Notre Dame und die Vergänglichkeit

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Wanderfalke
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Wanderfalke »

Vielleicht ein paar Tage zu früh (nach dem christlichen Verständnis), aber das Osterfeuer im Zentrum von Paris hatte Stil! Wird man wohl kaum überbieten können.

Als Atheist freue ich mich, daß - analog dem freundlichen Herrn Bonifacius, der vor gut 1200 Jahren meinen Vorfahren das Christentum nach Thüringen brachte - endlich ein ebenso netter Mensch (heißt er vielleicht Rebonifacius?) die heidnische Kultstätte der Christenbarbaren schliff und aus den Überresten einen keltischen Steinkreis schuf. :D

Als gelernter Kulturwissenschaftler bedauere ich den Verlust der historischen Substanz dieser großartigen Architektur. Auch wenn man dieses extrem gut dokumentierte Bauwerk - so man wollte - bis ins I-Tüpfelchen wieder rekonstruieren kann, ist es eben doch nicht mehr das Alte: Wer in Weimar die nach dem verheerenden Brand 2004 restaurierte Anna-Amalia-Bibliothek besucht wird eben nicht mehr auf den originalen Dielen stehen, auf denen bereits Geistesgrößen wie Goethe oder Herder wandelten.
"Das Leben ist wie ein Fahrrad. Man muß sich vorwärts bewegen, um das Gleichgewicht nicht zu verlieren."
(Albert Einstein, beinahe "Friedensfahrt"-Teilnehmer)
Charlotte Sometimes
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Charlotte Sometimes »

Also mich berührt der Brand emotional überhaupt nicht.
Klar, ich finde es Schade ,wenn ein altes Bauwerk beschädigt wird,aber das passiert und da hätte es sich von mir aus auch um ein anderes handeln können.*Vanitas* Für die Christen ist es sicher ein Schlag in die Magengrube.Das toleriere ich.
Dennoch würde ich mir wünschen,das die Menschheit auf die wirklich wesentlichen Dinge ,einmal genauso emotional reagiert.
Mich berührt z.B das Walsterben , die Abholzung tropischer Regenwälder,die Vermüllung der Ozeane oder das die Bundeswehr ihre Flieger für Lybien schon startklar macht ,mehr als ein Brand in so einer ollen Kathedrale.^^
Dazu z.B würde ich mir gerne so heftige emotionale Reaktionen wünschen.
Zudem werden die Reparaturen etliche hundert Millionen Euro kosten,dafür ist das Geld dann plötzlich da.^^
Von mir aus hätten die Franzosen etc. auch einen See heulen können,das hätte dann zumindest das Löschwasser gespart. :twisted:
Soiled

Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Soiled »

Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich die arg großen Spenden durchaus nachvollziehen kann. Einerseits sorgt es für einen viel größeren Image-Boost als sämtliche Spenden an humanitäre und Umweltorganisationen, andererseits gibt es obendrein sehr substantielle Steuererleichterungen ... rein vom finanziellen Gesichtspunkt aus ist es also absolut vernünftig.

Und wer weiß, vielleicht liegt es ihnen tatsächlich mehr am Herzen. Wenn ich so viel Geld hätte wäre ich ebenfalls schwer versucht, mir eine größere Kunstsammlung zuzulegen und kurz vor meinem Tod ein Museum dafür bauen zu lassen. Ich geb mir ja große Mühe, Menschen und Umwelt zu mögen, aber Kunst ist nun mal meine große Liebe. :lol:
Charlotte Sometimes
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Charlotte Sometimes »

Und wer weiß, vielleicht liegt es ihnen tatsächlich mehr am Herzen. Wenn ich so viel Geld hätte wäre ich ebenfalls schwer versucht, mir eine größere Kunstsammlung zuzulegen und kurz vor meinem Tod ein Museum dafür bauen zu lassen. Ich geb mir ja große Mühe, Menschen und Umwelt zu mögen, aber Kunst ist nun mal meine große Liebe. :lol:
Vernünftig wäre das m.E aber nicht.
Und weil leider zu viele so denken ,sieht unsere Natur dementsprechend aus.^^
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Dactus
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Dactus »

@Soiled

Vieleicht liegt den Großspendern auch einfach nur der eigene Geldbeutel am Herzen ;) , bedenkt man den Steuerabzug bei 500.000.000 kann man es sogar noch verwerflicher finden. Dieses Geld fehlt schließlich im Staatshaushalt. (zumindest eine Familie hat nach massiver Kritik angekündigt, auf diesen Abzug zu verzichtenl)
I try to laugh about it - Cover it all up with lies - (..) - Hiding the tears in my eyes (The Cure)

Have courage and be kind!
Soiled

Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Soiled »

SchwarzeKatz hat geschrieben: Donnerstag 18. April 2019, 18:09 Vernünftig wäre das m.E aber nicht.
Weiß ich ja selber. Aber Liebe ist nun mal in den allerseltensten Fällen "vernünftig". :lol:
Charlotte Sometimes
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Charlotte Sometimes »

wunderbar...
endlich wird es erkannt...
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Phönix75
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Phönix75 »

https://www.der-postillon.com/2019/04/j ... .html#more

Vorsicht Zynismus! Allerdings zeigt es die Gewichtung der weltlichen Probleme.



Ich finde schon, dass alte, bedeutende und architektonisch meisterhafte Bauwerke erhalten bleiben sollten. Schließlich sind sie Zeitzeugnisse der Vergangenheit und gehören nicht eben mal platt gemacht, egal welche Katastrophe sie hinter sich haben. Natürlich wird es einige Veränderungen bei Notre Dame geben, um den Brandschutz zu verbessern. Aber die äußerliche Hülle wird ganz sicher so erhalten bleiben, wie sie war. Zwar wäre ich dafür, den Dachstuhl wieder in Holz zu bauen... liegt wohl an meinem allgemeinen Interesse für Holz und der Bauwerkskunst.
Platz zu machen für Neues? Ist immer die Frage, was es Neues geben soll und ob das wirklich Sinn macht. Ich bin durchaus ein Fan von Unvergänglichkeit.
Nichts ist so, wie es scheint.
Heimfinderin

Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Heimfinderin »

Ich oute mich mal als Hüter alter Dinge :/ Für mich muss es die Bewahrer UND die Erneuerer geben, man sollte nur gründlich überlegen, was dem Bewahren lohnt und auf welche Weise.
Ich sammle alte Dinge, umgebe mich mit einer Ahnung der Vergangenheit, liebe altes Handwerk und auch alte Baukunst. Ziehe beides vor. Für mich ist das ein wesentlicher Teil meiner Schwarzromantik.
Notre Dame... Ich dachte im ersten Moment tatsächlich „Scheiße, 13. Jahrhundert...“ Wenn ich von brennenden Museen oder Bibliotheken höre, geht mir schon ein ordentliches „Scheiße“ durch den Kopf :/ Da gab es ja einige unerfreuliche Ereignisse.
Ein neuer Dachstuhl wäre für mich auch nicht das selbe wie das Original, Rekonstruktionen nie. Ich versuche mir immer eine Vorstellung zu machen, wie man es damals bewerkstelligt hat ohne die heutigen modernen Techiken.
Abgesehen von Neo-Kitsch habe ich eine Schwäche für alte Gebäude. Etwa ab den 1960ern schwindet mein Interesse allerdings gen Null.
Wenn ich es dann nüchtern betrachte, abseits meiner selbstgewählten, sehr bewussten Realitätsflucht, fällt mir wieder ein, warum solche Bauwerke errichtet wurden. Meistens sind es Symbole der Macht. Ob durch die Kirche gesetzt oder Herrscher... Es sind Monumente der Macht, und genau wie heute, hätten zu jeder Zeit viele Menschen mehr von den Aufwendungen gehabt. Von den Toten einmal abgesehen, die während der Bauarbeiten so anfallen...
Ja, ich bemerke da eine gewisse Zerrissenheit ^^ Einerseits die Liebe zu dem Schönen und Ewiglichen, auch in der Baukunst, zum anderen die moralischen Fragen, die ich mir stelle.
Ich halte generell nichts vom modernen Feudalismus – einige wenige häufen Reichtümer an und verfügen darüber, wie der Reichtum eingesetzt und verteilt wird. Hat man durch den Reichtum nicht auch Verantwortung den anderen gegenüber? Ich weiß nicht, ob ich mich nicht schämen würde, wenn ich solche Summen für ein riesiges Götzenhaus hingeben würde, während man damit Projekte finanzieren könnte, die Menschen eine besserer Lebensqualität ermöglichen. Ich erwarte von mir, dass tote Dinge nicht über Menschen stehen, auch wenn ich die schönen Künste brauche. Ein persönliches Dilemma... dass man sich erst mal leisten können muss :/
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Elric
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Re: Notre Dame und die Vergänglichkeit

Beitrag von Elric »

Mir ist am Tag nach den Brand der Gedanke durch den Kopf geschossen, daß man Kirchen durchaus auch als Symbole der Verbrechen der (insbesondere) Katholischen Kirche wahrnehmen kann; wenn man sich dann klar macht, was da mit Kunst überhöht wurde...

...unser Problem ist unsere durch toxische Tradition geschädigte Wahrnehmung von "schön" oder "eindrucksvoll"...

...ich bin nicht dafür, alle Baudenkmäler abzureißen, weil sie in lausigen Zeiten von bestenfalls zweifelhaften Leuten aus Motiven der Repräsentation und des Machterhalts gebaut worden sind, empfehle aber dem Konsumenten kritische Rezeption...