Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

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Blauauge
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Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Blauauge »

Da ich auf die Schnelle keinen anderen Eintrag hier gefunden habe, der sich mit diesem Thema beschäftigt, würde ich euch gerne genau diese Frage(n) stellen:

Kann Melancholie einem dazu befähigen z.B. den Duft einer Blume, ein leckeres Essen oder eine freundschaftliche Interaktion stärker positiv zu erleben, als wenn man negative Themen, wie Krankheit, Tod oder Traurigkeit auf Kosten einer stets bemühten (und eingebildeten?) positiven Lebenseinstellung verdrängt? Gibt es dafür sogar eine profane Erklärung? Wie sind eure Erfahrungen?

Ich selber kann die oben stehende Frage immer mehr mit einem „Ja“ beantworten. Aber dies gilt in erster Linie für mich nur dann, wenn ich die Traurigkeit aktiv suche. Ich weiß noch nicht wie es wäre, wenn eine Traurigkeit mich wiederum heimsuchen würde, wenn z.B. eine nahestehende Person erkrankt oder stirbt oder wenn mir jemand sein trauriges Leben schildert oder ich es direkt wahrnehme (Obdachlos, drogenabhängig, diskriminiert). Ob ich diese Melancholie dann auch für mich nutzen könnte? Darüber habe ich noch nicht nachgedacht.
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Evanahhan
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Evanahhan »

Da würde ich jetzt keinen Zusammenhang sehen. Es ist doch individuell sehr verschieden, wie stark Gefühle überhaupt wahrgenommen werden. Manche Menschen sind da emotionaler als andere. Das hat auch nicht generell was damit zu tun, wie man mit negativen Gefühlen umgeht. Es gibt ja depressive Menschen, die sich exzessiv mit Negativem befassen, aber auch keine Freude empfinden können, es gibt Menschen, die von himmelhoch jauchzend bis zu Tode betrübt alles intensiv erleben, und es gibt die Strahlenden, die sehr viel Freude empfinden und auch Schicksalsschläge ziemlich gut wegstecken, und dann gibts noch die Ausgeglichenen, die weniger Ausschläge in beide Richtungen haben.
Die Melancholie ist da meiner Ansicht nach einfach eine Ausprägung von vielen möglichen.
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Grauer Wolf
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Grauer Wolf »

Kommt hinzu, daß jeder die »Nullinie« zwischen Glück und Unglück, Freude und Trauer, Ausgelassenheit und Zurückgezogenheit woanders sieht und setzt. Für den einen Melancholiker sind die fünf Minuten ohne Tränen ein Moment höchster Freude, für die andere Melancholikerin ist selbst ein Lachen nur eine andere Form von Schmerz. Oder so ähnlich.

Aber es mag eventunell und prinzipiell schon etwas dran sein: Um tiefster Melancholie zu verfallen, muß man vielleicht schon über ein ausgeprägtes Gefühlsinnenleben verfügen, so daß schon ein kleines Quentchen Glück möglicherweise stärkere Emotionen bewirken kann, als bei einer emotional wenig sensiblen und demnach gut ausgependelten Person. Man bemerke den Spekulativ.
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
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Blauauge
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Blauauge »

Der Komplexität des Themas war ich mir nicht bewusst - sie war aber auch keine Prämisse für meine Intention der Fragestellung. Es war wohl unpräzise von mir formuliert.
Meine Frage erhebt keinen wissenschaftlichen Anspruch, es geht mehr um persönliche Erfahrungen. Oder anders gesagt: Dann müsste man das Thema wirklich auf Individuen runterbrechen (so wir ihr beide schon zurecht darauf hingewiesen habt), die einzeln ihre subjektiven Erfahrungen damit schildern.
Würde mich wirklich interessieren. Vor allem ob es jemanden gibt, der ähnliche Erlebnisse mit den anfangs geschilderten Glücksgefühlen nach einer bewusst erlebten Melancholie macht, wie ich.
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Phönix75
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Phönix75 »

Ich bin mir nicht sicher, ob man bewußt Melancholie herbeiführen kann oder ob das nicht einfach eine Gefühlslage ist, die zwar durch äußere, wie innere Umstände beeinflußbar ist, aber wohl in jedem in unterschiedlicher Intensität vorhanden ist. Ob man schöne Dinge bewußter wahrnimmt hat m.M.n. wenig damit zu tun. Das würde ich eher als Charaktereigenschaft wahrnehmen, wenn jemand die kleinen schönen Dinge viel mehr schätzt und intensiver wahrnimmt und, so ist es zumindest bei mir, eher eine Neigung zur Hochsensibilität hat. Ich kann mich viel länger an einem positiven schönen Ereignis "laben", als ein Partymensch, der ständig neue Eindrücke braucht.
Nichts ist so, wie es scheint.
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Durante
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Durante »

Blauauge hat geschrieben: Sonntag 10. März 2024, 16:52 Kann Melancholie einem dazu befähigen z.B. den Duft einer Blume, ein leckeres Essen oder eine freundschaftliche Interaktion stärker positiv zu erleben, als wenn man negative Themen, wie Krankheit, Tod oder Traurigkeit auf Kosten einer stets bemühten (und eingebildeten?) positiven Lebenseinstellung verdrängt? Gibt es dafür sogar eine profane Erklärung? Wie sind eure Erfahrungen?
Ich persönlich kann mir durchaus vorstellen dass man als Person mit beispielsweise einer generell eher negativ-traurigen Grundstimmung (einer "tiefer liegenden Nulllinie" sozusagen) eventuell die (seltenen) postiven Dinge dann bewusster wahrnimmt und eher zu schätzen weiß (und vielleicht auch länger), als manch anderer...
...aber z.B. bei einer ausgewachsenen Depression kann natürlich leider auch das krasse Gegenteil der Fall sein. Dann ist unter Umständen "einfach absolut nichts mehr schön". Eben wirklich individuell, und vermutlich oft bei ein und der selben Person sogar phasenweise sehr unterschiedlich.

(Ich benutze jetzt hier aber bewusst nicht das Wort "Melancholie" weil das für mich ein ambivalenter und nicht per se negativer Begriff ist.)
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Evanahhan
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Evanahhan »

Durante hat geschrieben: Mittwoch 20. März 2024, 15:21 (Ich benutze jetzt hier aber bewusst nicht das Wort "Melancholie" weil das für mich ein ambivalenter und nicht per se negativer Begriff ist.)
Für mich ist Melancholie die Traurigkeit, die schön ist und glücklich macht. Im Gegensatz zur „richtigen“ Traurigkeit, Verzweiflung oder Depression, die einen in die Tiefe reißt.
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Durante »

Evanahhan hat geschrieben: Mittwoch 20. März 2024, 16:06 Für mich ist Melancholie die Traurigkeit, die schön ist und glücklich macht. Im Gegensatz zur „richtigen“ Traurigkeit, Verzweiflung oder Depression, die einen in die Tiefe reißt.
Kann man versuchen so zu umschreiben ja... ich tue mich schwer "Melancholie" mit etwas anderem zu beschreiben als... nun ja... "Melancholie"... das Gefühl ist mit Traurigkeit verwandt, aber doch so anders...
Hm, ich versuch es auch mal mit einer Definition: "Eine Art von Traurigkeit, aber ohne Bedauern" (bzw. wenn Bedauern dann nur darüber dass etwas Schönes vergangen ist).
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Black Alice »

Melancholie und Traurigkeit sind aber im Normalfall nur zeitlich sehr begrenzte Zustände. Wenn dauerhaft, dann ist es eine Depression und das ist nicht gut. Man kann auch lernen die schönen Dinge im Leben zu erkennen und sich daran zu erfreuen. Kreative Menschen tun das sowieso irgend wie. Wenn man irgend wann merkt, wie vergänglich das Leben ist, dann erfreut man sich auch immer mehr den kleinen schönen Dingen im Leben, an denen man vorher achtlos vorbei gegangen ist. Aber das hat eigentlich nicht unbedingt mit Traurigkeit und Melancholie zu tun. Manche Menschen sind einfach sensibler, offener für alles was um sie herum passiert, andere weniger.
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Durante
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Re: Melancholie als Weg, um sich über die schönen Dinge des Lebens mehr zu freuen?

Beitrag von Durante »

Black Alice hat geschrieben: Mittwoch 20. März 2024, 17:36 Melancholie und Traurigkeit sind aber im Normalfall nur zeitlich sehr begrenzte Zustände. Wenn dauerhaft, dann ist es eine Depression und das ist nicht gut.
Das stimmt, und dem würde ich auch niemals wiedersprechen.
Black Alice hat geschrieben: Mittwoch 20. März 2024, 17:36 Man kann auch lernen die schönen Dinge im Leben zu erkennen und sich daran zu erfreuen.
Kommt darauf an - Während einer Depression oder depressiven Episode z.B. können viele das leider definitiv nicht (bzw. nicht ohne Unterstützung von außen)...
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