Was ist ein Carnival Goth?

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
Archy
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Archy »

Um Farbe, weil dies mit thematisiert wurde, geht es gar nicht Mal so sehr, zumindest mir. In den 90ern fand ja durchaus auch noch Farbe seinen Platz, wie auch heute noch im death rock. Schaut die Leute doch an, wie bunt sie teilweise von Kopf bis Fuß sind. Ich sehe den Knackpunkt in der sinn- und Ernsthaftigkeit solcher Spielereien wie Steampunk oder Clown Gothen. Realitätsflucht schön und gut, aber dann doch endlich Mal auf eigener Spielwiese. Nur weil's da vll. Parallelen gibt... :roll:
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Evanahhan
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Evanahhan »

@Archy Steampunk ist durchaus eine eigenständige Szene mit eigenen Festivals. Die gehen zwar auch gerne aufs WGT, aber da ist ja eh alles vertreten.
Zumindest sind die ja sehr kreativ, basteln an ihren Erfindungen oder Kostümen, das finde ich schon bemerkenswert. Wenn es auch nicht meine Welt ist, aber eine gewisse Faszination hat es schon.
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Graphiel
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Graphiel »

Phönix75 hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 11:31 Was man aber machen kann... sich davon distanzieren, es ablehnen und es einfach außen vor lassen. Das hat die ursprüngliche Goth-Szene leider verpasst, weil man sich ja so edel tolerant geben wollte.
Ja, auch. Ich finde aber das ist noch zu kurz gegriffen. Ich fürchte aber auch der Szene ist der eigene Überdruss an bestimmten musikalischen Stilen (auch auf Seiten der Künstler) auf die Füße gefallen. Musik war immer eine wichtige Säule der Schwarzkittel und die brach in ihrer ursprünglichen Form zur Jahrtausendwende mehr oder weniger in sich zusammen. Oder besser gesagt: Etablierte Künstler, die stets als eine Art Identifikationsfiguren herhielten zeigten der Szene, dass Kunst nicht eingesperrt werden will und experimentierten mit teils völlig szenefremden Stilen herum. So wurden letzten Endes dann ja beispielsweise auch die Metal- und die Gothicszene an einander gedrückt und es gingen Stile wie der Gothmetal daraus hervor. Das war zwar nur eine eher kurze Momentaufnahme, doch es reichte aus um für Folgebands den Weg zu ebnen, der letzten Endes in das mündete, was heute als Dark-Rock bekannt ist. Stilistisch eigentlich mehr Metal, aber thematisch oft genug mit Themen und Stimmungen aus dem Gothic angereichert. Und das wiederum spiegelte sich dann eben auch in der Anhängerschaft wieder. Musik, bzw. Künstler und Szenegänger wechselwirken halt auch stets miteinander, auch wenn das nicht immer ganz nach unserem Geschmack ist. Ein anderes bekanntes Beispiel wäre da etwa Marylin Manson. Wer diesen Typen (jetzt mal nur musikalisch) zum Teufel wünscht sollte sich am besten bei Rozz Williams bedanken. Laut Mansons eigenen Aussagen war es hauptsächlich Rozz Williams, der Manson zu dem Kram inspirierte den er so trieb und der in die Szene eingespült wurde. Manson hatte dann seinerseits wiederum einen großen Eindruck bei Chris Harms hinterlassen, was man in den frühen Stücken von Lord of the Lost auch noch sehr deutlich raushören kann.

Es ist halt leider nicht ausschließlich so, dass einfach nur irgendwelchen geldgeilen Musikindustriellen hinter einer Hecke hervorsprangen und überall in der Szene ihren Stempel draufdrückte. Das ganze ist viel dichter in einander verwoben, als es einem lieb sein kann. Wie du ganz richtig schreibst hat da auch die Szene selbst ihren Anteil dran gehabt, indem man sich vor lauter Toleranz nie wirklich Grenzen setzen wollte. Weder optisch, noch thematisch, noch musikalisch.
Phönix75 hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 11:31 Alles wird willenlos hingenommen und sollte es Leute geben, die leise Kritik äußern, darf man sich ganz schnell den Stempel "Nazi" oder dergleichen abholen. Mich macht sowas müde. *gähn*
Oh ja, der Elitistenjoker. Glaub mir der geht mir inzwischen auch oft genug auf den Wecker. Ernsthafte Versuche mit Menschen, die sich selbst den Goth-Stempel aufgedrückt haben werden da oft schon im Ansatz erstickt. Warum weiß ich nicht, ich vermute die Leute fühlen sich da irgendwie in ihrer Identität angegriffen oder so. Aber es gibt auch Ausnahmen. Ich erinnere mich da an einen sehr schönen Fall, wo eine Dame die sich zunächst selbst als Lolita-Goth betitelte am Ende einsah, dass ihre Art zu leben mit Goth nix zu tun hat, sondern unter darkly inclined verordbar ist. Die hat sich am ende sogar bei mir bedankt.
Archy hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 11:45 Realitätsflucht schön und gut, aber dann doch endlich Mal auf eigener Spielwiese. Nur weil's da vll. Parallelen gibt...
Diese Spielwiesen gibt es doch. Du hast zum Beispiel Steampunk erwähnt. Steampunk ist eine völlig eigenständige Szene, die mit Goth GAR NICHTS zu tun hat. Die haben in Amerika sogar ihre eigenen Festivals. Da gibt es beispielsweise das Burning man Festival. Steampunks haben ja auch keine spezifische Musik, der sie anhängen oder so. Viele der deutschen Steams (k.A ob die sich so abkürzen) haben das offenbar nur nicht verstanden, oder sind nicht zahlreich genug um eigene Feste zu veranstalten. Da gibt es dann einzelne Märkte oder so, aber von mehr wüsste ich da nicht. Und genau das ist meiner Meinung nach der Grund weshalb sie in Deutschland mit in der schwarzen Szene hocken. Sie versammeln sich da halt, um nicht so allein zu sein. Das macht sie aber nicht zu Goth, Gothics, oder sowas. Genauso wenig wird doch ein Gruftie zum Steampunk, nur weil er es toll findet sich ein Zahnrad an die Lederjacke zu kleben. Streng genommen sind Steampunks in der schwarzen Szene also nichts anderes als Gäste. Wobei ich aber auch nicht ausschließen will, dass es auch Goth geben könnte, die sich nebenbei etwas für Steampunk interessieren und somit quasi Steampunk-inclined sind, wenn man so will. ;)

Edit:
@Evanahhan war schneller
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Evanahhan
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Evanahhan »

Graphiel hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 13:17 Die haben in Amerika sogar ihre eigenen Festivals.
Die haben sogar in Deutschland ihre eigenen Festivals. ;)
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Graphiel »

Evanahhan hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 14:37 Die haben sogar in Deutschland ihre eigenen Festivals. ;)
Ok, das wusste ich nicht. Wieder was dazu gelernt ;)
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Archy »

Graphiel hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 14:41
Evanahhan hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 14:37 Die haben sogar in Deutschland ihre eigenen Festivals. ;)
Ok, das wusste ich nicht. Wieder was dazu gelernt ;)
Jupp...hier im Ort ist auch ein Mal im Jahr ein Steampunk treffen. Von daher ist mir das schon bewusst, dass die ihr eigenes Ding machen. Vergleichbar mit dem Mittelalterkram. Sie bleiben aber nicht auf ihrer Wiese und das bildet für mich das Problem. Während ich mit Mittelalter ja noch klar komme, da für mich die Thematiken eher mit der schwarzen Szene harmonieren, bekomm ich bei Steampunk Stirnenrunzeln, sobald ich das auf schwarzer Seite sehe. Und unser einer weiß vll. dass das was komplett anderes ist, aber Lieschen Müller, die verkleiden liebt, haut alles in einen Topf, weil die Steampunker laufen ja auch auf dem vikt. Picknick rum und das ist ja das WGT 😉. Kann man mir folgen? Die Verwässerung entsteht nicht nur, weil die Schwarzen alles akzeptieren, sie entsteht auch weil viele unwissende Leute mitspielen. Zumindest empfinde ich das so.
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Eddie Winkler »

@Graphiel :
Ich selbst bin mit dem Begriff auch arg unglücklich, eben weil es mehr schwarze Szene als Goth ist, ich bevorzuge "Dark Circus", ein Begriff, der leider nicht all zu gängig ist.

Der Bezug zur Gothic-Szene ist recht gering, das stimmt (leider, ein "wenig" mehr Post-Punk, Wave, Gothic-Rock und co. könnte nicht schaden).
Ich selbst setze das auch oft im Alltag um, eben wenn ich Lust darauf habe. Die "light-Variante" ist nicht weniger alltagstauglich als Goth (einfach ein T-Shirt mit passendem Motiv, eine breit gestreifte Hose dazu und typische alternative Accessoires wie Nietenarmbänder, gestreifte Stulpen, „Geldbeutelketten“, gerne auch mit Würfeln…), wobei ich gern lieber mit Weste, Hemd und co. auf's Ganze gehe
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Grauer Wolf »

Archy hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 16:12 Während ich mit Mittelalter ja noch klar komme, da für mich die Thematiken eher mit der schwarzen Szene harmonieren, bekomm ich bei Steampunk Stirnenrunzeln, sobald ich das auf schwarzer Seite sehe.
Tja. Mir geht es genau umgekehrt. Mir läuft es alleine schon beim Begriff »Mittelalter« eiskalt den Rücken runter. Und bei der Musik erst recht. Ich sehe da keinerlei Schnittmenge zu Goth, Post-Punk oder New Wave.

Steampunk ist übrigens auch ein »Musikgenre«. Aber wie beim japanischen »VIsual Kei« bezieht sich das Genre eher auf die Kostüme und Instrumentierung und weniger auf den musikalischen Stil.

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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Archy »

Auf Grund der Thematik mit dem Tod, durch Pest ect., sehe ich für mich da eine Verbindung. Ich weiß, dass gerade auf den Märkten die Darstellung etwas realitätsfremd ist. Allein durch die Samtrobe, die manch Besucher trägt. Nicht jeder ist da dem eigentlichen Mittelalterbild treu.
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Re: Was ist ein Carnival Goth?

Beitrag von Graphiel »

Grauer Wolf hat geschrieben: Donnerstag 28. Juli 2022, 22:17 Und bei der Musik erst recht. Ich sehe da keinerlei Schnittmenge zu Goth, Post-Punk oder New Wave.
Ich fürchte das haben zum Teil auch schon die 90er Szenejahre "verbrochen", oder zumindest haben sie anteilig den Weg dafür geebnet. Ich habe hier beispielsweise noch eine alte Zillo-CD von 1993 rumfliegen, die ich mal geschenkt bekam. Neben absolut szenekonformer Musik wie Girls Under Glas befindet sich auch Qntal auf der Scheibe. Die experimentierten zu dieser Zeit auch schon mit mittelalterlichen Elementen herum, wenn auch nicht so ausgeprägt wie in späteren Jahren. Oder nehmen wir eine meiner wirklichen Lieblinge, die noch in den 90ern groß wurden: Faith & The Muse. Die brachten es bis zum Schluss fertig auf ihren Alben erst einen knackig, knalligen Post-Punk/Gothic Rock Song auf die Bühne zu feuern und dann im nächsten Atemzug eine volkloristische Nummer abzuliefern, der man eigentlich nur noch einen Dudelsack hätte hinzufügen müssen um bei einem beliebigen "mittelalterlichen" Stück zu landen. Also ja: Direkte Schnittmengen sehe ich da auf den ersten Blick auch nicht, von hinten rum durch die Brust ins Auge gibt es sie dann aber irgendwie schon. ;)
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