Phönix75 hat geschrieben: ↑Dienstag 23. Juli 2019, 20:44
Ich denke, dass diese Schockphase der Gruftis auch deshalb vorüber ist, weil sich viel zu viele Menschen in Gleichgültigkeit (andere nennen es Toleranz) ergehen und es ihnen schlichtweg am Arsch vorbeigeht, ob Schwarze noch herausstechen oder nicht. Aufregungspotential gibt es heute an anderen Stellen... siehe links <--> rechts. Deshalb und sicher nicht unwahrscheinlich ist es auch ein Grund, warum sich die Schwarzen keine Mühe mehr geben, herauszustechen. Es gibt diesen Exhibitionismus-Effekt nicht mehr.
Zum anderen ist die Masse heute so gleichgeschaltet (auch nicht unerheblich durch Medien (TV/Radio/etc.), asozialen Medien etc.) dass man alte Traditionen kaum noch aufrechterhalten kann. Chic ist, was die Masse tut, trägt oder sagt. Da nehmen sich die Neo-Gruftis auch nicht aus. Vorallem weil sie auch nicht diesem ganzen Massenwahnsinn entfliehen wollen oder können. Und da die Gleichmacherei politisch vorangetrieben wird und auch wirkt, gibt es nur noch wenige, die irgendwas in Frage stellen oder gar Kritik am System generell äußern. Von daher wird jede Szene mehr und mehr verwaschen und letztendlich ein Einheitsbrei übrig bleiben, wo kaum noch erkennbar ist, wer was darstellen will oder wo man ihn zuordnen kann.
Klingt pessimistisch... nö, ist absolut realistisch. Die die damals noch die Szene groß gemacht haben, sterben genauso aus, wie die, die sich geschockt gezeigt haben. Da hat Grauer Wolf nicht unrecht. Die Weitergabe der Traditionen und der Denke von damals hat nicht stattgefunden. Und vielleicht ist es auch einfach so, weil sich irgendwann alles totgetreten hat und nur noch ein abgelutschter Abklatsch dessen ist, was bei den "Alten" noch im Kopf ist.
Vieles, was eigentlich mal so typisch Punk oder typisch Grufti war wurde ja auch in die Normalowelt integriert. Allein schon bei der Mode (das hatten wir ja schon mal) ist so viel in die Geschäfte der Buntwelt gewandert, dass es selbst mir manchmal weh tut. Wenn du nicht gerade in Hintertupfingen wohnst, dann interessiert sich doch keine Sau mehr dafür, wie andere Leute so herumlaufen. Tattoos, Piercings, Frisuren, zerrissene Klamotten, Lederjacke mit und ohne Buttons/Patches, alles egal, kennt man ja schon. Tragen andere Leute auch. Selbst pikeartige Schuhe habe ich neulich bei Deichmann im Regal stehen sehen (waren nur nicht so spitz), von Docs fange ich gar nicht erst an, die sind voll bei den Stinos angekommen. In den größeren Städten kräht halt kein Hahn mehr danach, wie du ausschaust. Hab ich am Wochenende zum Amphi in Köln ja selbst wieder gemerkt. Nicht einmal die Fast-Nackten aus dem Fetischbereich haben da auf dem Weg zum Festivalgelände irgendwie Aufmerksamkeit bei den Normalbürgern erzeugt. Außer vielleicht bei jenen, die ohnehin zum Zweck des Gruftitourismus am Rheinufer entlang spazierten.
Auf dem Dorf... ja, da schaut es schon wieder etwas anders aus. Da schaffe ich es teilweise selbst mit meinem einfachen Outfit argwöhnische Blicke auf mich zu ziehen. Aber nach meinen Erfahrungen hast du da in Sachen Schockmoment spätestens dann verloren, wenn irgendwo aus dem Hintergrund eine Dame mit Kopftuch auftaucht. Das Thema provoziert den einfachen Dorfling dann offenbar erheblich mehr, als Punks und Gruftis. nicht, dass ich noch besonders viel wert aufs Schockieren legen würde. Das ist mir inzwischen eh egal geworden.
Daher nochmal die Frage: Haben sich denn nur die Schwarzen dem "Rest" angepasst, oder nicht auch genauso der Rest den Schwarzen. Frei nach dem Motto: Wenn man irgendwie Geld damit machen kann sind wir auch total offen und tolerant und haben Platz für Punks, Gruftis und Artverwandte.
"Sowas kann doch nur Leuten einfallen, die in Assoziationsspielchen neben Hund, Katze und Maus auf "Hmm.... Schwingschleifer!" kommen, oder?" - Barlow