Warum wird man Mitläufer?

Meldungen aus aller Welt, Meinungen zu allen irdischen Dingen wie Wirtschaft, Politik, Gesellschaft, Alltag und Tagesgeschehen
Lylia
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 116
Registriert: Samstag 13. April 2019, 22:14

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Lylia »

Rin.Kagamine hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 07:27 So. Ich habe im Forum gesehen, dass einer Vorschlug das Thema mal anzusprechen.

Hier könnt ihr über das Thema diskutieren so viel ihr wollt. Und euerer Meinung freien Lauf lassen. ;)
Mitläufer ist man, wenn man eben eine rückratslose Kreatur ist, welche nicht die Eier in der Hose hat, zu sich zu stehen und unabhängig von anderen also autark zu denken, handeln und zu sein.
Arminius81
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 42
Registriert: Samstag 20. Februar 2021, 16:03
Beziehungsstatus: Single
Gender:
Alter: 42

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Arminius81 »

Lylia hat geschrieben: Freitag 25. September 2020, 10:10
Rin.Kagamine hat geschrieben: Mittwoch 20. Mai 2020, 07:27 So. Ich habe im Forum gesehen, dass einer Vorschlug das Thema mal anzusprechen.

Hier könnt ihr über das Thema diskutieren so viel ihr wollt. Und euerer Meinung freien Lauf lassen. ;)
Mitläufer ist man, wenn man eben eine rückratslose Kreatur ist, welche nicht die Eier in der Hose hat, zu sich zu stehen und unabhängig von anderen also autark zu denken, handeln und zu sein.
Dem stimme ich zu 100% zu.
Es ist eben einfacher, ein Mitläufer zu sein als eigenverantwortlich zu handeln.
Soiled

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Soiled »

Hm. Hättet Ihr dafür mal ein paar konkrete Beispiele? Wo genau musstet und müsst Ihr denn mutig und durchsetzungsfähig sein, also "Eier" und "Rückgrat" haben? So ganz klar wird mir das nämlich nicht.
Wenn man Leute als "rückgratlose Kreaturen" beschimpft find ich das schon einen sehr drastischen Ausdruck, um so etwas zu sagen muss man selber schon ziemlich kämpferisch unterwegs sein. Normalerweise sagt man doch eher "konfliktscheu" oder, wenn man bösartiger sein will, "harmoniesüchtig". Ich sehe solche Leute viel nachsichtiger.

Außerdem sind wir doch alle ziemlich nah an der "Norm" dran, da ist es doch sowieso kein Problem, man selber zu sein, weil's kaum negatives Feedback gibt. Ich mein, ich bin weiß, cis, hetero, keine Migrationserfahrung, mehr oder weniger neurotypisch, keine körperlichen Behinderungen, konventionell attraktiv, normalgewichtig, gebildet ... für solche Leute ist diese Welt doch eh gemacht. Leichter hätte ich es nur noch, wenn ich ein Mann wäre. :lol:
Hab also nie in meinem Leben so wirklich "Eier" gebraucht, abgesehen von ein paar Demos, wo die Polizei in voller Kampfmontur auftauchte und Wasserwerfer aufgefahren wurden. Das Zeug ist aber eh genau dazu designt, furchteinflößend zu wirken. Nichtmal ernstzunehmende Morddrohungen hab ich je bekommen, dabei ist das für durchschnittliche Feminist*innen und Antifaschist*innen ja absoluter Standard. Und die paar Vergewaltigungswünsche von beleidigten Männern ... naja, ist unschön, gehört aber leider dazu und ist unvermeidbar.

Sowas wie sich mit seinen Chef über Gehalt zu streiten oder mit seinen Eltern am Abendbrotstisch über Politik seh ich jedenfalls nicht als besonders mutig an, letzteres höchstens bei Minderjährigen, wo die Gefahr besteht, dass sie rausgeworfen werden und dann obdachlos sind. Leute, denen das passiert ist, kenne ich natürlich, und ich bewundere ihren Mut. Aber, ernsthaft, die allermeisten von uns haben doch eh keinerlei großartige Konsequenzen zu befürchten. Vielleicht beschleunigt es eine Trennung oder eine Kündigung, aber da denk ich mir eh, dass es gut ist, wenn es früher vorbei ist.
Arminius81
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 42
Registriert: Samstag 20. Februar 2021, 16:03
Beziehungsstatus: Single
Gender:
Alter: 42

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Arminius81 »

Unter einem Mitläufer verstehe ich jemanden, der seinen eigenen Verstand bewusst abstellt und andere für sich denken lässt. Als Beispiel hierfür sehe ich in der Geschichte, wieviele Menschen bei der Hexenverfolgung mitgemacht haben. Man musste nur eine Frau beschuldigen, eine Hexe zu sein und ein gewichtiger Teil der Gesellschaft forderte ihre Verbrennung, weil die Kirche gesagt hat, solche Frauen seien im Bund mit dem Teufel. Oder die Geschichte mit der Judenverfolgung im Mittelalter, als die Kirche diese beschuldigte für die Pest verantwortlich zu sein. Auch hier hat ein Großteil der Gesellschaft mitgezogen. Denn wenn der Papst das sagt wird das schon stimmen, denn er ist unfehlbar.

Aber auch die heutige Gegenwart zeigt Beispiele, zum Beispiel Sekten. Ich denke jeder, der versucht hat, jemanden aus einer Sekte rauszuholen weiß, wie so jemand indoktriniert ist. Er ist nicht zugänglich für kritische Argumente, er hält sich dann die Ohren zu. Er will nichts gegen seinen Guru hören.
Der Guru von der Sekte ist eine Art Gott, alles was er sagt gilt für seine Anhänger als hochgradig Weise, nichts wird hinterfragt. Wenn der Guru heute hü sagt, dann gilt hü, und wenn er morgen hott sagt, dann gilt auch hott. Und dann läuft man brav in die Richtung mit die der Guru vorgibt und hinterfragt nichts. Auch dann nicht, wenn der Guru plötzlich eine neue Erleuchtung hat und neue Thesen vorgibt, die den Thesen von gestern komplett widersprechen.

Ich denke, es ist ein Unterschied, ob jemand freiwillig seinen Verstand an einen Sektenguru, einen Papst oder einen politischen Führer abgibt oder ob er sich seinen Umständen anpasst, weil er um sein Leben fürchtet. Wenn jemand in einer Diktatur lebt und die Füße stillhält aus Angst, dass er oder seine Familie in einem Lager landen, ist es dann gerecht so jemanden als Mitläufer zu bezeichnen?
Ich tu mich auch schwer zu sagen, die Wehrmachtsoldaten von WWII seien alle Mitläufer gewesen. Als der Krieg ausbrach gab es die Wahl: entweder man geht zum Krieg oder man kommt vor das Erschiessungskommando. Ich weiß nicht wie ich in so einer Situation gehandelt hätte, deswegen wär ich hier mit dem Begriff "Mitläufer" vorsichtig, da nach meinem Verständnis für Mitläufertum ein freiwilliges Ablegen des Verstandes die Voraussetzung ist.
Fanchen
Site Admin
Beiträge: 1106
Registriert: Mittwoch 23. Mai 2018, 21:38
Wohnort: Oldenburg
Gender:
Alter: 31

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Fanchen »

Spannend: Ich würde eher den gegenteiligen Schluss ziehen, nämlich, dass man Unterstützer der Wehrmacht eher als Mitläufer bezeichnen kann. Ich bin nicht überzeugt, dass man bei Sektenmitgliedern davon ausgehen kann, dass der Verstand "freiwillig abgelegt" wird -- das soziale Umfeld hat viel damit zu tun, und Indoktrination eben auch: Die Fähigkeit, überhaupt kritisch zu hinterfragen, wird Sektenmitgliedern aktiv abtrainiert. Menschen, die darauf hereinfallen, würde ich nicht einfach als Mitläufer bezeichnen.
Wenn man hingegen die Entscheidung trifft, von mehreren Möglichkeiten die einfachere zu wählen (wie die Unterstützung der Wehrmacht), dann bin ich schon viel eher bereit, den Begriff zu nutzen.
"If you ignore the rules people will, half the times, quietly rewrite them so that they don't apply to you."
- Terry Pratchett, Equal Rites
Charlotte Sometimes
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 1479
Registriert: Mittwoch 23. Mai 2018, 22:57
Gender:
Alter: 40

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Charlotte Sometimes »

Ich denke, es ist ein Unterschied, ob jemand freiwillig seinen Verstand an einen Sektenguru, einen Papst oder einen politischen Führer abgibt oder ob er sich seinen Umständen anpasst, weil er um sein Leben fürchtet. Wenn jemand in einer Diktatur lebt und die Füße stillhält aus Angst, dass er oder seine Familie in einem Lager landen, ist es dann gerecht so jemanden als Mitläufer zu bezeichnen?
Sehe ich auch so.
Wenn das eigene Leben oder das der Familie bedroht ist,dann ist das ein komplett anderer Umstand.
Da setzt der Selbsterhaltungstrieb ein."Fight or Flight" Das hat nichts mit Mitläufertum zu tun.
Da muss man abwägen ,was das beste ist um zu überleben,oder man ist ein Krieger und nimmt seinen frühzeitigen Tod in Kauf.
Aber das kann man nicht von zu Hause aus ,von einer bequemen Couch entscheiden.
Man weiß nicht wie man reagieren würde, wenn man nicht nicht in so einer Situation steckt.
Aber auch die heutige Gegenwart zeigt Beispiele, zum Beispiel Sekten. Ich denke jeder, der versucht hat, jemanden aus einer Sekte rauszuholen weiß, wie so jemand indoktriniert ist. Er ist nicht zugänglich für kritische Argumente, er hält sich dann die Ohren zu. Er will nichts gegen seinen Guru hören.
Ja, mit diesem Thema habe ich mich vor einer Weile auch befasst.
Da gibt es auch Studien zu ,warum Menschen sich so verhalten.
Hat wohl auch viel mit der Erziehung zu tun.
Manche Menschen brauchen halt eine Autorität ,die ihnen sagt wo es lang geht.
(beim Mitläufertum ist die Masse die Autorität,eine Masse die irgendeinem Trend folgt...)
Weil sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht vertrauen.
Weil es ihnen in ihrer Kindheit schon abtrainiert wurde.
(Sowas habe ich schon immer gehasst und mich dagegen gewehrt..siehe auch Gaslighting)
So lange ist es noch gar nicht her,das man Kindern mit dem Rohrstock eins übergebraten hat und sie weinen ließ (bis sie vor Erschöpfung einschliefen) um sie ja nicht zu verziehen. *Schwarze Pädagogik*
Von diesen Generationen kann man nicht viel Eigensinn abverlangen.Das wäre unfair.
Und Im Bereich Spiritualität sowieso..auch wenn ich das persönlich für paradox halte.
Da sollte jeder seinen eigenen Weg finden.^^
So was kann sehr böse enden -> wie in Jonestown z.B
Der Papst ist für mich auch nichts anderes als ein Guru,und der beeinflusst Millionen von Menschen.^^
Die dunkle Seite der Macht sozusagen.
Arminius81
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 42
Registriert: Samstag 20. Februar 2021, 16:03
Beziehungsstatus: Single
Gender:
Alter: 42

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Arminius81 »

Hat wohl auch viel mit der Erziehung zu tun.
Manche Menschen brauchen halt eine Autorität ,die ihnen sagt wo es lang geht.
(beim Mitläufertum ist die Masse die Autorität,eine Masse die irgendeinem Trend folgt...)
Weil sie ihrer eigenen Wahrnehmung nicht vertrauen.
Weil es ihnen in ihrer Kindheit schon abtrainiert wurde.
(Sowas habe ich schon immer gehasst und mich dagegen gewehrt..siehe auch Gaslighting)
So lange ist es noch gar nicht her,das man Kindern mit dem Rohrstock eins übergebraten hat und sie weinen ließ (bis sie vor Erschöpfung einschliefen) um sie ja nicht zu verziehen. *Schwarze Pädagogik*
Von diesen Generationen kann man nicht viel Eigensinn abverlangen.Das wäre unfair.
Das sind Faktoren, an die ich nicht gedacht habe. Die mir teilweise auch nicht bekannt waren (Gaslighting)
Wenn jemand aufgrund negativer Prägung in der Kindheit so vorgeschädigt ist, muss er womöglich von Natur aus ein starker Mensch sein um da herauszukommen. Schafft er es nicht, dann ist er für Sekten eine leichte Beute. Es wäre unfair ihm das zum Vorwurf zu machen.
Daraus schließt sich für mich, wenn sich Jemand einer Sekte anschließt, wäre es dann wohl fair zu fragen warum er das macht. Denn im Fall einer starken Vorschädigung hat er womöglich keine andere Wahl.

Daraus resultiert für mich eine weitere Frage. Es gibt fragwürdige politische Bewegungen von sogenannten "Wutbürgern", die zu Recht kritisiert werden. Wäre es gerecht, wenn man sagen würde dass jeder der hier mitmacht ein Mitläufer ist oder sollte man das oben genannte auch hier in Betracht ziehen?
Der Papst ist für mich auch nichts anderes als ein Guru,und der beeinflusst Millionen von Menschen.^^
Die dunkle Seite der Macht sozusagen.
Da gebe ich dir sowas von Recht. Für mich ist die katholische Kirche die Ursekte schlechthin und der unfehlbare Papst, der sich von seinen Anhängern "Heiliger Vater" nennen lässt, erfüllt klar jedes Kriterium eines Gurus
Soiled

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Soiled »

Arminius81 hat geschrieben: Mittwoch 24. Februar 2021, 20:37 Denn wenn der Papst das sagt wird das schon stimmen, denn er ist unfehlbar.
Das Konzept "Unfehlbarkeit des Papstes" gab's erst ab 1870, aber das nur nebenbei. ;) (Link)
Ich vermute, Du meinst das Papstprimat, was nichts ungewöhnliches ist - es gibt viele Organisationen, an deren Spitze ein Oberchef steht. Das war eigentlich auch immer etwas, was nicht unbedingt von allen akzeptiert wurde. Drum gab es ja auch gelegentlich mehr als einen Papst und Schismen usf., eben weil sie sich nicht einigen konnten.
Und Hexenverfolgung gab's auch in nicht-katholischen Gegenden, wo der Papst eh keine Autorität hatte. Es war eher eine Sache der weltlichen Gerichte, die Kirche war da gar nicht mal so irrsinnig involviert, abhängig von der Region. Klar, man hat sich gern mal auf die Bibel bezogen, aber innerhalb der (katholischen) Kirche wurde das ganze Thema hoch kontrovers diskutiert.
Hat mit dem eigentlichen Thema jetzt wenig zu tun, geht auch nicht gegen Dich persönlich, aber ich hab leider nun mal ein bissi ein Problem damit, wenn verzerrt dargestellte Geschichte als Argument gebraucht wird. Da bin ich wirklich ein elender Korinthenkacker. :lol:
Aber keine Sorge, ich sehe Religiosität und generell Spiritualität trotz alledem eher kritisch, insbesondere mit der Verknüpfung von Kirche und Staat hab ich massive Probleme, speziell wenn es in Richtung Klerikalfaschismus geht.
Ich denke, es ist ein Unterschied, ob jemand freiwillig seinen Verstand an einen Sektenguru, einen Papst oder einen politischen Führer abgibt oder ob er sich seinen Umständen anpasst, weil er um sein Leben fürchtet.
Ich glaube kaum jemand gibt seinen Verstand "freiwillig" ab, das ist das Ergebnis von Indoktrination, Propaganda und Gehirnwäsche, da stimme ich Fanchen zu.
Ganz großer Klassiker ist da neben Gaslighting auch "love bombing" und Verwandtes: Schnapp Dir einen Menschen mit mäßig ausgeprägtem Selbstwertgefühl und erzähle ihm/ihr, dass er/sie supertoll und gegebenenfalls besser als andere sei. Das glaubt er/sie natürlich gern - jeder mag Komplimente, die fühlen sich halt gut an, weil Belohnungszentren im Gehirn aktiviert werden. Wir können da gar nicht anders.
Funktioniert im kleinen Rahmen genauso wie im größeren, und so gut wie niemand ist davor gefeit. Flüchtige Bekannte von mir ist in so einer seltsamen freikirchlichen Sache gelandet, nachdem der Typ, den sie heiraten wollte, mit ihr Schluss gemacht hat. Sie war am Boden zerstört, und die Leute waren halt da. Und waren auch sicher der Überzeugung, ihr wirklich etwas Gutes damit zu tun, sie in ihre Gemeinschaft aufzunehmen.
Dass jemand dagegen in die katholische Kirche eintritt, weil er/sie den Papst so irrsinnig charismatisch und überzeugend findet, ist eher extrem selten, glaube ich. Ich will es natürlich nicht komplett ausschließen, aber kennengelernt habe ich noch niemanden.
Und Kindern, die in Religionsgemeinschaften hineingeboren werden, kann man ja eh nicht den Vorwurf machen, dass sie irgendwie willensschwach wären. Wenn's das einzige ist was man kennt ist man halt nicht so kritisch. Und wie soll man sich bitte gegen eine Taufe wehren, wenn man noch nicht einmal sprechen oder laufen kann?
Fanchen hat geschrieben: Donnerstag 25. Februar 2021, 00:57 Ich würde eher den gegenteiligen Schluss ziehen, nämlich, dass man Unterstützer der Wehrmacht eher als Mitläufer bezeichnen kann.
Ich glaube das Problem ist, dass "Mitläufer" keine wirklich festgelegte Bedeutung hat sondern ein sehr schwammiger Begriff ist. Grade im Bereich der Entnazifizierung, wo er viel gebraucht wurde, bezeichnet er eher etwas verhältnismäßig harmloses.

Schnell mal die Kategorien rüberkopiert, in absteigender Schwere:
- Hauptschuldige (Kriegsverbrecher)
- Belastete (Aktivisten, Militaristen und Nutznießer)
- Minderbelastete (Bewährungsgruppe)
- Mitläufer
- Entlastete

Persönlich finde ich die Einteilung nicht perfekt, z.B. gefällt mir das Wort "Nutznießer" bei den Belasteten nicht, weil indirekt so ziemlich jeder Nutznießer war, der keiner verfolgten Bevölkerungsgruppe angehört hat, aber, naja.
Aber ich denke, wir sind uns alle einig, dass ein aus tiefer Überzeugung handelnder Kriegsverbrecher moralisch verwerflicher ist als ein kleiner PG, der nur seine Beiträge gezahlt hat. Klar, auch letzterer hat dadurch das System gestützt und sich mitschuldig gemacht, trotzdem kein Vergleich.

Vielleicht kommt es ja auch zu Missverständnissen, weil die Frage etwas schwammig formuliert ist. Früher hat man ja mehr unterschieden zwischen wieso/weshalb/warum, also der Frage nach Ursache, Zweck, Motiv etc., inzwischen läuft das alles unter "warum". Und, ja, es gibt deutliche Unterschiede zwischen "Aus welchen persönlichen Motiven heraus wird jemand Mitläufer?", "Welche Umstände führen dazu, dass jemand Mitläufer wird?" usw.

Wenn man das ganze präziser formuliert merkt man eigentlich recht schnell, dass man zu dem Thema eigentlich ein Buch schreiben könnte, mindestens.
Arminius81
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 42
Registriert: Samstag 20. Februar 2021, 16:03
Beziehungsstatus: Single
Gender:
Alter: 42

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Arminius81 »

Soiled hat geschrieben:
Das Konzept "Unfehlbarkeit des Papstes" gab's erst ab 1870, aber das nur nebenbei. ;) (Link)
Ich vermute, Du meinst das Papstprimat, was nichts ungewöhnliches ist - es gibt viele Organisationen, an deren Spitze ein Oberchef steht. Das war eigentlich auch immer etwas, was nicht unbedingt von allen akzeptiert wurde. Drum gab es ja auch gelegentlich mehr als einen Papst und Schismen usf., eben weil sie sich nicht einigen konnten.
Und Hexenverfolgung gab's auch in nicht-katholischen Gegenden, wo der Papst eh keine Autorität hatte. Es war eher eine Sache der weltlichen Gerichte, die Kirche war da gar nicht mal so irrsinnig involviert, abhängig von der Region. Klar, man hat sich gern mal auf die Bibel bezogen, aber innerhalb der (katholischen) Kirche wurde das ganze Thema hoch kontrovers diskutiert.
Hat mit dem eigentlichen Thema jetzt wenig zu tun, geht auch nicht gegen Dich persönlich, aber ich hab leider nun mal ein bissi ein Problem damit, wenn verzerrt dargestellte Geschichte als Argument gebraucht wird. Da bin ich wirklich ein elender Korinthenkacker.
Danke für die Korrektur, ich lerne gern dazu :)
Soiled hat geschrieben: Ich glaube kaum jemand gibt seinen Verstand "freiwillig" ab, das ist das Ergebnis von Indoktrination, Propaganda und Gehirnwäsche, da stimme ich Fanchen zu.
Das klingt für mich so, als ob so jemand gar nichts dafür könnte, weil er indoktriniert und manipuliert wurde.

Wie sieht es an dieser Stelle mit Selbstverantwortung aus? Klar gibt es Mittel der Manipulation, Indoktrination, ect, aber dennoch lässt man es doch zu, dass man Indoktriniert wird.
Ich sehe ein, wenn jemand aufgrund von Erziehung entsprechend geprägt ist und daher eine autoritäre Führung braucht, kann man ihm das nicht vorwerfen. Aber trifft das wirklich auf jeden zu der sich einer Sekte anschließt?
Man ist doch irgendwann verantwortlich für das, was man aus seinem Leben macht.
Soiled hat geschrieben: Das glaubt er/sie natürlich gern - jeder mag Komplimente, die fühlen sich halt gut an, weil Belohnungszentren im Gehirn aktiviert werden.
Das ist in der Tat ein Beispiel der Manipulation.
Das greift besonders gut wenn man von Haus aus kein Selbstwertgefühl im Gepäck hat. Ich spreche hier aus Erfahrung.
Soiled hat geschrieben: Wir können da gar nicht anders.
Da tu ich mich schwer zuzustimmen. Klar werden Belohnungszentren aktiviert. Ich weiß wie sich das anfühlt. Ich habe (leider) etwas Sektenerfahrung.

Es ist aber unsere Entscheidung wie wir auf dieses wunderbare Gefühl des belohnt werdens reagieren. Klar ist es nicht einfach, vielleicht muss man hier entweder eine gewisse Sattelfestigkeit mitbringen oder eben einmal hart auf die Nase fallen und hoffentlich daraus lernen.

Soiled hat geschrieben: Funktioniert im kleinen Rahmen genauso wie im größeren, und so gut wie niemand ist davor gefeit
Man kann vielleicht nicht zu 100% davon gefeit sein, aber man kann daraus lernen. Man kann hinterher, z.B. wenn man aus einer Sekte ausgetreten ist oder generell Erfahrungen mit manipulativen Menschen hatte, durch Reflektieren verstehen, wie es überhaupt möglich war um den Finger gewickelt zu werden. Und wie kann man sich vor sowas schützen? Kann man zumindest weniger empfänglich dafür werden? Ist hierfür ein Training der Emotionalen Intelligenz erforderlich?


Was anderes und vielleicht auch etwas provokantes ... wenn sich Jemand den sogenannten "Wutbürgern" anschließt, gibt es hier einen Unterschied zu jemanden, der sich einer Sekte anschließt? Wenn ich mir anschaue, was für Schwachsinn so manche Verschwörungstheoretiker von sich geben (Auf Youtube nach "Best of hygienedemos" suchen), fällt es mir sehr schwer zu glauben, dass solche Menschen ihren Verstand nicht freiwillig abgelegt haben.
Charlotte Sometimes
Bestätigtes Mitglied
Beiträge: 1479
Registriert: Mittwoch 23. Mai 2018, 22:57
Gender:
Alter: 40

Re: Warum wird man Mitläufer?

Beitrag von Charlotte Sometimes »

@Arminius81

Ich würde dir falls du Netflix hast die Staffel "Wild Wild Country" empfehlen.
Da geht es um die Bhagwan - Sekte.
Ich glaube ein wichtiger Punkt ,der hier noch nicht erwähnt wurden ist,ist das sich Menschen ,die sich einer Gruppe/Sekte anschließen ,sich für exklusiv halten.(Woran erinnert mich das bloß?)
Da geht es dann aber auch um "Geheimwissen" ,Wissen das nur die Anhänger der Sekte haben.
Spirituelle Bewusstseinserweiterung,Heilung von Traumata etc.
Das verspricht der weise Guru,der im Grunde nur ein Scharlatan ist und die Gutgläubigkeit der Menschen ausnutzt.
Antworten