insofern recht, dass meine innere Einstellung und die meiner Freunde nicht zwangsläufig etwas mit der schwarzen Szene zu tun hat. Schon gar nicht die Klamottenfrage. Da ist alles mögliche dabei.
Ich würde sagen, wir sind authentisch, oft sehr direkt und ehrlich, materielle Dinge sind uns nicht so wichtig (Geizhälse und Genussfeinde sind wir aber auch nicht). Wir sind auf der Suche: Nach Alternativen zum Gewohnten, nach geistigen Inhalten genauso wie nach Blödsinn. Wir fühlen uns selbst verantwortlich und möchten immer noch die Welt verbessern. ;)
Die schwarze Szene war für mich ein Türöffner, um über den Tellerrand hinauszublicken. Beispielsweise andere Musik jenseits der Charts zu entdecken, andere Klamottenstile auszuprobieren, mich mit tiefgründigeren Themen auseinanderzusetzen und dabei Gleichgesinnte zu finden, vor anderen sensibel sein zu „dürfen“....so in etwa. Ich muss mich aber nicht zwangsläufig über sie definieren oder sagen „das und jenes mache ich nicht, auch wenn ich es möchte, weil es „untrue“ ist“. Wenn ich morgen Lust darauf habe, einen blau-rot-geringelten Pullover und eine quietschbunte Hose anzuziehen (also wenn ich die hätte ;) ), dann mache ich das.
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Herbstlaubrascheln
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Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Da kommt doch auch immer wieder die Frage auf, welche "Einstellung" denn typisch für die schwarze Szene sei. In all den Jahren habe ich da bis auf ein paar "Gemeinsamkeiten", was Vorlieben, Musikgeschmack, Optik und Lebensgefühl betrifft, nie sonderlich viel bemerkt. Da merke ich auch wieder, dass ich die Aussage "Gothic ist eine Lebenseinstellung" einfach seltsam finde; für mich war es das nie.
Sich "abseits des Mainstreams" zu bewegen fällt da ja irgendwie auch nicht drunter...denn das behaupten sicherlich 90% aller Menschen *lach*, egal ob aus der Gruft-Szene oder anderswo her.
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Soiled

Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von Soiled »

Interessant. Viel von dem, was Du als "nicht Mainstream" aufzählst, würde ich selber unter "Mainstream" einordnen, eben weil es viele, viele Leute gibt, die genauso empfinden und sich genauso verhalten ...
Ich spezifiziere das mal:
Selene hat geschrieben: Freitag 12. März 2021, 22:28 Ich würde sagen, wir sind authentisch, oft sehr direkt und ehrlich,
Das ist imho nix ungewöhnliches, vor allem nicht in D. Dass Deutsche den Ruf weghaben, sehr direkt bis hin zur Unhöflichkeit zu sein, hat schon seinen Grund - an einer winzigkleinen Minderheit liegt's ziemlich sicher nicht. ;)
materielle Dinge sind uns nicht so wichtig (Geizhälse und Genussfeinde sind wir aber auch nicht).
Ich glaube es gibt relativ wenig Menschen, die das nicht von sich behaupten würden. :D
Wir leben halt im Postmaterialismus - wenn die materiellen Bedürfnisse befriedigt sind wird die Befriedigung immaterieller Bedürfnisse wichtiger. Fing mit den 68ern an, in den 70ern hat Erich Fromm das extrem einflussreiche Buch "Haben oder Sein" geschrieben, seitdem wurde das soziologische Modell noch deutlich verfeinert und hat mehr Dimensionen bekommen. Aber eins ist ziemlich sicher: Sobald man ausreichend Geld hat interessiert es einen nicht mehr so sehr. Von einem armen Menschen wirst Du nie im Leben hören "materielle Dinge sind nicht so wichtig". :lol:
Ich selber find das eh schwierig zu trennen - ist z.B. eine Plattensammlung eher materiell (weil's halt doch eine gute Ecke kostet) oder immateriell (weil Musikhören eher ein Erlebnis ist als etwas Greifbares)?
Wir fühlen uns selbst verantwortlich und möchten immer noch die Welt verbessern. ;)
Finde, dass auch das (gerade unter jüngeren Leuten) recht verbreitet ist. Und manche wollen es nicht nur sondern tun es tatsächlich. ;)

Auf jeden Fall spannend, wie unterschiedlich die Wahrnehmung da sein kann. Also, dass Du die von Dir geschilderten Einstellungen als Minderheitenmeinung siehst, ich sie eher als vollkommen gewöhnlich.
Und Mainstream ist ja auch nicht per se schlecht - die deutliche Mehrheit der Deutschen ist z.B. gegen die Todesstrafe, das find ich natürlich mehr als ok. :D
Selene hat geschrieben: Freitag 12. März 2021, 22:28 Beispielsweise andere Musik jenseits der Charts zu entdecken, andere Klamottenstile auszuprobieren, mich mit tiefgründigeren Themen auseinanderzusetzen und dabei Gleichgesinnte zu finden, vor anderen sensibel sein zu „dürfen“....so in etwa.
Hmmmm. Würde nix davon jetzt als spezifisch "schwarz" sehen, und kann mir auch unter tiefgründigen Themen nicht so recht etwas vorstellen - man kann doch über so gut wie jedes Thema tiefgründig reden.
Danke trotzdem für die Erklärung. Ich glaub ich hab so grob verstanden, was gemeint ist, würd es halt nur nicht in Mainstream/nicht-Mainstream unterteilen.
Herbstlaubrascheln
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Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

"Tiefgründige Themen" würden mich persönlich auch sehr interessieren. Was genau versteht man darunter? Alles, was über Small Talk hinaus geht? Oder bestimmte Dinge, die einfach nicht so oft angesprochen werden?

Die Aussage kommt ja ganz oft in Verbindung mit der Szene. Wenn man jemanden fragt, was dafür "typisch" wäre, kommt ganz oft die Aussage "Ich beschäftige mich mit tiefgründigen Themen". Und so wirklich konnte ich das noch nie einordnen.
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kreatives Nichts

Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von kreatives Nichts »

Ich gehe mal vom Ausgangspunkt des Themas etwas weg. Da geht es ja darum, dass man von Außen her der Schwarzen Szene entspricht. Dass da durchaus manchmal mehr Schein als Sein dahinter steckt, möchte ich gar nicht leugen. Was mir aber über die Zeit hin immer wieder auffällt, dass sich das Ganze etwas umgekehrt hat. Sprich die Leute finden sich der Szene zugehörig, sehen aber in keiner Weise danach aus. Das hat man sowohl unter den ganz jungen Leuten, als auch unter den älteren. Da spielt das nach Außen tragen so gar keine Rolle. Bei den älteren kann man es vielleicht noch damit entschuldigen, dass sie im Alter gesetzter werden / sind. Aber gerade in den jungen Jahren müßte doch ein gewisser Drang nach Ausbruch, Verwirklichung und Selbstfindung vorhanden sein. Hat sich die Jugend, dazu zähle ich auch die Anfang 20-jährigen, im Vergleich zu den 90ern, 80ern oder früheren Generationen wirklich so sehr verändert?
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antares
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Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von antares »

kreatives Nichts hat geschrieben: Mittwoch 8. September 2021, 10:02 Hat sich die Jugend, dazu zähle ich auch die Anfang 20-jährigen, im Vergleich zu den 90ern, 80ern oder früheren Generationen wirklich so sehr verändert?
Schwer zu sagen. Nach allem, was ich in den letzten Jahren so mitbekommen habe, scheinen viele jüngere Leute gerne angepasst sein zu wollen. Möglicherweise werden sie stärker von den "sozialen" Medien beeinflusst.
Trotzdem möchte ich es nicht verallgemeinern. Auf einer der letzten Veranstaltungen sprach mich ein junger Student an, der locker mein Sohn sein könnte. Mit ihm habe ich mich sehr gut unterhalten.
Was Schein und Sein angeht: Auch wenn ich die Farbe Schwarz schon immer mochte, so laufe ich tagsüber ganz normal in Outdoorklamotten herum. Häufig ist es ein beiger oder grünlicher Farbton. Es ist mir sehr wichtig mich praktisch zu kleiden und bei Sonne finde ich hellere Kleidung praktischer.
Besuche ich eine dunkle Veranstaltung, trage ich schwarze, atmungsaktive Outdoorhosen, ein dunkles Bandshirt oder ein atmungsaktives schwarzes T-Shirt. Vor vielen Jahren hatte ich mir ein wenig schrillere Sachen zugelegt, die mir aber teilweise nicht mehr so gut passen.
kreatives Nichts

Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von kreatives Nichts »

antares hat geschrieben: Mittwoch 8. September 2021, 12:54 Vor vielen Jahren hatte ich mir ein wenig schrillere Sachen zugelegt, die mir aber teilweise nicht mehr so gut passen.
Ich finde diese Aussage durchaus interessant.
Für mich klingt das gerade nach "Würden sie mir besser passen, würde ich sie auch tragen." Als würdest du nicht nur nach Funktionalität der Kleidung entscheiden, sondern auch nach deiner eigenen Wahrnehmung und des Körpergefühls entscheiden, sowie nach der eigenen Auffassung "Was ist ästhetisch?".
Liege ich da mit meinem Eindruck völlig daneben?
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antares
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Re: Die Diskrepanz zwischen Aussehen und Sein

Beitrag von antares »

kreatives Nichts hat geschrieben: Donnerstag 9. September 2021, 08:57
antares hat geschrieben: Mittwoch 8. September 2021, 12:54 Vor vielen Jahren hatte ich mir ein wenig schrillere Sachen zugelegt, die mir aber teilweise nicht mehr so gut passen.
Ich finde diese Aussage durchaus interessant.
Für mich klingt das gerade nach "Würden sie mir besser passen, würde ich sie auch tragen." Als würdest du nicht nur nach Funktionalität der Kleidung entscheiden, sondern auch nach deiner eigenen Wahrnehmung und des Körpergefühls entscheiden, sowie nach der eigenen Auffassung "Was ist ästhetisch?".
Liege ich da mit meinem Eindruck völlig daneben?
Ja, wahrscheinlich entscheide ich nicht nur nach Funktionalität. Es handelte sich aber auch nur um eine Hose. Für Männer gibt es leider nur wenige Kleidungstücke, die mir wirklich gefallen. Das ist auch ein Grund, weshalb ich vor vielen Jahren in der Transgenderszene aktiv war und mich in einer Frau verwandelte. Dann konnte ich die Kleidung tragen, die mir wirklich gefällt.
Ein wenig schriller als die Hose fand ich meine Elevator-Stiefel. Ich finde sie aber unpraktisch. Zu den Veranstaltungen in meiner Stadt kann ich in knapp 15 Minuten zu Fuß laufen. Mit diesen Stiefeln wäre das sehr unbequem. Also müsste ich mit dem Auto die kurze Strecke fahren und die Stiefel vor Ort anziehen. Das fände ich aber sehr übertrieben. Ich könnte mich aber auch abholen lassen.