Für mich kann man "tiefgründig" sowieso schwer auf Menschen beziehen. Klar, es gibt tiefgründige Analysen und tiefgründige Diskussionen; auf Leute, die das viel machen, kann man zwar durchaus diese Bezeichnung übertragen, aber ich find das bestenfalls eine umgangssprachliche Lösung.
Meiner Meinung nach sind nicht gewisse Themen automatisch "tiefgründiger" als andere. Man drückt diese Bezeichnung ja gern philosophischen Fragestellungen auf, zum Beispiel, aber man kann imho sehr, sehr oberflächlich "philosophieren", genauso wie man über "banale" Themen sehr intensiv und tiefgreifend reden kann. Nehmen wir Kochen, meinetwegen. Das berührt Gebiete wie Physik, Chemie, Materialkunde (welche Töpfe sind wofür geeignet), Soziologie (wer kocht warum was), Biologie (welche Pflanzen/Tiere gedeien wo und wie formen sie die Küche einer Region) etc. pp. Eins der wichtigsten Bücher zu diesem Thema, das je geschrieben wurde, ist On Food and Cooking von Harold McGee; das Ding hat fast 900 Seiten, deckt trotzdem hauptsächlich nur den naturwissenschatlichen Aspekt ab, und selbst den leicht verständlich. Das könnte man noch viel, viel weiter ausloten, wenn man wollte.
Ich selber halte mich für recht oberflächlich, einfach weil mir das Wissen auf vielen Gebieten fehlt, um wirklich tiefschürfend Themen zu besprechen. Ich trau mich ja nicht mal zu behaupten, dass ich von Kunst viel verstehen würde, obwohl das ein lang gepflegtes Hobby von mir ist, weil ich immer wieder Leute treffe, die viel mehr Ahnung haben. Aber, um ehrlich zu sein, sehe ich da auch kein größeres Problem. Gibt halt immer Spezialisten, ich bin eher Generalist. Auch was feines.

Wobei ich natürlich Leute bewundere, die Ahnung haben, und ihnen auch gern zuhöre. Musikanalyse ist so ein Thema, zum Beispiel. Da gibt es wirklich tolle Videos dazu (in dem Fall sind Videos tatsächlich besser geeignete als Texte), ich kann den Leuten irgendwie schon folgen, aber ihre Methoden selber anwenden? Das könnte ich nie.
Und wenn Musik in der Schwarzen Szene eine so gigantische Rolle spielt, diese Musik aber meistenteils nur unter "gefällt mir" oder "gefällt mir nicht" abgeheftet wird, ohne groß den kompositorischen Hintergrund zu betrachten ... dann find ich das eben auch recht oberflächlich. Was nichts schlimmes ist! Manchmal reicht es vollkommen, wenn einem etrwas gefällt. Oder wenn einem etwas schmeckt, um wieder die Kurve zum Kochen zu kriegen.
Mit ein bisschen gutem Willen kann ich noch Ausflüge ins Unbekannte und Verborgene als "tiefgründig" sehen; Tiefenpsychologie und so. Das ist aber extrem schwer zugänglich, eben weil so viel davon unbewusst abläuft. Sich selber einzugestehen, dass viel seiner eigenen Persönlichkeit außerhalb der eigenen Kontrolle liegt, ist nun mal ein wenig unangenehm ...
Und jetzt bin ich mal gespannt, wie das von anderen gesehen wird.
