AfD - und Gruftis

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Evanahhan
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Evanahhan »

@Grauer Wolf: Dein Bild von dem nächtlichen Waldspaziergang finde ich sehr schön!
Oft wünschte ich mir auch, dass manche meiner Mitmenschen viel mehr in Kontakt mit fremden Kulturen kämen und Erfahrungen abseits dessen kämen, was sie nur in den Medien lesen (dort könnte man ja wirklich den Eindruck bekommen, dass Straftaten fast nur von Flüchtlingen begangen werden).

Allerdings ist es auch falsch, Angst immer als irrational und "behandlungsbedürftig" hinzustellen. Angst hat schließlich auch eine wichtige Funktion, nämlich vor Gefahren zu warnen. Bei solchen gesellschaftlichen Prozessen finde ich es eher schwierig, eindeutig zuzuordnen, ob Angst begründet oder wirklich nur irrational ist. Vor wenigen Jahren noch hätte ich z.B. auch nicht für möglich gehalten, dass der rechte Rand noch mal derartigen Zulauf erhalten würde. Wie sich die Weltlage entwickelt, steht auch in den Sternen. Ich bin da eher pessimistisch. Ob sich bei uns die Parallelgesellschaften verstärken weiß ich nicht, ist aber nicht abwegig. Einzelne Fremde sind viel leichter zu integrieren als sehr viele auf einmal, die leichter unter sich bleiben können. Ob die Geburtenrate bei Muslimen wirklich zu einer Islamisierung der Gesellschaft führt, kann ich nicht widerlegen. Ich kann nur Vermutungen anstellen, dass sich die Geburtenrate angleichen wird, dass viele Muslime genauso wenig religionsinteressiert sind wie die vielen Christen auf dem Papier, dass sich die Gesellschaft angleichen wird,... Aber wissen kann ich es nicht. Vielleicht führt diese blöde Polarisierung der Gesellschaft tatsächlich zu größeren Konflikten zwischen Linken/Rechten/Muslimen?

Diese Polarisierung ist das, was mir im Grunde am meisten auf den Keks geht. Dafür kenne ich zu viele AfD-Wähler, die eigentlich ganz liebe, nette Menschen sind, bei denen ich mir immer denke, WTF ist auf einmal los???
Redet man mit Pegida-/AfD-Anhängern und versucht, deren Argumentation zu widersprechen, ist man der völlig naive, "links-grün-versiffte Gutmensch", redet man mit Linken und erwähnt existierende Probleme in der Flüchtlingsdebatte, steht man ganz schnell selbst in der rechten Ecke.
Insofern wünsche ich mir, dass die Diskussion um die Flüchtlings-/Asyl-/Einwanderungspolitik endlich mit weniger Hysterie und mehr Pragmatismus geführt wird.
Grauer Wolf hat geschrieben: Samstag 2. Juni 2018, 12:47 Ich kenne zu meinem Leid oder Glück niemanden, der AfD wählt oder auch nur mit dieser Partei sympathisieren würde.
...
Insofern halte ich auch jegliche Diskussion mit AfD Wählern und Sympathisanten für sinn- und zwecklos.
So sehr ich deine Argumentation schätze, Grauer Wolf, das klingt etwas abgehoben... Auch jeder AfD-Wähler ist ein Mensch und entsprechend individuell in seinen Ansichten. Natürlich gibt es die Verbohrten, mit denen zu diskutieren einfach müßig ist und zu nichts außer Frust führt, aber das gilt nicht für alle. Viele wünschen sich tatsächlich ebenfalls eine sachliche Diskussion, wollen gehört werden und nicht gleich vorverurteilt werden. Und noch mehr hassen sie es, wenn immer so getan wird, als müsste ihnen nur endlich mal einer die Welt erklären und dann würden sie wieder ihr Kreuz an der "richtigen" Stelle machen. Die empfinden das tatsächlich als "Meinungsdiktatur".

Ich will damit nur versuchen zu verdeutlichen, wie die Leute ticken, von denen ich weiß, dass sie AfD wählen. Dass die AfD dafür keine brauchbaren Lösungsansätze bietet, ist in unserer Runde vermutlich Konsens. Man darf nur die Entwicklung der vergangenen Jahre nicht außer Acht lassen. Vor wenigen Jahren waren zunächst Sarrazin, dann Pegida und AfD halt die einzigen, die überhaupt diese Sorgen thematisiert haben. Man bekämpft die Sorgen eben auch nicht damit, indem man die sogenannte "Nazi-Keule" schwingt und sagt "mit solchen Leuten darf man nicht reden". Beides hat meiner Einschätzung nach gerade Pegida enormen Auftrieb gegeben. Man fühlt sich als Opfer und das schweißt noch mehr zusammen. Ich denke, da wurden auch viele Fehler in der Kommunikation gemacht.
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Grauer Wolf
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Grauer Wolf »

@Evanahhan Mag sein, daß ich mich etwas undeutlich ausgedrückt habe. Ich halte die Diskussion mit AfD Sympathisanten nur deshalb für sinn- und zwecklos, weil ich der Meinung bin, daß man gegen Angst nicht andiskutieren kann. Ängste muß man an die Hand nehmen und sie in den dunklen Wald spazieren führen.
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
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Pirat von Rhyolith
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Pirat von Rhyolith »

Evanahhan hat geschrieben: Samstag 2. Juni 2018, 14:40
Insofern wünsche ich mir, dass die Diskussion um die Flüchtlings-/Asyl-/Einwanderungspolitik endlich mit weniger Hysterie und mehr Pragmatismus geführt wird.
Da bin ich voll bei Dir! Die hätte ich mir von Anfang an gewünscht. Leider verschwendet die ganze Gesellschaft zu viel Energie darauf, um die AfD und Pegida zu kreisen (zugegeben, da machen wir uns hier auch gerade etwas mitschuldig) und darüber zu diskutieren, wie man Leute wieder los wird (siehe CSU). Die Lösung eigentlicher Alltagsprobleme ist darüber fast völlig untergegangen. Da sehe ich auch
eine Mitschuld der Kanzlerin. So sehr ich auch dafür war, die Flüchtlinge 2015 aufzunehmen, so sehr fehlte mir ein Plan was man danach dann eigentlich weiter macht und wie das alles langfristig laufen soll.
Viele wünschen sich tatsächlich ebenfalls eine sachliche Diskussion, wollen gehört werden und nicht gleich vorverurteilt werden. Und noch mehr hassen sie es, wenn immer so getan wird, als müsste ihnen nur endlich mal einer die Welt erklären und dann würden sie wieder ihr Kreuz an der "richtigen" Stelle machen. Die empfinden das tatsächlich als "Meinungsdiktatur".
Ich hab ja nun auch schon die ein oder andere Debatte mit AfD-Sympathisanten etwa auf der Arbeit gehabt. Ich kann das was Du hier schreibst so nicht unterschreiben, also aus meinem eigenen Erleben. Auch wenn ich den Kollegen, der sinnierte, wie man Flüchtlinge am besten wieder los wird, ernst nahm (ehrlich gesagt ist das ja mein Problem, ich nehm die Leute letztlich für voll), und mit ihm sachlich mal auseinanderfisseln wollte, was an seinen Ängsten vielleicht eher übertrieben ist, was einen wirklich ernsten Hintergrund hat, wie man es alternativer lösen kann als durch inhumane Maßnahmen etc...da kam dann sobald er merkte, dass etwas vielleicht doch nicht so sein könnte wie er es sieht oder es jemand anders sehen könnte...kam dann das Totschlagargument: Meinungsdiktatur, Lügenpresse etc.
Was soll ich dem denn dann noch sagen? Ich bin mit der Herangehensweise jedenfalls größtenteils vor ne Wand gerannt und das waren noch nicht mal die Hardcore-Anhänger der AfD.
Mein Eindruck ist halt, dass das im Gegenteil häufig Leute sind, für die alles andere als ihre eigene Meinung eine "Meinungsdiktatur" ist, frei nach dem Motto: Mein Horizont ist Punktförmig.
Wenn Du allerdings andere Erfahrungen gemacht hast, würde mich das freuen, dann hatte ich vielleicht nur Pech mit meinen Gesprächspartnern.

Übrigens passend zu diesem Aspekt:
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Evanahhan
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Evanahhan »

Es gibt halt die ganze Bandbreite... Zumindest hat die Diskussion einen vormaligen AfD-Sympathisanten dazu gebracht, dass er im Herbst doch lieber eine andere kleinere Partei gewählt hat. Mitunter lohnt sich also die Debatte doch.
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Phönix75
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Phönix75 »

Na gut, werter @Pirat von Rhyolith

Ich will mir tatsächlich die Zeit nehmen und meine Meinung zum Thema AfD äußern, auch wenn ich weiß, dass diese ganz sicher nicht populär ist, gerade in diesen Kreisen.

Die AfD (und ich rede nur von der AfD und nicht Pegida und Co.) ist in meinen Augen unabdingbar, wenn es darum geht, dieses verkleisterte politische Establishment aufzubrechen. Über die Jahre/Jahrzehnte haben es sich die herrschenden "Volks"-Parteien wirklich gemütlich gemacht und haben zusehends an den Bedürfnissen und dem Willen des Volkes vorbeiregiert. Den Frust darüber wurde immer wieder mit den Worten "Es wird sich sowieso nix ändern." Ausdruck verliehen. Es gab einst mal eine Partei, die sich kurz anschickte, etwas Staub aufzuwirbeln... das waren die Piraten. Mit unpopulären Forderungen verschafften sie sich Gehör und zerlegten sich genauso schnell, wie sie entstanden sind. Da waren Querdenker, rechte, linke und Protestler, die sich letztendlich nicht einig waren, wo es langgehen soll. Die Altparteien haben also alles richtig gemacht (indem sie nichts taten) und der kurz aufkeimende Protest wurde wieder befriedet. Als dann die Grenzen aufgemacht wurden, um wirklich unkontrolliert jeden Flüchtling (egal, ob Wirtschaftsflüchtling oder Kriegsflüchtling) ins Land zu lassen und Frau Merkel dann die ganze Sache auch noch anheizte, in dem sie vollmundig versprach "WIR schaffen das!", war doch bei nicht wenigen Mitmenschen das Maß voll. Ich denke, das war der Hauptauslöser.

Ich will mal speziell den ostdeutschen Raum beleuchten (wo die AfD auf besonders fruchtbaren Boden fällt), denn daher komme ich selbst auch und weiß ganz gut, wie viele Menschen da funktionieren. Als Beispiel, wie die Ostdeutschen damals zur Wende verarscht wurden, kann man die Serie Weissensee heranziehen. Man hört immer wieder die Meinung, dass man aus einer Fremdbestimmung in die nächste Fremdbestimmung gerauscht ist. Man hat selbst kein Mitspracherecht, in Form von ostdeutschen Politikern, die in der Regierung mitwirken und dort entsprechend mitgestalten können. Wir wollen jetzt Frau Merkel mal außen vor lassen, denn die ist nicht nur für mich keine Ostdeutsche. Der Osten wurde im wahrsten Sinne des Wortes abgewickelt, die Identität, das ganze Umfeld dem Erdboden gleich gemacht. Kanzler Kohl versprach blühende Landschaften und bestach die Ostdeutschen vor den Wahlkabinen mit einem Päckchen Kaffee, um sich die Stimmen zu kaufen (war wirklich so). Mit den naiven Ostdeutschen (und das waren sie nun mal, wenn man, abgeschottet in Richtung Westen, lebte) konnte man es ja machen. Dann wurden sie beschissen, in dem man ihnen die Mark halbierte und in die DM tauschte. Für viele ging es zwar erstmal bergauf... der Westen hatte schon vieles zu bieten... vorallem Konsum, aber es blieben nicht unerheblich viele auch auf der Strecke, an denen der versprochene Wohlstand vorbeiging, die von langer Arbeitslosigkeit (immerhin existierte kaum noch größere Industrie) und der einhergehenden Perspektivlosigkeit betroffen waren. Schon zu dieser Zeit, machte sich ein gewisser Groll breit und man wählte NPD. Irgendwie paradox, wenn man bedenkt, dass es in der DDR offiziell keine Nazi's gab. Die gab es sehr wohl. Jedenfalls versuchten sich viele mit ihrer Lage zu arangieren und trösteten sich mit solchen Dingen wie, "Jetzt kann man wenigstens alles kaufen, was man will." Aber wiedergefunden in einer politischen Mitbestimmung hat man sich nicht. Denen, die den Absprung geschafft haben (wie auch immer man das sehen mag), wählten ohne großartig nachzudenken CDU oder SPD und die Welt war in Ordnung. Und nicht wenige Jahre später wurde ihnen nun schon wieder eine Währung genommen. Der Euro sollte die DM ablösen. Und schon wieder wurde vieles teurer (auch wenn das offiziell immer bestritten wurde). Wer wurde gefragt, ob man den Euro überhaupt haben will? Es wurde wieder von ganz oben diktiert. Die gesamtgesellschaftliche Entwicklung war im Prinzip jetzt mindestens 2 mal bis 4 mal so schnell, wie zu DDR-Zeiten. Das überforderte die Menschen zusätzlich und bei den meisten Entscheidungen wurden sie eben nicht gefragt, ob es sie es wollen oder nicht. Nein, sie durften nur alle 4 Jahre ihr Kreuzchen an der hoffentlich richtigen Stelle machen. Da lobe ich mir doch die direkte Demokratie in der Schweiz, die man zwar auch diskutieren kann, wo aber dem Bürger ein Mitspracherecht eingeräumt wird.
Und um die richtige Stelle auf dem Wahlzettel zu finden, wurde vor der Wahl stets das Schönste und Beste versprochen, um es nach der Wahl einfach unter den Tisch fallen zu lassen. Frei nach dem Motto: "Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern." Das sich über die Jahre ein Politikverdruß aufbaut, der vorallem in Ostdeutschland dazu führt, dass man radikaler wählt, verwunderte mich daher nicht. Man hat viele Leute allein gelassen mit ihren Sorgen und Ängsten, in dem man einfach Scheuklappen angelegt und möglichst weit weg von Strasse und Volk regiert hat. Ich würde das sogar schon als Parallelgesellschft bezeichnen. Aber es reicht eben nicht, dass nur das Volk verarscht wird, dazu kommt noch, dass sich der Lobbyismus stark verbreitet hat und kaum noch ein Politiker in der Lage ist, keinen wirtschaftlichen Interessen zu folgen. Hinzu kam dann auch noch die Bankenkrise und die Griechenland-Rettung. Wies doch der Gesamtetat des Bundeshaushaltes damals noch eine rote Zahl auf, war doch plötzlich ganz viel Geld da um a) die Banken zu retten und b) Griechenland gleich noch mit zu retten. Was genau hat denn Deutschland bevollmächtigt, sich in die Angelegenheiten Griechenlands einzumischen und ein Diktat einer absolut unsozialen Politik zu betreiben? Was genau hat die deutschen Politiker dazu bevollmächtigt, Banken mit (eigentlich nicht vorhandenen) Milliarden zu retten? Was ist das für ein Spiel, was fernab des Volkes da oben gespielt wird? Schon da hat es die AfD auf den Plan gerufen, die sich EU-kritisch zeigte... zurecht. Deutschland spielt sich in Europa auf, als hätten sie es unter ihrer Herrschaft. Vielleicht ist mir zeitgeschichtlich etwas entgangen und '45 wurde doch nicht kapituliert...
Jedenfalls kann man natürlich mit solchen globalen Problemen wunderbar von den innenpolitischen Problemen ablenken, die da schon eine Weile gärten. Politiker entfernten sich zunehmend noch mehr vom Volk und bekamen es nicht mit, weil man nach Höherem strebte. Nämlich friedlich die Weltherrschaft an sich zu reißen (Sorry, für den kleinen ironischen Ausflug). Aber ich bin etwas vom Thema abgekommen... das alles zeigt aber ganz deutlich, dass viele Menschen nicht Schritt halten konnten oder auch wollten und sie garnicht mehr gehört wurden. Das erklärt eben auch, warum populistische Parteien Auftrieb bekommen haben, weil sie die Ängste, die im Volk wahrnembar ist, aufnehmen. Jetzt die Frage: Warum kann das keine der großen Volksparteien? Was läuft da schief? Was muss passieren, dass man die Menschen wieder ernst nimmt? Klar, interessiert das eine Kleinfamilie in ihrem trauten Heim in der Vorstadt nicht, solange beide gut verdienen und die Kinder womöglich noch eine Privatschule besuchen können. Die werden ihr Kreuzchen nach wie vor an der "richtigen" Stelle machen. Und sie werden die AfD mit ihren Wählern verteufeln. Diese Spaltung ist vorallem in Ostdeutschland und in westdeutschen Ballungsgebieten schon sehr weit fortgeschritten.
Und wer will es den Menschen verdenken, dass es sie erst recht auf die Barrikaden treibt, wenn dann plötzlich innerhalb eines Jahres noch ca. 1 Mio Flüchtlinge im Lande sind, von denen man überhaupt nicht weiß, ob sie zurecht hier sind, welche Absichten sie haben und wie lange sie bleiben. Wir haben doch eine nicht unerhebliche Anzahl an Kindern, die unterhalb der Armutsgrenze leben und deren Eltern bei den Tafeln ihre Nahrungsmittel besorgen müssen. Doch plötzlich war schon wieder ganz viel Geld da, um die Flüchtlingskrise, die wir (das Wörtchen "wir" fällt mir in dem Zusammenhang sehr schwer) selbst mitzuverantworten haben. Seit Jahrzehnten wird deutsches Kriegsmaterial in Krisengebiete geschippert (offiziell natürlich nicht, aber über Umwege schon) und dann wundert man sich, dass kriegsvertriebene Menschen vor unserer Haustür stehen? Wieviel Macht hatte denn Deutschland in der EU nun, wenn es darum geht, die Flüchtlinge gerecht in Europa zu verteilen? Keine. Man hat es satt, sich von diesen arroganten Politikern auf der Nase herumtanzen zu lassen. Es ist sicher nicht gerecht, wenn man Probleme gegeneinander ausspielt, aber es ist nunmal so, dass viele mit der Globalisierung überfordert sind. Sie bleiben schlichtweg auf der Strecke und werden schon lange nicht mehr gehört. War es damals schon schwer ein Land zu regieren und zu Wohlstand zu verhelfen, erscheinte es jetzt geradezu unmöglich, Politik für ein ungleiches Europa zu machen. Denn es gärt von innen heraus und das zurecht. All das absorbiert die AfD. Hetzer wie Höcke und Poggenburg wird es immer geben. Sie werden sich früher oder später selbst in ihrer Partei disqualifizieren. Was aber das Hauptproblem der Partei ist, dass sie ihr Hauptaugenmerk auf die Flüchtlinge lenkt. Nicht die sind daran schuld, dass sie hier sind, sondern die Politiker, die es über Jahre nicht fertig bekommen haben, für Frieden auf der Welt mit zu sorgen, sondern die Kriegswirtschaft mit ihren Exporten unterstützen.

Die Partei ist förderlich, um wieder zurückzufinden zu einer Politik fürs Volk. Es liegt an den großen Parteien, inwieweit sie langsam aus ihren Komfortzonen herauskommen. Vielleicht wirds erst bei 20% sein. Ich habe aber keine Angst, dass diese Partei irgendwann regierungsfähig wird auf Bundesebene. Ich mache mir aber auch keine Illusionen, dass ein Umdenken schon in dieser Legislaturperiode stattfindet. Schon mit einigen getroffenen Entscheidungen tragen sie weiterhin mit dazu bei, das Politikverdrossenheit noch mehr zunimmt. Leider! Aber wie so oft gesagt wird: Demokratie muss so eine Partei, wie die AfD, aushalten. Es wird sich zeigen, wie demokratisch unser Land wirklich ist.

Achso. Kleiner Nachtrag: Mein schwuler Bruder hat übrigens zur Landtagswahl in Berlin die AfD gewählt. Ich war auch ziemlich erschüttert und hätte ihm das nie zugetraut. Wir haben lange diskutiert und unsere Standpunkte ausgetauscht. Ich kann seine Beweggründe (die ich hier ansatzweise geschildert hab) durchaus nachvollziehen. Und wer einmal hier in Berlin unterwegs ist oder war, wird merken, was gerade an gewissen Brennpunkten los ist. Das bekommt man natürlich im Kaff auf dem Lande nicht mit. Da ist vielerorts noch heile Welt.

Und noch ein Punkt, den ich zwar themenmässig nicht passend, einfügen möchte. Mir ist aufgefallen, dass Frau Wagenknecht (ich gebs zu, ich bin ein Groupie) in fast jeder Talkshow meist sehr viel Applaus für ihre Thesen und Ansichten bekommt... zurecht. In meinen Augen ein Paradoxon, dass sie dann mit ihrer Partei um die 10% herumdümpelt. Falsche Partei? Ich will hoffen, dass sie eine neue Partei gründet, wie sie es vor hatte.
Sie hat jedenfalls einen guten Ansatz u.a., was die Flüchtlingspolitik angeht. Fluchtursachen bekämpfen. Und da sind wir uns hier doch wohl alle einig, nech?!?



Mein Beitrag kann Spuren von Ironie enthalten. Rechtschreibfehler sind ebenfalls nicht auszuschließen. ;)
Vieles zum Thema hab ich vielleicht auch vergessen. Kann sein, dass ich es noch nachhole.
Nichts ist so, wie es scheint.
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Grauer Wolf
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Grauer Wolf »

@Phönix75 Danke für Deinen informativen Beitrag. Ich stimme Dir insofern zu, daß die AfD in der Tat das Stemmeisen sein könnte, welches die all zu verkrusteten Strukturen der (west-)deutschen Politik aufbrechen könnte. Ich stimme Dir ebenfalls zu, daß diese Strukturen dringend aufgebrochen werden müssen. Nach Jahren des Stillstands und der Volksverarschung unter Kohl kamen nach einem kurzen Zwischenspiel des krassen Umbruchs unter Schröder weitere Jahre des Stillstands und Verarschung unter Merkel. Ja, die AfD könnte diesen Zustand in der Tat beenden.

Dumm halt nur, daß die AfD anschließend an der Macht wäre. Und hiervor graut mir ebenfalls. Denn die AfD will die guten, alten BRD Zeiten zurück -- die so aber nie existiert haben, sondern nur in den verklärten Erinnerungen.

Es muß sich endlich etwas bewegen in Deutschland. Die Richtung muß allerdings vorwärts sein. Die Politik muß sich endlich wieder an den langfristigen Interessen der Leute und weniger an den kurzfristigen Interessen der Wirtschaft orientieren. Ich glaube nicht, daß die AfD die richtige Partei für diesen Job ist. Die AfD wird uns alle noch viel mehr verarschen, als Kohl und Merkel.
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
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Pirat von Rhyolith
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Pirat von Rhyolith »

@Phönix75 Ich bin begeistert! Und das wolltest Du vor uns verheimlichen?

Du hast auf jeden Fall einen ganz großen Bogen gesponnen und weil ich hier grad daheim etwas eingespannt bin heute abend, kann ich mich grad auf nicht alles beziehen. Daher will ich
nur einen der zentralen Punkte herausgreifen, den auch Grauer Wolf schon angeschnitten hat:
Die These, dass die AfD notwendig ist um die verkrusteten Strukturen aufzubrechen.

Da ist vieles dabei, wo ich ganz bei Dir bin. Nicht unbedingt, dass man zum Strukturenaufbrechen die AfD bräuchte - da bin ich eher bei Grauer Wolf. Man könnte den selben Effekt auch mit einer für
die Gesellschaft weniger gefährlichen Partei erreichen (ähnlich wie Du es hast anklingen lassen hatte ich z.B. mal Hoffnung bei den Piraten, die dann in Enttäuschung umschlug). Denn die von Dir erwähnten Motive - Protestwählen, um verkrustete Strukturen aufzubrechen - haben historisch gesehen z.B. auch der NSDAP damals geholfen. Es gab damals mal eine Umfrage, bei der NSDAP-Wähler und-Mitglieder ihre Entscheidung dafür begründen sollten. Da kam das mit den verkrusteten Strukturen etc. sinngemäß auch sehr häufig vor.
Und es ist halt das Beispiel dann, wie es laufen kann: Plötzlich wird man die Geister, die man rief nicht mehr los und hat die Trümmerlandschaft. Daher kann ich die Bedenken von Grauer Wolf verstehen und teile sie.
Ich sehe es aber durchaus so, dass man den Einheitsbrei der letzten 18 Jahre (mindestens) dringend ändern sollte. Deswegen hats mich auch so aufgeregt, dass die Merkel jetzt doch wieder ihre GroKo hat. Meine Hoffnung wäre ja eine Minderheitsregierung gewesen, die hätte viel verändert, da bin ich sicher. Und es wäre der beste Weg gewesen, der AfD den Wind aus den Segeln zu nehmen, weil die Regierung dann wieder hätte ernsthaft arbeiten müssen. Ich denke mal, wir sind uns einig, dass die derzeitige GroKo bis zur nächsten Wahl die AfD eher stärken wird...

Die Frage bleibt halt, warum so viele sich dafür auf die AfD stürzen und nicht, wie Du es hast anklingen lassen, z.B. die Linke gewählt haben. Auch wenn ich vor allem die außenpolitischen Ansichten von Frau Wagenknecht nicht teile (anderes Thema, irgendwann mal), wäre das in meinen Augen eine wünschenswerte Alternative gewesen. Zumal die Linken auf viele der brennendsten Probleme im Alltag der Menschen die wahrscheinlich geeigneteren Antworten haben oder sich darum bemühen. Dieses Paradoxon verwirrt mich bis heute. Es ist eigentlich nur die logische Fortsetzung des komischen Wählerverhaltens vor der AfD - schon da wäre es eigentlich intelligenter gewesen mal mehr links zu wählen, aber der Wähler hat es zu oft nicht getan, gegen seine eigenen Interessen. Volker Pispers hat diesen Widerspruch früher immer sehr schön dargestellt.

Erstmal soviel dazu...da kommt die Tage noch mehr, wenn ich noch ein, zwei Mal durch Deinen Beitrag durchgegangen bin...sofern andere nicht schneller waren. :D
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Charlotte Sometimes »

Was hat denn der Gauland da jetzt schon wieder für einen Scheiss raus gehauen...
http://www.spiegel.de/politik/deutschla ... 10897.html
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Phönix75
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von Phönix75 »

@Pirat von Rhyolith

Sagen wir mal so... ich habe vieles diplomatisch formuliert. Schließlich wollte ich nicht irgendwelche Antifanten aus ihren Verstecken locken (ist schließlich ein frei einsehbarer Thread).

Und ja, man muss einen großen Bogen spannen, weil vieles in grauer Vorzeit begründet liegt und Wählerverhalten nunmal oft tiefer geht, als das bloße und blinde Setzen eines Kreuzes auf dem Wahlzettel. Ich greife an der Stelle auch gern nochmal deinen Einwurf und Frage auf, warum Wähler dann nicht eine der kleinen Parteien wählen. Das macht meiner Meinung nach absolut keinen Sinn. Wenn sich etwa 10 bis 12 % der Stimmen der AfD auf ein Dutzend kleine Parteien verteilt, dann hat jede Partei vielleicht im Schnitt 1% mehr, aber das weckt die Tiefschläfer da oben nicht auf. Und wer nimmt schon die Bibeltreuen Christen ernst und ist die APPD wirklich koalitionsfähig? ;) :lol:
Nichts ist so, wie es scheint.
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CharlotteSchlotter
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Re: AfD - und Gruftis

Beitrag von CharlotteSchlotter »

Ich stimme Phönix These zu, dass die AfD für viele das Ventil war, das Parteienestablishment aufzubrechen. Nachdem zumindest in der letzten Legislaturperiode im Parlament nicht mehr diskutiert wurde und die Opposition auf einer Linie mit der Regierung war, konnte man m.E. schon zeitweise Angst um die Demokratie bekommen.

Damit ist auch schon ein Teil der Frage geklärt, warum die Linke nicht als Protestpartei wahrgenommen wird, der man zutraut, die Verkrustung zu lösen: sie haben in der Opposition quasi nicht statt gefunden. Außerdem soll es auch Menschen geben, die sich daran stören, dass die Linke ihre Wurzeln in der SED hat. Interessant, dass sie trotzdem bedenkenlos als Alternative für eine Protestpartei genannt wird. In mein persönliches Wertesystem passt es jedenfalls nicht, Menschen zu wählen, die in der DDR fröhlich ein System gestützt haben, in dem der Staat auf seine eigenen Bürger schießt, diese bespitzelt und dumm hält. (Und bevor das Argument wieder kommt - ich weiß, in der CDU sind jede Menge Altnazis, aber auch die würde ich nicht wählen.)
Zumal die Linken auf viele der brennendsten Probleme im Alltag der Menschen die wahrscheinlich geeigneteren Antworten haben oder sich darum bemühen. Dieses Paradoxon verwirrt mich bis heute. Es ist eigentlich nur die logische Fortsetzung des komischen Wählerverhaltens vor der AfD - schon da wäre es eigentlich intelligenter gewesen mal mehr links zu wählen, aber der Wähler hat es zu oft nicht getan, gegen seine eigenen Interessen.
@Pirat von Rhyolith : Ich finde, du gehst hier viel zu sehr von deiner höchst subjektiven Meinung aus und unterstellst Leuten mit anderer Meinung (bzw. nicht linke Wählern) implizit dummes und irrationales Verhalten. Nur wenn man bereit ist, seine eigenen Ansichten nicht als Fakten zu sehen, hat man überhaupt die Chance zu verstehen, was andere bewegt ;)

Bleibt immer noch die Frage, warum ausgerechnet die AfD als Frustventil? In meinen Augen lässt sich das recht leicht beantworten. Die Linke spricht viele Menschen aufgrund ihrer Geschichte und politischen Agenda nicht an und hat sich in Regierungsverantwortung auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die FDP ist längst etabliert und neben der SPD Stütze von Mutti. Die Grünen sind ebenfalls Teil des verkrusteten Systems und haben, seit selbst die CDU Umweltschutz fordert, eigentlich kein Alleinstellungsmerkmal mehr. Bleiben kleine Parteien, die aber niemals die 5% Hürde nehmen werden und deren Wahl somit verpuffen würde. Die AfD ist relativ schnell in die Parlamente gekommen und die Etablierten haben sich davon treiben lassen. Damit hat der frustrierte Wähler doch schon ein wenig Genugtuung erhalten. Gleichzeitig ist klar, dass niemand mit der AfD koalieren wird und sie daher wohl nicht in Regierungsverantwortung kommt.

Somit sehe ich das Wählen der AfD ein wenig als Zündel in der leichtfertigen Annahme, dass ein Flächenbrand schon nicht ausbrechen wird.