Evanahhan hat geschrieben: ↑Mittwoch 16. Dezember 2020, 11:07
und auf den Alltag wirkt es sich auch stark aus.
Aber halt unterschiedlich stark. Ich mein, ich war seit Ewigkeiten nicht mehr auf Konzerten, in Ausstellungen, im Theater, im Kino, auf Festivals, bei einem Pub Quiz, Freunde treffen ist fast auf Null runtergefahren ... das ist zwar alles sehr doof, aber kein Weltuntergang. Fehlt mir natürlich entsetzlich, eh klar, die Abende können manchmal recht lang werden, und ich habe durchaus das Gefühl, dass ich dadurch ein wenig verblöde. Nein, Streams sind kein adäquater Ersatz - hab erst letztens wieder beim Stimmen des Orchesters vor einer Oper fast geheult, weil mir der Scheiß so fehlt. Und dass ich sowieso Konzerte viel lieber mag als Aufnahmen ist ja nun wirklich nix neues. Ich bin einfach nicht dafür gemacht, nur zu arbeiten und den Rest der Zeit daheim zu verbringen! Sonst hätte ich ja auch in dem Thüringer Kaff bleiben können, wo ich geboren wurde, oder? Auf dem Sofa zu lümmeln und Filme zu schauen ist für mich keine Option. Ich hab ja nicht mal ein Sofa! Und auch keinen Fernseher.

Die Umstände zwingen mich genau zu dem spießigen, piefigen Biedermeier-Leben, dem ich immer entfliehen wollte.
Mit dem ganzen Beziehungsscheiß fang ich gar nicht erst an. Es macht echt keinen Spaß, im Prinzip eine "Fernbeziehung" mit jemandem zu führen, der keine zehn Minuten Fußmarsch von einem entfernt wohnt. Oh, und meine Eltern hab ich auch seit über einem Jahr nicht gesehen.
Klar, Leute, die vorher kein großes Interesse an Veranstaltungen hatten, vermissen sie auch jetzt nicht sehr. Und, klar, Leute, die vorher schon wenig sozial waren, vermissen das nicht.
Und, ja, es ist irre frustrierend, dass ich mich zwar in eine volle Straßenbahn quetschen darf, um zur Arbeit zu kommen, mich aber nicht mit ein paar Hanseln zu einer Ausstellungseröffnung treffen darf. Seh ich es ein? Sowieso. Maule ich trotzdem drüber? Manchmal.
Das ist alles aber kein Vergleich zu dem Mist, den andere durchmachen. Ich kenn eine sechsköpfige Familie mit einem Hochrisikokind, die seit März das Haus nicht mehr verlassen haben und sich inzwischen gegenseitig verdammt auf die Nerven gehen. Ich kenn Leute, die international tätig sind und absolut keine Planungssicherheit haben. Ich kenn Künstler, die im Prinzip arbeitslos sind, weil sie nicht auftreten können.
Keiner von denen sagt "Och, mal abwarten mit der Impfung" sondern "Her mit dem Mist, und zwar möglichst schnell!"
Und wenn jemand sich nicht impfen lassen will kommt das bei mir immer an als "Du bist mir scheißegal, Kultur ist mir scheißegal, andere Leute sind mir generell scheißegal, und von Medizin versteh ich auch nix."
Generell folge ich ja dem Motto "Lebe so, dass die AfD (bzw. hier die FPÖ) etwas dagegen hat."
Und dann höre ich von Uwe Witt (AfD) diese Anfrage: "Haben unsere Bürger die Wahl, den Impfstoff, mit dem sie geimpft werden, sich auszusuchen? Also tragen sie das Risiko, mit einem genmanipulierten (sic!) Impfstoff geimpft zu werden, über den keine Langzeitergebnisse und -studien erfolgt sind, oder können sie sagen: Nein, ich möchte in der ersten Stufe nicht mit dem genmanipulierten (sic!) Impfstoff geimpft werden, sondern ich möchte gerne warten, bis die traditionellen Impfstoffe hergestellt sind, die eine gewisse Sicherheit und Grundimmunisierung auch bieten?"
Tut mir leid, aber das ist für mich der Inbegriff der Wissenschaftsfeindlichkeit, Wohlstandsverwahrlosung und blanker Dummheit. Und jeder, der sich dabei erwischt, ähnlich zu denken, sollte mal tief in sich gehen und gründlich darüber nachdenken.