Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

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Graphiel
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Graphiel »

Soiled hat geschrieben: Mittwoch 21. April 2021, 08:41 Er sei ja gar nicht rassistisch (behaupten solche Leute eh immer), Interesse an Geschichte, Genealogie und "battlefield reenactment", angeblich konstruierte Vorwürfe, er ist das eigentliche Opfer, das übliche.
Ich habe mich nicht mit allen Punkten darin näher auseinander gesetzt, daher will ich die Vorwürfe, die da gegen Sonsombre erbracht werden mal nicht pauschal abschmettern. Von seiner angeblichen Nähe zu diversen ultra-konservativen bis rechten Vereinen habe ich nichts gelesen, allerdings auch nicht nach entsprechenden Quellen gesucht. Daher auch nur mal kurz zu den letzten 3 Punkten, die ich in deiner Aussage ein wenig irritierend finde:

Ein großer Teil der Kunden, die meine Freundin mit Material zu versorgen hat (Meine Freundin ist Archivarin), betreiben leidenschaftlich Ahnenforschung, was ein Interesse für Geschichte nun einmal voraussetzt. Dabei stolpern sehr viele dieser Leute über Verbindungen ihrer Vorfahren zur NSDAP bzw deren Untergruppierungen, was ebenso nicht ungewöhnlich ist da zu dieser Zeit sehr viel mehr Leute mal mehr, mal weniger freiwillig Mitglied dieser Partei waren, als man denken sollte. Einige von diesen engagieren sich in Vereinen, die an die Opfer des zweiten Weltkrieges (Inklusive der deutschen Soldaten) gedenken. Von einigen wenigen Kunden ist darüber hinaus bekannt, dass sie in ihrer Freizeit gerne LARP betreiben. Ich vermute Mittelalter, weiß es aber nicht mit Sicherheit. Frage an dich: Weisen diese vier Punkte für dich darauf hin, dass die Kunden welche 3 oder gar alle 4 Punkte erfüllen irgendwelche rechtsextreme Ideologien vertreten oder vielleicht sogar die Verbrennung von Menschen geil finden?

Edit: Ich habe jetzt mal grob den Wikieintrag zu diesem "Sons of Confederate Veterans"-Verein überflogen. So ganz unbedenklich scheint der mir in der Tat nicht zu sein. Eine Mitgliedschaft darin deutet natürlich schon darauf hin, dass etwas an den Vorwürfen dran sein könnte.
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Graphiel
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Graphiel »

Zum Thema Cancele Culture (Ja, mir geht es am Arsch vorbei dass auch Menschen aus dem rechtsextremen Lager den Begriff benutzen. Ich fühle mich denen nicht zugehörig. Punkt) gab es vorgestern vom ZDF mal einen interessanten Beitrag, den ich euch nicht vorenthalten möchte:

Kampf um die Redefreiheit

Ich finde den Beitrag schon deshalb so interessant, da er mehrere Facetten des Themas beleuchtet, ohne dabei den Anspruch auf moralisch richtig oder falsch zu erheben. Aus diesem Grund möchte ich daher noch einmal versuchen möglichst sachlich und frei von jeglichen persönlichen Schuldzuweisungen über dieses Thema mit euch zu diskutieren.

In einem weiteren Artikel der Zeit bin ich über einen Beitrag von 2020 gestoßen, der sich ebenfalls mit dem Thema befasst. Allerdings hauptsächlich in den USA, er wechselt später dann aber auch nach Deutschland. Auch dieser beleuchtet in meinen Augen ein paar interessante Aspekte, wie am Beispiel David Shor:
... der im Zuge der Ausschreitungen nach dem Tod von George Floyd auf Twitter die Studie eines schwarzen Princeton-Professors zusammenfasste .... Eine Woche später war er seinen Job los. Warum? Aktivisten hatten seinen Tweet als Rat gewertet, die Black-Lives-Matter-Bewegung solle auf Gewalt verzichten. Als Weißer habe er aber kein Recht, das zu beurteilen. Unter dem Druck der Twitter-Meute feuerte sein Arbeitgeber ... Shor kurzerhand.
(habe es mal leicht gekürzt, da ich gerade nicht im Bilde bin wie weit Absätze aktuell vom Zitatrecht abgedeckt sind. Ihr könnt es ja selber nachlesen. ;)

Die Beiträge werfen neben diesem und anderen Beispielen (über die man sicherlich geteilter Meinung sein darf) auch wichtige Fragen auf, wie ich finde. Wie schaffen wir es als Gesellschaft Probleme wie Rassismus, Sexismus, etc weiterhin als Probleme wahrzunehmen und dagegen vorzugehen, ohne sie dabei jedoch durch absurde oder inkonsequente Anlegung der Maßstäbe zu untergraben? Darf zum Beispiel ein nicht-Betroffener grundsätzlich nicht die Perspektive eines Betroffenen einnehmen wenn es um Themen wie Diskriminierung geht? Wenn nein, warum nicht? Und wo beginnt überhaupt die Diskriminierung? Wo wollen wir als Gesamtgesellschaft die Grenzen des sag- und schreibbaren ziehen, ohne dabei Menschen bewusst zu verletzen, doch ohne gleichzeitig in eine Übersensibilisierung abzudriften in der sich jeder reflexartig in die Opferrolle schmeißen kann? Bis zu welchem Punkt ist in dem Zusammenhang politische Korrektheit für eine sich wandelnde Gesellschaft förderlich und ab welchen Punkt droht sie in totalitäre Systemvoraussetzungen abzudriften, die es ihrerseits zu verhindern gelten sollte? Totalitäre Systeme (selbst solche, die in bester Absicht entstehen) sollten doch hoffentlich bei Niemandem auf der Agenda stehen. ;)

So, Feuer frei.
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Evanahhan
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Evanahhan »

Ich zitiere mal aus dem Zeit-Artikel:
Selbst gruppenübergreifende Freundschaften seien schwierig, da etwa zwischen einem Weißen und einem Schwarzen immer ein Machtgefälle bestehe.
:person_facepalming_tone1:

Was ist das denn eigentlich für ein Menschenbild? Ideal, wenn man die Separation und rassistische Stereotype zementieren möchte. :shock:
Es kann uns doch nichts Besseres passieren, als wenn sich diese ganzen Grenzen endlich auflösen und Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln Freundschaften schließen...! :hugging:
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Soiled

Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Soiled »

Graphiel hat geschrieben: Mittwoch 21. April 2021, 09:49 Von seiner angeblichen Nähe zu diversen ultra-konservativen bis rechten Vereinen habe ich nichts gelesen, allerdings auch nicht nach entsprechenden Quellen gesucht.
Gibt ein Video, wo Leute drüber reden und auch Belege haben. Hab da aber selber nur kurz reingeschaut - stehe nicht auf Videos.
Einige von diesen engagieren sich in Vereinen, die an die Opfer des zweiten Weltkrieges (Inklusive der deutschen Soldaten) gedenken.
Muss man genauer schauen. Wenn diese Vereine die Verbrechen der Wehrmacht verharmlosen fänd ich das schon fragwürdig. Der Bund der Vetriebenen ist da so ein Beispiel - die distanzieren sich bei weitem nicht genug von rechtem Gedankengut, leider. Und gefallene Soldaten mit der industriellen Vernichtung von Menschen/Völkermord gleichzusetzen ist in meinen Augen schon recht nah an Holocaust-Verharmlosung, ja. Wenn dann auch noch der Mythos von der "Sauberen Wehrmacht" propagiert wird ist es ziemlich eindeutig rechtes Gedankengut, was vertreten wird.
Aber das sind alles sehr viele "wenns". Ohne Details kann ich dazu nix sagen.

Persönlich würd ich auch das Wort "Ahnenforschung" vermeiden, riecht für mich zu sehr nach "Forschungsgemeinschaft Deutsches Ahnenerbe". "Familiengeschichte" wär da deutlich unverfänglicher.
Weisen diese vier Punkte für dich darauf hin, dass die Kunden welche 3 oder gar alle 4 Punkte erfüllen irgendwelche rechtsextreme Ideologien vertreten oder vielleicht sogar die Verbrennung von Menschen geil finden?
Also, das mit dem "Verbrennen" finden wohl nicht einmal die aktuellen eindeutigen Neonazis akzeptabel.

Sich Geschichte anzuschauen ist an sich harmlos - wenn man es aber dazu benutzt, um eine nicht existente Vergangenheit zu konstruieren und zu glorifizieren wird's kritisch. Geschichtsrevisionismus ist scheiße.
Genauso finde ich LARP an sich harmlos, insbesondere wenn es eindeutig in die Fantasy-Richtung geht. Aber es gibt z.B. auch Leute, die WK2-Sachen nachspielen und dafür nach Tschechien o.ä. gehen, weil es in der Form, die sie betreiben, in D verboten ist. In so einem Fall wäre ich mehr als misstrauisch.

In der Regel ist es aber eher ein Zeichen für grenzenlose Naivität und Geschichtsvergessenheit statt von tatsächlicher Boshaftigkeit und Menschenverachtung.
Die Info, die Du hier zur Verfügung stellst, reicht für mich leider nicht aus, als dass ich eine qualifizierte Entscheidung treffen kann.

Das ganze hat jetzt allerdings wirklich überhaupt nix mehr mit Cancel Culture zu tun, und ich hab mir ja eigentlich vorgenommen, nur noch zu Sachen was zu schreiben, die zumindest im Ansatz szenerelevant sind ...
Evanahhan hat geschrieben: Freitag 23. April 2021, 19:13 Es kann uns doch nichts Besseres passieren, als wenn sich diese ganzen Grenzen endlich auflösen und Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln Freundschaften schließen...! :hugging:
Oh, you sweet summer child ...
Wenn man sich tatsächlich mit den Leuten anfreundet merkt man vor allem, um wie vieles man es leichter hat. Ich mag schon gar nicht mehr die Vorfälle zählen, wo ich Leute zusammengeschissen hab, weil sie meine muslimischen Freunde aus reiner Blödheit arschig behandelt haben. Das Machtgefälle merkt man zum Beispiel daran, dass die Deppen auf mich hören, nicht aber auf besagte Freunde.
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Evanahhan
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Evanahhan »

Soiled hat geschrieben: Freitag 23. April 2021, 21:12 Oh, you sweet summer child ...
Vielleicht schaffst du es ja irgendwann doch mal, auf Beiträge zu antworten, ohne irgendeine mehr oder weniger subtile Abwertung unterzubringen... :roll:
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blacksister´s ghost

Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von blacksister´s ghost »

@Evanahhan

Soll ich dir das so umdefinieren, dass es schön klingt?
Mit eines der tollsten Dinge ist es, wenn man als süß bezeichnet wird. Sie es als Kompliment, du bist süß.
Und hey, du wirst mit dem Sommer in Verbindung gebracht. Eine der tollsten Jahreszeiten ist der Sommer. Die Sonne scheint, es ist warm. Alles was positive Gefühle hervor ruft.
Du bist quasi eine süße Person, die Wärme ausstrahlt und bei der man sich wohl fühlt :mrgreen: ;)
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Graphiel
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Graphiel »

Soiled hat geschrieben: Freitag 23. April 2021, 21:12 Das ganze hat jetzt allerdings wirklich überhaupt nix mehr mit Cancel Culture zu tun, und ich hab mir ja eigentlich vorgenommen, nur noch zu Sachen was zu schreiben, die zumindest im Ansatz szenerelevant sind ...
Weshalb ich da auch gerne einen Schlusstrich darunter ziehen möchte. Was die Begrifflichkeiten angeht, siehe meinen Post darunter: Mir geht es am Arsch vorbei wonach das so riechen mag und wie andere Gruppen solche Begriffe verwenden. Im Gegensatz zu dir habe ich mich dafür entschieden mich erst gar nicht auf dieses Instrumentalisierungsspielchen dieser Gruppen einzulassen. Wenn das für dich ein Problem ist, dann ignorier es halt oder frage im Zweifelsfall einfach nach was ich damit wohl genau meine. Abschließend würde ich dich jedoch noch dazu einladen mal in ein deutsches Kreisarchiv deiner Wahl zu gehen und dort explizit um Unterlagen zu Rekrutierungen während des zweiten Weltkrieges zu bitten. Nicht jeder Soldat, der im zweiten Weltkrieg auf der Seite der Bösen kämpfen musste und dabei fiel, tat dies weil er die Ideologie des NS-Regimes so unglaublich gut und richtig fand. Auch Angst um das Wohlergehen der eigenen Familie oder dem eigenen Leben führte zu dieser Entscheidung. Mein Großvater wurde zum Beispiel unter diversen Androhungen als Flaggenträger in den Krieg berufen und ist im Kriegsverlauf dafür als Gefangener bis nach Afrika verschleppt worden. Und der hatte es dabei noch halbwegs gut erwischt. Aus einigen Briefen und Dokumenten unseres Kreisarchives geht hervor, dass andere Soldaten die daheim etwas mehr Widerstand gegenüber dem Regime zeigten direkt als Kanonenfutter an die Front geschickt wurden. Wenn Vereine im Rahmen der Kriegsgedenken das nicht unter den Teppich kehren möchten, so habe ich dafür ebenso viel Verständnis wie für die Erinnerung an den Holocaust. Hier einfach pauschal die Menschenleben gegeneinander aufzurechnen ekelt mich da schon wieder etwas an, wenn ich ganz ehrlich sein darf. Alles andere zu den Vorwürfen gegenüber sonsombre habe ich (denke ich) bereits ersichtlich genug in meinem Edit hinzugefügt. Mehr will ich da gar nicht mehr zu sagen.

Und nun bitte ich darum tatsächlich zum eigentlichen Thema zurück zu kehren.
Evanahhan hat geschrieben: Freitag 23. April 2021, 19:13 Es kann uns doch nichts Besseres passieren, als wenn sich diese ganzen Grenzen endlich auflösen und Menschen mit unterschiedlichen Wurzeln Freundschaften schließen...! :hugging:
Da bin ich ganz deiner Meinung. Daher finde ich es auch so widerlich und bizzar, dass laut dem Autor und Politikwissenschaftler Herrn Mounk diese Überlegungen ausgerechnet von Menschen stammt, die sich selbst Anti-Rassismus auf die Fahne geschrieben haben. Das ergibt für mich nicht einmal mehr ansatzweise Sinn, da es hierbei ja gar nicht mehr darum geht ein Machtgefälle zwischen dem Diskriminierten und seiner Umwelt zu kritisieren, sondern es wird ein Machtgefälle innerhalb der gemischten Gruppierung unterstellt. Nach der Logik, ist also ein Mensch der Freundschaft mit einem Menschen anderer ethnischer Wurzeln schließt bereits Teil des Problems Namens Rassismus. Na herzlichen Glückwunsch, Soiled. Damit bist du zumindest in den Augen solcher (ich nenne es jetzt mal so) Fanatiker*innen wohl auch Rassistin :lol:

Ich finde aber (wenn auch lange nicht so bizzar) bereits die Vorstellung absurd, dass man wie im Beitrag des ZDF als Nicht-Rassismus-Betroffener Wissenschaftler grundsätzlich weniger Recht hat sich perspektivisch über die Empfindungen von Sklaven während der Kolonialzeit zu äußern, als ein Mensch der aufgrund seiner ethnischen Wurzeln in einem näheren Verwandschaftsgrad zu den Sklaven steht. Und das eben in einem wissenschaftlichen Diskurs. Das ist wissenschaftlich völlig absurd und ergibt 0 Sinn. Jemand, besitzt doch nicht aufgrund der Hautfarbe automatisch eine höhere Fachkompetenz zu bestimmten Fragen an die Vergangenheit. Und schon mal gar nicht, wenn es sich bei den Themen um Ereignisse handelt, die kein heute lebender Mensch mehr miterleben konnte. Einem Wissenschaftler daraus einen Strick zu drehen und mit Kommentare wie "Wenn ich wissen will wie Afrikaner über die Kolonialzeit denken, frage ich einen Afrikaner" abzuschmettern ist in meinen Augen nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch absolut dämlich. Mit der Logik müsste ich mich bei bei Fragen an die Gedankenvorgänge von bekannten Serienmördern wie etwa eines Jack the Rippers auch nur an Serienmörder unserer Zeit wenden und nicht an Wissenschaftler, welche die Gedankenvorgänge von Serienmördern untersucht haben.

Manchmal frage ich mich ernsthaft ob diese Leute gar nicht merken, dass sie mit ihrer Herangehensweise bereits mit einer Hand schon wieder dabei sind die Verfassung auszuhöhlen. Was dann konsequent zu Ende gedacht (nach deren Logik) auch zu unterlassen wäre, da solche Praktiken eher am rechten Tellerrand Anwendung finden.
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Lylia
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Lylia »

Phönix75 hat geschrieben: Sonntag 16. August 2020, 11:45
Früher dachte ich mal, Gruftis denken unabhängig (zumindest viele), machen sich viele eigene Gedanken zu Dingen, die auf der Welt passieren oder auch im kleineren Rahmen... also völlig unabhängig davon, welche Sau gerade mal wieder durchs Dorf getrieben wird. Da war noch die Rede von Tiefgründigkeit. Heute wird nur noch nachgeplappert, leichtgläubig jede von den Medien kopierte Meldung hingenommen und nicht mal ansatzweise um die Ecke gedacht. Was ist los mit euch? Hat sich so die Szene abgeschafft? Ich sehe nur noch angstgetriebene, entmutigte und trendige Leute, die sich das selber denken abgewöhnt haben. Gefangen in einem Strudel des Mainstreams und der Gleichmacherei. Eine Entwicklung die mich traurig macht.
Wenn du wüsstest wie sehr du mir DAMIT aus der Seele sprichst, könnte man hier liken, bekämst du für diesen Beitrag ne ganze Wagenladung von mir. Aus genau diesem Grunde schreibe ich hier auch kaum noch.
Soiled

Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Soiled »

Graphiel hat geschrieben: Samstag 24. April 2021, 11:12 Mir geht es am Arsch vorbei wonach das so riechen mag
Du distanzierst Dich also nicht davon. Okay.
Dann darfst Du Dich aber auch nicht beschweren, wenn Du in Schubladen gesteckt wirst, wo Du nicht reingehörst.
Hier einfach pauschal die Menschenleben gegeneinander aufzurechnen ekelt mich da schon wieder etwas an, wenn ich ganz ehrlich sein darf.
Du siehst also gezielten Genozid auf einem industriellen Level als vergleichbar an. Oooooookay.
Massaker von Bleiburg sagt Dir sicher etwas, oder? Und Du weißt sicher auch, wie das von den extremen Rechten instrumentalisiert wird, oder? Siehe z.B. hier .
Sorry, aber diese "All lives matter"-Einstellung ist mir echt viel zu undifferenziert. Mit der legitimierst Du waschechte Rechte.

Ich mein, mein Opa war nicht mal bei der Wehrmacht, und trotzdem
haben ihn die Russen ins Speziallager Nr. 2 Buchenwald gebracht. Denen fehlten ein paar Gefangene, Buchhaltung war wohl zu schlampig. Und anstatt nach den Kriegsverbrechern zu suchen sind sie halt ins Dorf meiner Großeltern gefahren, haben alle Männer eingepackt und mitgenommen. Die allerwenigsten sind zurückgekommen.
War das Scheiße? Klar. Ist es auch nur ansatzweise gleichzusetzen mit der Shoah? Holyfuckingshit, natürlich nicht!
Jemand, besitzt doch nicht aufgrund der Hautfarbe automatisch eine höhere Fachkompetenz zu bestimmten Fragen an die Vergangenheit.
Natürlich nicht automatisch. Ich kann aber für mich bezeugen, dass ich deutlich, deutlich mehr über Rassismus gelernt habe, wenn ich mich mit Betroffenen darüber unterhalten hab. Weiße haben nun einmal die Tendenz, gegenseitig ihr positives Selbstbild zu stützen und sich gegenseitig zu erzählen, dass sie ja eigentlich gar nicht rassistisch seien. Betriebsblindheit halt.
Natürlich tun sie das ebenfalls nicht immer. Empfehle z.B. immer gerne "Rassismus. Einführung in die Geschichte und Theorie eines Begriffs" von Robert Miles, der ist unleugbar weiß, hat aber wirklich viel Ahnung.

Und ich finde schon, dass sich z.B. die Ausstellungen im hiesigen Weltmuseum (ehemals Völkerkundemuseum) deutlich verändert haben, und zwar zum besseren, nachdem mehr Leute involviert werden, die tatsächlich aus der Gegend kommen, wo die ausgestellten Objekte herkommen. Viel differenzierter, viel spannender, viel weniger exotisierend.
Ähnliches sehe ich bei Folk-Horror. Wenn Hollywood und Konsorten Filme über den Geisterglauben anderer Länder machen ist das meistens extrem unreflektiert und immer durch eine sehr westliche Brille gesehen. Wenn man sich dagegen Filme aus den entsprechenden Ländern anschaut, merkt man erst, was einem die ganze Zeit für ein Mist vorgesetzt wurde.

Zu Talkshows kann ich nix sagen, weil ich nicht fernsehe. Aber wenn in einer ausschließlich Männer über Feminismus diskutieren würden würd ich natürlich abschalten, weil da mit Sicherheit nix substanzielles bei rauskommt. Genauso wie ich keiner Talkshow über die Schwarze Szene zuhören würde, wenn da keine:r dabei ist, der oder die zur Szene gehört.
Na herzlichen Glückwunsch, Soiled. Damit bist du zumindest in den Augen solcher (ich nenne es jetzt mal so) Fanatiker*innen wohl auch Rassistin :lol:
Äh, ja. Ich bin rassistisch sozialisiert. So wie alle hier. Das ist natürlich ein Problem, deswegen investiere ich Zeit, um mich weiterzubilden und das loszuwerden bzw. zu reduzieren. Sehe ich als meine moralische und menschliche Pflicht.

Mal ein Beispiel, um das zu beleuchten: Es gibt von der Stadt eine App, wo man Vandalismus melden kann, und sie kümmern sich dann erstaunlich zeitnah darum. Ein Wartehäuschen war mit "Moslems raus!" beschmiert, das hab ich also gemeldet, und dabei den Ausdruck "fremdenfeindlich" benutzt. Erst später ist mir klar geworden, dass das ein vollkommen unangemessener Ausdruck war, weil der Islam schon seit Generationen zu Ö gehört und nichts daran "fremd" ist.

Ob das jetzt eine Mainstream-Einstellung ist kann ich nicht beurteilen. Ich glaube eher nicht. Habe definitiv bis jetzt jedenfalls deutlich mehr Leute getroffen, die ihren eigenen Rassismus abstreiten, als solche, die sich damit selbstkritisch auseinandersetzen.
Hab ja eh die Wahrnehmung, dass oft reflexhaft alles als "Mainstream" bezeichnet wird, dem man nicht zustimmt.

Wie an anderer Stelle gezeigt: Ca. 80% der Sachsen sind islamophob eingestellt. Bei so einer großen gesellschaftlichen Mehrheit würde ich schon sagen, dass das "Mainstream" ist, und obendrein scheiße. Trotzdem wird sich über einen linkslinken Gutmenschen-Mainstream beschwert, der allein basierend auf den Zahlen ja als solcher gar nicht existieren kann. 20% ist nunmal weniger als 80%, das kann man nicht wegdiskutieren.

Ähnlich sehen die Zahlen bei Feminismus aus, siehe hier. Nur eine recht kleine Minderheit bezeichnet sich als Feminist:in, also ist Feminismus ganz sicher kein Mainstream. Was ich ziemlich traurig finde, sollte imho nämlich Mainstream (im Sinne von Mehrheitsmeinung) sein.

Aber nur weil man eine andere Meinung hat als dem gesellschaftlichen und wissenschaftlichen Konsens entspricht macht sie das nicht automatisch richtig, siehe "Querdenker". Zwar macht sie das auch nicht automatisch falsch, aber man muss schon sehr gute Argumente haben, um sie zu belegen. Sagan standard halt: "Extraordinary claims require extraordinary evidence". Und ich finde, dass Feminist:innen und Antirassist:innen verdammt gute Argumente haben. Wenn jemanden aber selbst die ganzen toten Frauen und POC nicht überzeugen ist da Hopfen und Malz verloren.

Und überhaupt: Ist ja natürlich jedem selber überlassen was er glaubt, aber wenn ich mich für ein Thema interessiere lese ich halt erst einmal ein paar solide Bücher dazu statt "selber zu denken". Und dann erst sage ich etwas dazu. Kann man gern als "Nachplappern" bezeichnen, ist mir wurscht. Ich sehe es eher als "halbwegs gebildet".

Aber anstatt hier den verregneten Feiertag mit sinnlosen Diskussionen zu vertrödeln lese ich am besten mal weiter, und zwar "Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus in Comics" von Ralf Palandt (Hrsg.). Ist sinnvoller. Würde eh generell allen Leuten empfehlen, ein bisschen mehr zu lesen, bevor sie etwas sagen. Wirkt sonst halt albern und peinlich.
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Fanchen
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Re: Cancel Culture - Der neue Zeitgeist

Beitrag von Fanchen »

Soiled hat geschrieben: Donnerstag 13. Mai 2021, 13:37Ähnlich sehen die Zahlen bei Feminismus aus, siehe hier. Nur eine recht kleine Minderheit bezeichnet sich als Feminist:in, also ist Feminismus ganz sicher kein Mainstream. Was ich ziemlich traurig finde, sollte imho nämlich Mainstream (im Sinne von Mehrheitsmeinung) sein.
Was die grundsätzliche Einstellung angeht, stimme ich da zu. Aber sollte man sich deshalb unbedingt als Feminist:in bezeichnen? Ich finde, die Selbstbezeichnung impliziert einen gewissen Aktivismus, den ich wahrscheinlich nicht von mir behaupten würde. Ja, ich teile sicherlich gewisse feministische Ansichten/Erkenntnisse, und vertrete die auch in gelegentlichen Diskussionen. Trotzdem ist das meiner Meinung nach eher eine passive Haltung -- dass ich (beabsichtigte oder unbeabsichtigte) Falschaussagen anderer korrigiere, hat ja an sich nichts mit dem Thema Feminismus zu tun.
Mag sein, dass die Frage nach der Selbstbezeichnung da irgendwas genauer definiert hat. Wahrscheinlich hätte ich mich aber auch nicht als Feminist bezeichnet, woraus sich aber auch keine "Anti"-Haltung ablesen lässt. Ich finde also nicht, dass die Umfrageergebnisse unbedingt auf einen Missstand hinweisen.
"If you ignore the rules people will, half the times, quietly rewrite them so that they don't apply to you."
- Terry Pratchett, Equal Rites