Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
blacksister´s ghost

Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von blacksister´s ghost »

@Graphiel

So wie´s oben steht. Richtung Gothic Lollita. Oder auch vikt. Picknick. Halt von oben bis unten voll mit Rüschen und Kram. Mein Gedanke war auch mehr Richtung Frauenkleidung und nicht Männer bzw. Graf Dracula.
Sowas halt oder sowas oder so. Von mir aus auch das.
Wenn ich an meine Zeit in den 90ern zurück denke, dann gab´s sowas in dem Ausmaße nich. Also Männer in Rüschenhemden schon, aber solche Gräfin Cosel Verschnitte. Die Frauen waren von oben bis unten voll Samt. Es wurde Leder getragen, lange Mäntel, Netz oder eben schlichtes Schwarz. Das sind zumindest meine Eindrücke, die ich in freier Wildbahn gemacht hab oder eben in Form von Bildmaterial. Sei es in Katalogwerbungen, wie sie in Orkus und Sonic Seducer zu finden waren oder Festivalbildchen. Dieser Rüschenboom ist für mich ein Phänomen der 2000er....also dieses richtig extreme.
Und weil Tilo Wollf als Beispiel kam, bei dem vermisse ich dieses Aufgehübsche sogar. Der war in den 90ern ein heißer Feger, wenn ich das mal so sagen darf.
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Der_Kater
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von Der_Kater »

Vielleicht ist es wie mit dem Phönix - kein Anfang und kein Ende. Veranstaltungen wie das WGT in Leipzig sind durchaus wichtig, denn sie rufen in Erinnerung, diese Kultur oder Subkultur ist existent und hat ihre Berechtigung. Mag man persönlich auch dort in Sachsen, oder wo auch immer, nicht zugegeben sein. Ehedem fand das Treffen in Cologne auf der Domplatte statt. Natürlich viel kleiner und eher improvisiert. Einmal wurden die Schwarzkittel von Hooligans durch die Stadt gejagt. Ähnliches geschah im Umfeld der legendären Dunkel-Disko MEMPHIS (R.I.P.) in DO, wo Faschos den Eingang belagert hatten und Gruftis klatschen wollten. Wobei die Schwarze Szene ja in der Regel unpolitisch war. Die Tanzfläche des Memphis war beweglich, was bei hohem Alkoholkonsum aus verständlichen Gründen Probleme bereiten konnte. Nachfolger des Memphis wurde mehr oder weniger das ZWISCHENFALL (R.I.P.) in BO (seufz)... derartige Szene-Läden waren und sind wohl unabdingbar für eine Subkultur. Deshalb ist es auch sehr wichtig, sich für den Erhalt solcher Szene-Lokale einzusetzen und sie zu unterstützen.
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Graphiel
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von Graphiel »

@blacksister´s ghost

Ok, dann bin ich wieder im Bilde. Ja, bei dem Lotitakram, aber auch der viktorianischen Mode gebe ich dir recht. Man könnte vielleicht sagen, dass gewisse Grundelemente wie eben das Rüschenhemd zwar schon vorher Bestandteil der Szene waren, diese einzelnen Elemente nach der Jahrtausendwende aber stark ausgebaut wurden. Was speziell den Lotitakram angeht, so würde ich hier das steigende Interesse einiger Szenegänger der 2000er an der japanischen Kultur, besonders in Sachen Animes und Mangas verantwortlich machen.

Ich würde die Aussaat dieser heutigen Stilblüten jedoch schon in den 90ern, genauer gesagt: Den mittleren bis späten 90ern ansiedeln wollen und ihn mit dem Abflachen der ursprünglichen musikalischen Einwirkungen in Verbindung setzen. Denn zu dieser Zeit fing es meinen bisherigen Recherchen nach damit an, dass der Szene langsam der musikalische Grundpfeiler an der Oberfläche wegbröckelte, während die Medien gleichzeitig einst szenefremde Musik nachschoben. Szenegänger die sich bis dahin also noch eher an musikalischen Vorbildern orientierten und ihre Subkultur durch mal mehr mal weniger übersinnlichen Firlefanz erweiterten, begannen nun damit sich neue Inspirationsquellen, so eben auch Filme zu suchen, während Neueinsteiger gleich damit anfingen. Aus einigen Erzählungen und Interviews geht auch hervor, dass manche Leute damals von den ehemals typischen Einstiegsbands wie The Cure, oder Christian Death die Nase ohnehin gestrichen voll hatten und sich nach neuer Musik sehnten. Andere Bands wie Lacrimosa experimentierten trotz eigener Vorbehalte dann mit Stilelementen aus dem Metal herum oder lösten sich ganz auf. Wieder andere Bands drangen dagegen gar nicht mehr weit genug bis an die Oberfläche und mussten sich letzten Endes dort gegenüber neuen Spielarten wie der NDH geschlagen geben, was durch die musikalischen Szenemagazine (Sonic Seducer, Zillo und Orkus) zum Ende der 90er auch noch befeuert wurde. Während also Goth(ic) aufgrund fehlender musikalischer Orientierungspunkte ganz allmählich in den Hintergrund rückte, verblieb lediglich der ursprüngliche, britische gothic-Begriff (das Adjektiv, bzw. die Stimmung), gewann zunächst erheblich mehr an Bedeutung und überholte Goth(ic) letzten Endes komplett, sodass wir ab da eigentlich schon nicht mehr nur von einer reinen Goth(ic)-szene sprechen können. Allerdings vermischte er sich dabei zu allem Überfluss wohl auch ein Stückweit mit dem Partygeist der bunten 90er Spaßgesellschaft. Was ich rückwirkend betrachtet als höchst bedauerlich empfinde, da es unter anderem genau dieser dümmlich- dauerfröhliche Partygeist war, der mich noch in den frühen 2000ern frustriert aus der bunten Party-Party-saufen-saufen-Welt vertrieb. Was dann ab den 2000ern passierte ist in meinen Augen daher letzten Endes nur noch die mal mehr, mal weniger konsequente Fortsetzung dessen, was ab der zweiten Hälfte der 90er ausgesät wurde. Oder wie es mal Jemand in einem Kommentar schrieb: Wenn die 2000er die Krankheit der Szene waren, so waren die Mitt- bis Spätneunziger die Infektion. ;)

Ich finde aber auch, dass man den Fokus nicht nur ständig auf die augenscheinlich fröhliche schwarzbunte Oberfläche legen sollte. Tief unterhalb dieser oft sehr merkwürdigen Oberfläche schlug das ursprüngliche schwarze Herz in alle den Jahren schließlich stets tapfer weiter. Auch im Bezug auf neuer Musik. Sonst würden sich ja schließlich bis heute nicht auch immer mal wieder Schwarzkittel jüngerer Generationen auf die Wurzeln zurückbesinnen und die Oberfläche Oberfläche sein lassen. ;)
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von blacksister´s ghost »

Graphiel hat geschrieben: Dienstag 18. Mai 2021, 12:46 Ich finde aber auch, dass man den Fokus nicht nur ständig auf die augenscheinlich fröhliche schwarzbunte Oberfläche legen sollte. Tief unterhalb dieser oft sehr merkwürdigen Oberfläche schlug das ursprüngliche schwarze Herz in alle den Jahren schließlich stets tapfer weiter. Auch im Bezug auf neuer Musik. Sonst würden sich ja schließlich bis heute nicht auch immer mal wieder Schwarzkittel jüngerer Generationen auf die Wurzeln zurückbesinnen und die Oberfläche Oberfläche sein lassen. ;)
Hm...wo fang ich da jetzt an mit meinen Gedanken. Da ich jetzt schon davon ausgeh, dass das falsch verstanden wird, einfach nachfragen - ich bin aktuell in Sachen "Gedanken in Worte fassen" nich ganz auf der Höhe.
Meiner Meinung nach ist es aber genau das, was man sehr oft bekommt...die Oberfläche. Ich mein das noch nich mal böse und bezieh mich da einfach auf diesen Szenemischmasch, wie er halt nun mal da ist. So wie du ihn zu deinen Anfangszeiten durchschritten hast (nehme ich an, hab da sowas im Hinterstübchen) genauso wie ich ihn vor über 20 Jahren mitnahm. Ich hab das Gefühl, dass man kaum "tiefschwarz" findet. Dass es das noch gibt, steht außer Frage. Weißt du, dieses Schwarz wo man spürt, dass das Herzblut dran hängt. Dieses Schwarz was man (aus)lebt. In all den Facetten. Die Nostalgie nach "damals". Manchmal denk ich, dass ich in einer anderen Szenezeitepoche besser aufgehoben gewesen wäre. Ich hab das Gefühl, dass viele dieses bunte Potpourri mitnehmen, weil´s halt da ist. Was ja ok ist und nix negatives, aber es ist nich (mehr) meins - schon lange. Man hat ja als Mensch die Option sich weiterzuentwickeln und tut das auch, die meisten zumindest. Wenn ich mich aber so umseh, hab ich das Gefühl, dass viele sich in eine andere Richtung als ich weiterentwickelt haben, wenn überhaupt. Leute, die noch genauso wirken wie vor 10 oder 20 Jahren. Kennst du diese tiefe Sehnsucht nach deines Gleichen? Die nich enden wollende Suche danach?
Ich weiß nich ob allein die "neue Musik" (ich denke du beziehst dich damit auf Post Punk, Goth Rock...das typische "echte" Schwarz) seinen Teil dazu beträgt, dass einzelne Gestalten sich noch dahin verirren. Ich mein, Internet sei Dank ist heut für jeden das Zeug aus den 80ern und 90ern greifbar. Von allen Bands, auch denen, die es schon gar nich mehr gibt. Ich persönlich brauchte gar nich den neuen Kram um einen Bezug zu "damals" zu bekommen. Zudem denk ich, dass da halt auch sehr der eigene Geschmack mit rein spielt. Ich kann z.B. nix mit Christian Death oder Siouxsie Sioux anfangen (man möge mich von mir aus dafür steinigen).
Ich verlier mich grad in meinen Gedanken...lassen wir´s. Frag, wenn was unklar is ;)
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Graphiel
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von Graphiel »

Ich glaube ich kann dich sogar sehr gut verstehen, denn so ähnlich geht es mir dabei auch oft genug. Wenn ich mich mit Bekanntschaften unterhalte, welche die 90er oder gar die 80er Szenejahre noch mitgemacht haben. Wenn ich Bücher über diese Zeit lese, Beiträge bei Spontis oder alte Artikel. Ja, dann werde ich auch immer ein wenig wehmütig. Manchmal bedauere ich es dann zutiefst, dass ich nicht einige Jahre früher geboren wurde und so zu einer Zeit in diese schwarze Welt fand, bevor es zu einem Sammelsurium von unterschiedlichen Subszenen wurde. Von daher kann ich auch gut diese tiefe Sehnsucht nach Gleichgesinnten nachvollziehen, wie du sie beschreibst. Ich habe lange danach gesucht, bin letzten Endes sogar fündig geworden. Allerdings nicht unbedingt so, wie ich es mir anfangs gewünscht hätte. Dazu wäre dann halt doch eine Zeitmaschine notwendig gewesen. Ich bin trotzdem halbwegs fündig geworden. Nicht bei den großen Events, oder innerhalb von Zeitschriften wie dem Sonic Seducer. Auch nicht hier im Forum, sondern eben in den kleinen Nischen und Randbereichen des Szenelebens. Fern ab von dem schwarzbunten Gewimmel der Oberfläche. Und auch wenn ich manchmal nur mit großen und sehnsüchtigen Augen und Ohren daneben stehen kann (weil eine Reise durch die Zeit ja nicht möglich ist um es selbst miterlebt zu haben), so fühle ich mich den älteren Generationen Schwarz inzwischen deutlich mehr verbunden, als wie den typischen EMP-Schwarzen aus meiner eigenen Generation. Gleichzeitig erinnert mich diese ältere Generationen aber auch oft daran, dass damals eben auch nicht alles super lief. Siehe dazu auch die kurzen Anmerkungen von @Der_Kater und seinen Erlebnissen mit den Faschos. Solche Berichte kenne ich auch aus meinem Bekanntenkreis und die zeigen mir bei allem Unsinn der heutigen Zeiten doch auch, dass sich zumindest ein paar kleine Dinge zum positiven geändert haben. Oder wurdest du in den letzten 10-20 Jahren mal stark für deine Optik angefeindet? Also ich zumindest nicht. ;)
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

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Sicher, im Vergleich zu damals lebt man als Schwarzer heute schon ruhiger. Und so beschissen solche geschilderten Erlebnisse sein mögen, aber das sind doch solche Momente, wo man mit anderen da sitzt und sagt "weißt du noch, damals....? Solche Nostalgiemomente. Ich persönlich liebe solche Momente.
Es gibt ja viele, zumindest hab ich das hier im Forum raus gelesen, die damit kein Problem haben allein loszuziehen bzw. das auch viel lieber machen. Aber mit wem erlebt man was und teilt dann diese Momente? Verstehst du was ich mein? Ich persönlich wöllt sowas gar nich missen.
Weil du das Forum zur Sprache brachtest...ich bin momentan oft am überlegen, ob das Internet überhaupt der richtige Anlaufpunkt ist, um Menschen kennenzulernen. Sicher macht es vieles einfacher, aber unterm Strich. Ich weiß noch, dass ich hier im Forum für meine Aussage (sinngemäß), dass ich das Internet nich als "real" betrachte, ausgelacht wurde, bzw. doofe Kommentare bekommen hab. Sicher sind das im Internet alles echte Wesen und keine KI´s, aber wenn ich den Rechner ausmach, sind die weg aus meinem "richtigen" Leben. Was bringt mir also das Internet? Nix! Man existiert doch nur in diesem Kasten zusammen. Ist doch total sinnlos...
Zwecks EMP...die würde ich ehrlich gesagt noch nich mal so sehr verteufeln wollen. Die hatten damals gute Sachen. Vor 15 bis 20 Jahren bekam man noch tolle Samtklamotten von Alcatraz Clothing. Ich hab dort paar mal gekauft gehabt. Genauso wie Nuclear Blast. Wenn ich mich nich irre hatten die die Samtklamotten von Laughing Vampire. Ich hab das Zeug jetzt noch im Schrank. Gut ich hab´s auch nich in dem Sinne abgetragen, es ist aber auch nich nach 2 mal anziehen auseinander gefallen.
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von Graphiel »

blacksister´s ghost hat geschrieben: Mittwoch 19. Mai 2021, 17:39 Sicher, im Vergleich zu damals lebt man als Schwarzer heute schon ruhiger. Und so beschissen solche geschilderten Erlebnisse sein mögen, aber das sind doch solche Momente, wo man mit anderen da sitzt und sagt "weißt du noch, damals....? Solche Nostalgiemomente. Ich persönlich liebe solche Momente.
Das kann ich absolut nachvollziehen. Ich liebe es auch davon zu hören oder zu lesen, weil da einfach spürbar wird wie solche Situationen die Leute damals zusammengeschweißt haben. Ich liebe sie nur eben auch dafür, dass mir diese Momente über dieses Nostalgische hinaus auch zeigen, dass wir heute (wie du so schön sagst) in vergleichsweise ruhigen Zeiten leben. Heute müssen wir dagegen andere, eigene Nostalgiemomente finden. Aber das geht halt kaum von zu Hause aus. ;)
blacksister´s ghost hat geschrieben: Mittwoch 19. Mai 2021, 17:39
Es gibt ja viele, zumindest hab ich das hier im Forum raus gelesen, die damit kein Problem haben allein loszuziehen bzw. das auch viel lieber machen. Aber mit wem erlebt man was und teilt dann diese Momente? Verstehst du was ich mein? Ich persönlich wöllt sowas gar nich missen.
Auch das kann ich absolut nachvollziehen. Ich hatte über viele Jahre das Problem, dass ich mir einfach nicht vorstellen konnte alleine loszuziehen und habe damit sicherlich meinen tieferen Einstieg jenseits der schwarzen Oberfläche unnötig hinaus gezögert. Ich habe eine ganze Weile gebraucht, bis ich mich dazu überwinden konnte alleine loszuziehen, aber es hat sich letzten Endes gelohnt. Inzwischen habe ich ein paar großartige Menschen in meiner heutigen Lieblingslocation kennen gelernt und halte auch während Corona den Kontakt mit ihnen aufrecht. Aktuell machen wir ausgiebige Spaziergänge über Friedhöfe, tauschen uns über alte und neue Musik aus, oder wir fiebern dem Ende von Corona entgegen damit wir wieder raus auf die Tanzfläche können. Also ja, ich verstehe absolut was du meinst.
blacksister´s ghost hat geschrieben: Mittwoch 19. Mai 2021, 17:39
Weil du das Forum zur Sprache brachtest...ich bin momentan oft am überlegen, ob das Internet überhaupt der richtige Anlaufpunkt ist, um Menschen kennenzulernen. Sicher macht es vieles einfacher, aber unterm Strich. Ich weiß noch, dass ich hier im Forum für meine Aussage (sinngemäß), dass ich das Internet nich als "real" betrachte, ausgelacht wurde, bzw. doofe Kommentare bekommen hab. Sicher sind das im Internet alles echte Wesen und keine KI´s, aber wenn ich den Rechner ausmach, sind die weg aus meinem "richtigen" Leben. Was bringt mir also das Internet? Nix! Man existiert doch nur in diesem Kasten zusammen. Ist doch total sinnlos...
Ich würde das Internet pauschalg gar nicht so verteufeln. Wie du schreibst bietet es einen guten Anlaufpunkt um überhaupt erst einmal Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Schwarzkitteln auszutauschen. Besonders wenn man das Pech hat in seinem Umkreis der einzige zu sein und auch sonst keine Möglichkeit hat irgendwie raus zu kommen. Also raus im Sinne von gemütlich gruftigen Locations, oder Treffpunkte mit anderen, ähnlich tickenden Leuten aus der Szene. Gleichzeitig sehe ich inzwischen aber auch die Nachteile von dem ganzen Kram. Gerade die Möglichkeit sich mit X weiteren, ähnlich gestrickten Menschen nur noch in der eigenen kleinen Bubble aufzuhalten birgt in meinen Augen ein großes Risiko. Der Echokammer-Effekt wird hier in meinen Augen oft viel zu sehr unterschätzt und sorgt dafür, dass sich die eigene Weltsicht immer weiter verengt. Das ist mir gerade in der Zeit der harten Lockdowns und des Berufsverbotes (Als die Schulen dicht waren und ich daheim saß) auch zunehmend bei mir selbst aufgefallen. Dabei versuche ich mich normalerweise schon möglichst breit gefächert zu informieren und verschiedene Blickwinkel und Ansichten zu betrachten.
blacksister´s ghost hat geschrieben: Mittwoch 19. Mai 2021, 17:39
Zwecks EMP...die würde ich ehrlich gesagt noch nich mal so sehr verteufeln wollen. Die hatten damals gute Sachen. Vor 15 bis 20 Jahren bekam man noch tolle Samtklamotten von Alcatraz Clothing. Ich hab dort paar mal gekauft gehabt. Genauso wie Nuclear Blast. Wenn ich mich nich irre hatten die die Samtklamotten von Laughing Vampire. Ich hab das Zeug jetzt noch im Schrank. Gut ich hab´s auch nich in dem Sinne abgetragen, es ist aber auch nich nach 2 mal anziehen auseinander gefallen.
Kann ich gar nicht so sehr beurteilen. Selbst früher habe ich nur selten mal etwas beim EMP bestellt, da vieles halt gesalzene Preise hatte. Außerdem fand ich es damals unnötig kompliziert Klamotten (mal von Shirts in Einheitsgrößen abgesehen) zu bestellen und dann wieder zurück schicken zu müssen, weil sie nicht passten. Zumal ich in Bielefeld die Undergrond Factory (kleiner Szeneshop) fast vor der Tür hatte und dort Teile direkt anprobieren konnte. Daher waren Klamottenkäufe beim EMP oft auch einfach nicht nötig.
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von blacksister´s ghost »

Graphiel hat geschrieben: Mittwoch 19. Mai 2021, 19:54 Heute müssen wir dagegen andere, eigene Nostalgiemomente finden. Aber das geht halt kaum von zu Hause aus. ;)
Das funktioniert sogar auch. Also eigene finden. Wobei solche Nostalgiemomenta ja nich zwangsläufig mit Szeneerlebnissen verbunden sein müßen.
Ich würde das Internet pauschalg gar nicht so verteufeln. Wie du schreibst bietet es einen guten Anlaufpunkt um überhaupt erst einmal Kontakte zu knüpfen und sich mit anderen Schwarzkitteln auszutauschen. Besonders wenn man das Pech hat in seinem Umkreis der einzige zu sein und auch sonst keine Möglichkeit hat irgendwie raus zu kommen. Also raus im Sinne von gemütlich gruftigen Locations, oder Treffpunkte mit anderen, ähnlich tickenden Leuten aus der Szene. Gleichzeitig sehe ich inzwischen aber auch die Nachteile von dem ganzen Kram. Gerade die Möglichkeit sich mit X weiteren, ähnlich gestrickten Menschen nur noch in der eigenen kleinen Bubble aufzuhalten birgt in meinen Augen ein großes Risiko. Der Echokammer-Effekt wird hier in meinen Augen oft viel zu sehr unterschätzt und sorgt dafür, dass sich die eigene Weltsicht immer weiter verengt. Das ist mir gerade in der Zeit der harten Lockdowns und des Berufsverbotes (Als die Schulen dicht waren und ich daheim saß) auch zunehmend bei mir selbst aufgefallen. Dabei versuche ich mich normalerweise schon möglichst breit gefächert zu informieren und verschiedene Blickwinkel und Ansichten zu betrachten.
Den Link schau ich mir mal in Ruhe an.
Irgendwie stell ich mir das schwer vor, dass das wirklich funktionieren kann, dass man nur mit seines Gleichen zu tun hat. Würde in vielen Fällen berufsbedingt doch gar nich klappen, dass man keine anderen Eindrücke ect. aufsaugt.

Ich will das Internet auch nich unbedingt verteufeln. Meine Zeit im Pott hab ich einer Internetbekanntschaft zu verdanken und ich bin da dankbar drüber. Ich seh es aber als Glücksfall. Und mit ihr hab ich sogar so einen "Weißt du noch...? -Moment". Das wirkliche Leben, wie man auch deinem Beitrag wunderbar entnehmen kann, findet nun mal da Draußen statt und die Welten vermischen funktioniert nich immer. Irgendwie ist das doch sinnbefreit und ermüdend. Damals ging´s doch auch irgendwie, ohne Internet.
Aber wir schweifen ab...
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Der_Kater
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von Der_Kater »

Ein Rüschenhemd hatte ich auch mal. In einem urigen Lädchen an der Mosel ergattert. Jemand meinte, ich sähe darin aus wie Angelo Kelly. Seitdem ist es irgendwie verschollen. Die Echokammer könnte unter gewissen Umständen vielleicht ein Problem werden. Ein gutes Gegengift ist wohl Humor, sich selber und seine Sache nicht allzu ernst nehmen. Toleranz und Sinn für Pluralität, sollte einem selber diese auch nicht immer entgegengebracht werden. Im Prinzip ist das Leben doch ein einziger Witz. Unsere Existenz, das System, in dem wir leben. Die Diskussionen über echt und unecht, true usw. ist so alt wie Onkel Fester Addams. Vermutlich gibt es gar keine zufriedenstellende Antworten. Sollte ich mich für genuin szenekompatibel halten, komme ich eventuell schnell in diese bürgerliche Denkweise, denn ich stecke ja andere in eine Schublade. Und der Widerstand gegen die Philister, wider der Spießigkeit, das Anderssein, war doch auch immer eine Intention der Schwarzen Szene. Die Menschen verändern und wandeln sich. Natürlich muss das aber nicht heißen, jemand muss deshalb seine Einstellung oder sein Äußeres auch verändern. Schließlich schlägt das rot pochende Mittendrin den Takt. Und so ist man, was man ist. Man liebt das, was man ist und was man tut - eine Wahl hat man unter diesen Umständen eh nicht wirklich.
Ehedem kannte ich einige Leute, für die ihre schwarze Kluft eine Art Schutz war. Ohne diese fühlten sie sich nackt und verletzlich. Mitsamt der täglichen bzw. nächtlichen Dose Haarspray, Schminke, Nagellack usw. So gab und gibt es bis heute einige, die ohne das Lebensgefühl und die Klischees nicht leben können. Ob sie ohne dies zu Staub zerfallen würden, weiß ich nicht genau. Ich glaube, ja.
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Re: Wie wichtig ist der Szene-Ursprung noch?

Beitrag von blacksister´s ghost »

Der_Kater hat geschrieben: Donnerstag 20. Mai 2021, 11:18 Ehedem kannte ich einige Leute, für die ihre schwarze Kluft eine Art Schutz war. Ohne diese fühlten sie sich nackt und verletzlich. Mitsamt der täglichen bzw. nächtlichen Dose Haarspray, Schminke, Nagellack usw. So gab und gibt es bis heute einige, die ohne das Lebensgefühl und die Klischees nicht leben können. Ob sie ohne dies zu Staub zerfallen würden, weiß ich nicht genau. Ich glaube, ja.
Ich stelle mir gerade die Frage, ob das Schwarze nich manchmal sogar eine Art Flucht darstellt.
Persönlich kann ich nachvollziehen, was all das in einem bewirkt und weiß aus eigener Erfahrung, dass man nicht zu Staub zerfällt, wenn man mal nicht her gerichtet ist :lol:
Aber es kann viel mit einem machen.
Dieses Gefühl von Schutz kenn ich aus meiner Teeniezeit. So gesehen eigentlich Schwachsinn, aber vom Kopf her funktioniert das ganz gut, dass es einem einen gewissen Schutz und Sicherheit gibt. Selbst das herrichten kann was therapeutisches haben. Ich besteh ja nun auch ganz gern aus viel Make Up und Haarspray und es kann echt Balsam für die Seele sein. Vll. weil man sich einfach selber was Gutes tut, keine Ahnung. Davon mal ab hab ich aber auch Freude dran mich herzurichten und zelebriere es sogar richtig, wenn ich wirklich Zeit hab.
Und irgendwie gehört dieser Kram ja auch zu einem. Gerade was Lebensgefühl ect. betrifft, so ist es ja eine Sache, die in einem drin steckt. Persönlich find ich das seltsam, wenn Menschen ihr Schwarz einfach so ablegen. Es gab ja einst Beweggründe, warum man sich dem zuwand. Man macht´s ja nich aus lieber Langeweile, weil man grad nix zu tun hat.