Kissalonecomplex hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Januar 2020, 03:45
ich muss dich leider enttäuschen, ich bin mitte 30 und habe mich stets geweigert mir "eier wachsen zu lassen".
Weiß auch nicht, weswegen "Eier wachsen lassen" überhaupt ein Synonym für "robust und wiederstandsfähig werden" ist. Das sind ausgesprochen fragile Organe, produzieren massig Testosteron (was ja nicht gerade wahnsinnig gesund ist, sowohl für's Immunsystem als auch für's Verhalten), und der ästhetische Wert hält sich auch in Grenzen ...
Aber, ja, diese ganzen Varianten von "Stell Dich nicht so an!" sind scheußlich, weil sie dazu genutzt werden, sein Gegenüber mundtot zu machen und vor seinen/ihren Argumenten die Ohren zu verschließen.
Und grad das mit der richtigen Anrede ist doch nun wirklich keine Akt.
Ein Freund von mir hat den selben Vornamen wie sein Vater, der ein ... nun ja ... sehr unangenehmer Mensch war. Er lässt sich demzufolge mit einem Spitznamen anreden. Wenn ich ankommen würde und ihn ständig mit seinem "richtigen" Namen anspreche, weil der ja schließlich so in seinem Ausweis steht, und ihn dadurch jedes Mal an sein Arschloch von Vater erinnern würde, wär das doch komplett mies. Und deadnaming bzw. falsche Pronomen zu benutzen ist genauso mies, wenn nicht sogar noch um einiges mieser. Kapiere echt nicht, was daran so schwer zu verstehen sein soll ...
Kissalonecomplex hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Januar 2020, 14:18
Selbst Tischmanieren sind Umfangreicher und doch habe ich das Gefühl dass du als Kind trotzdem gelernt hast nicht zu Schmatzen und das heute für gut und richtug hälst.
Der Vergleich mit den Tischmanieren hinkt ein bisschen, finde ich, weil die sehr unterschiedliche Hintergründe haben und man sie durchaus hinterfragen sollte.
Einerseits gibt es sehr logische wie z.B. dass man das Messer nicht ablecken sollte, weil man sich sonst in die Zunge schneidet.
Dann eher soziale, wie z.B. Ellenbogen nicht auf dem Tisch zu positionieren, damit die Nachbarn genug Platz haben.
Und dann gibt es noch die, die vor allem der sozialen Distinktion dienen und bestenfalls historische Gründe haben. Ich mein ... bei mir in der Familie wurde immer gesagt "Mit Sekt stoßen nur Neureiche an!", was übersetzt nix anderes bedeutet als "Vielleicht haben sie Kohle, aber sie sind und bleiben Assis". Fraglos eine ziemlich arschige Aussage, wenn man es näher betrachtet. Und, ja, mir ist schon klar, dass man es nicht macht, weil durch die Kohlensäure sich der Schall nicht ordentlich ausbreiten kann und es deswegen scheiße klingt, aber eigentlich ist das nun wirklich kein Weltuntergang. Sollen sie halt anstoßen, ist halt ein belangloses kleines Ritual, vollkommen irrelevant. In die selbe Kategorie tu ich Schmatzen. Tut doch keinem weh, eigentlich.
Kissalonecomplex hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Januar 2020, 16:20
Einige Jahre zurück wurde ich, aufgrund sehr femininer Gesichtszüge, oft für ein Mädchen gehalten und auch so angesprochen. Das kommt vor, ist kurz awkward oder lustig, je nach Situation, und dann klärt es sich auf.
Eben.
Mir passiert sowas auch öfter. Als Beispiel mal in Rom, der Page sagt "Ich bring von dem Signore mal das Gepäck auf's Zimmer!", sein Chef sagt "Das ist eine Signorina ..." - Page war peinlich berührt, alle haben gegrinst und fertig. (Wieso hab ich es jetzt im Urin, dass sich jemand an dem Wort "Page" aufhängen wird? Vielleicht gibt's ja eine bessere, modernere Bezeichnung für diese Hotelangestellten, aber ich kenn die echt nicht ...)
Kissalonecomplex hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Januar 2020, 15:24
Ich habe genug mit kleinen Kindern zu tun gehabt, die behauptet haben sie seien Apache Kampfhelikopter und ernsthaft glaubten dass dieser Blödsinn ein Argument sei das man nicht schlagen könnte...
Naja, Edgelords halt.
Ich erwische mich bei solchen Fällen ab und zu dabei, dass ich mir denke "Oida, ich wünsch mir, dass Dein Kind sich irgendwann als trans* rausstellt, dann wird's mit dem Mitgefühl vielleicht mal was." Aber dann hau ich mir selber mental auf die Finger, weil die einzig leidtragende Person das Kind sein würde. Ist ja weiß Gott nicht schön, mit einem Elternteil aufzuwachsen, das einem immer vermittelt, dass man "falsch" oder "krank" sei ...
Herbstlaubrascheln hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Januar 2020, 16:44
Unsere heutige Gesellschaft ist sehr aufgeschlossen, sehr modern; im Prinzip kann jeder tun und lassen, was er will
Ich glaub da unterliegst Du einer Fehleinschätzung. Es geht ja nicht nur um junge Leute, die sind immerhin halbwegs okay, bei den älteren gibt es da noch massig Nachholbedarf. Ich bin mir zum Beispiel ziemlich sicher, dass
Georgine Kellermann niemals, aber wirklich niemals eine derartige Karriere hingelegt hätte, wenn sie sich schon in jungen Jahren als Transfrau geoutet hätte. An ihrer Qualifikation, ihrem Geist und ihren Fähigkeiten hätte es natürlich nix geändert, aber eben daran, wie sie wahrgenommen wird.
Kissalonecomplex hat geschrieben: ↑Sonntag 5. Januar 2020, 17:15
Das führt zu sensiblen cis Jungen die leiden weil sie ihre Passion und ihre Gefühle eingeschlossen lassen müssen.
Und die sich selbst betäuben, gern mit Alkohol oder anderem. Du willst echt nicht wissen, wie viele Säufer ich kenn, bei denen das so angefangen hat ... viel zu viele.