Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
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Grauer Wolf
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Grauer Wolf »

Ich muß gestehen, daß ich diese Diskussion hier eher belustigt verfolge -- wohl weil ich das zugrundeliegende Problem nicht nachvollziehen kann, resp. nicht als Problem erkenne. Einerseits wird in der Schwarzkittelszene (wie weiter oben schon verlinkt) sehr viel wert auf Individualismus gelegt: Weil ich hier so sein kann, wie ich will, und mein Schwarzsein nicht verstecken muß. Andererseits wird jedoch lange darüber diskutiert, wo vor lauter Individualisten denn bitteschön noch der identitätsstiftende Markenkern, das alleinstellende Hauptmerkmal der Schwarzen Szene zu finden sei -- denn mit schwarzen Klamotten allein sei es ja nicht mehr getan.

Jede Diskussion zu diesem Thema muß sich also früher oder später im Kreis drehen und in den Schwanz beißen.

Für mich klingt das etwas so, als brauche man zur Bestätigung des eigenen Ichs eine möglichst konforme Szene als Hintergrund, vor dem man sich dann als Individuum absetzen kann. In früheren Zeiten bildete die gemeine Schnöselgesellschaft diesen Hintergrund, vor dem der Prototyp des Gothen (der damals übrigens nicht unbedingt schwarz gekleidet war), kontrastreich herausstach. Dumm halt nur, daß sich dieser konforme Hintergrund inzwischen ebenfalls in Individuen auflösen möchte -- und sich zu diesem Zwecke auch der Symbole der Schwarzen Szene bedient, resp. die Schwarze Szene als konformen Hintergrund für das Herausstellen des eigenen Ichs verwendet.

Na und? -- möchte ich dann einfach nur fragen.




PS: Wem schwarze Kittel über aschfahler Haut nicht mehr als aus dem zunehmend schwarzen Schnöselhintergrund hervorstechendes und sinnstiftendes Alleinstellungsmerkmal taugt, kann ja jederzeit und einfach wieder mal an der Farbpalette drehen. Vielleicht sehen die Gothen der Zukunft ja so aus. Eckt am deutschen Neo-Biedermeier garantiert an. Jedenfalls für eine Weile. Und dann hätten wir sie auch gefunden, die japanischen Einflüsse auf die gothische Szene... ;-)
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Graphiel
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Graphiel »

@Grauer Wolf

In dem Zusammenhang muss ich ja immer Siouxsie Sioux denken, die ja als eine der stilprägenden Damen von damals gehandelt wird und die dann im Video zu Spellbound in quietschgelbem Kleid herumtänzelte. Wäre das also nicht eher sowas wie back to the roots oder zählt das dann nicht? :lol:
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Elric
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Elric »

Neo Biedermeier...
...das hat gesessen...^^
blacksister´s ghost

Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von blacksister´s ghost »

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Graphiel
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Graphiel »

@blacksister´s ghost
So sehe ich das letzten Endes auch. Wenn ich diese Aussage lese, dann ploppt bei mir halt erst mal ein Fragezeichen über dem Kopf auf. "Hier kann ich sein wie ich will und muss mein Schwarz sein nicht verstecken." OK, heißt also im Umkehrschluss, ohne die Szene muss ich mich verstecken. => Wenn ich mich verstecken muss, dann ecke ich also irgendwie oder bei irgendwem an. Wie Soiled jedoch ganz richtig schrieb ist es bei Jugendkulturen jeglicher Art völlig normal anzuecken. Was steckt also dahinter? So oft wie ich diese Aussage höre oder lese kann ich es mir nur schwer vorstellen, dass bei allen gleich der Verlust von Familie oder Arbeitsplatz droht, wenn die betreffende Person denn ihr schwarz sein nicht verstecken würde.

Allerdings stimme ich zu, dass man im Zweifelsfall auch nachfragen kann, was Person xy mit der aussage denn genau meint ;)
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blacksister´s ghost

Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von blacksister´s ghost »

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Zuletzt geändert von blacksister´s ghost am Freitag 9. August 2019, 12:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Graphiel
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Graphiel »

Zumindest würde ich sagen, dass sie sich aus einer solchen entwickelt hat.

Das meine ich jetzt übrigens gar nicht abwertend. Ich finde es großartig, dass sich eine ehemalige Jugendkultur zu etwas entwickelt hat, dass man mit Fug und recht als generationsübergreifende Gemeinschaft bezeichnen kann, auch wenn die Interpretationen der einzelnen Themengebiete inzwischen so breit gefächert sind, dass Neuzugänge es zunehmend schwerer haben, noch die Wurzeln des Ganzen zu erkennen.

Also um deine Frage zu beantworten: Nein, eine reine Jugendszene ist die schwarze Szene für mich sicherlich nicht (mehr).
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Lylia
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Lylia »

Nein es bedarf keine Szene um man selber sein zu können, nur etwas Mut zum Selbst und einen gehörigen Schi... darauf, was andere über einen denken.
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Herbstlaubrascheln
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Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Herbstlaubrascheln »

Ich weiß gar nicht, warum man dieses Wort "Jugendkultur" irgendwie oft so naserümpfend betrachtet...ich seh`das Problem nicht. Letztendlich war es nämlich genau das; und irgendwo ist es das heute noch immer. Dass Leute im weit fortgeschrittenem Alter zum Gruftie werden, ist doch eher selten (für den Fall, dass sich jetzt hier manche gleich "outen", ich hab`s durchaus aufm Schirm, dass das vorkommt, aber wie gesagt ist es nicht unbedingt die Regel ;))

Das mit der "Gemeinschaft"..naja, ich weiß nicht, als solche sehe ich es eigentlich nicht (mehr); dafür ist das Ganze zu viel- und weitschichtig geworden, zuviel zusammen gewürfelt worden, zu groß, zu unübersichtlich. Da von Gemeinschaft zu sprechen, finde ich ziemlich übertrieben. Brauch`ich für meinen Geschmack aber auch gar nicht.

Abgesehen davon, wenn man wie ich am Arsch der Welt wohnt, wo "Szene" kaum vorhanden ist, hätte ich mich die letzten Jahre eher schlecht fühlen müssen ;)
" Hab` keine Angst, bin nur ein Nachtgespenst
das keine Liebe kennt." (Untoten, "Grabsteinland")
Soiled

Re: Bedarf es einer Szene um man selbst sein zu können?

Beitrag von Soiled »

Grauer Wolf hat geschrieben: Sonntag 5. Mai 2019, 13:00 die gemeine Schnöselgesellschaft
Interessante Wortwahl. Für mich sind "Schnösel" genau das Gegenteil von "gemein", vielmehr die Menschen, die herablassend auf Feuerwehrfeste, (düstere) Schlager, Mittelalterrock der Variante "Saufen!" usw. herabschauen.

Also, nicht dass das an dieser Stelle relevant wäre.
Eckt am deutschen Neo-Biedermeier garantiert an.
Hm. Könntest Du näher erläutern, wie Du das meinst?
Also, die Existenz des Neo-Biedermeier will ich ja gar nicht leugnen, das gibt es ohne Frage. Aber das zeigt sich in der Schwarzen Szene doch genauso wie unter anderen Leuten. Ich mein, der Rückzug in das Private (schon für das 1. Biedermeier typisch) wird sogar von Teilnehmern des Forums deutlich herausgestellt. Da geht man nicht mehr unter Leute, da bastelt man am Eigenheim, da hat man einen verdammten Schrebergarten und/oder träumt von einem Haus auf dem Land, obwohl man keine Ahnung von Landwirtschaft hat ...
Ist ja auch okay, ich hab da kein größeres Problem damit, sollen sie halt. Ich selber hab ja definitiv auch Spießer-Tendenzen, so ist es ja nicht.
NightSun hat geschrieben: Montag 6. Mai 2019, 22:19 und einen gehörigen Schi... darauf, was andere über einen denken.
Sowas hört sich immer so rücksichtslos an, finde ich. Ich mein ... ich interessiere mich ja sehr für die Schnittmenge zwischen Kunst und Tod, und zwar in der ungeschönten Variante - ein sehr gruftiges Thema imho. So schrecklich offen gehe ich aber damit selbst hier nicht um, weil es Leute nun mal verstört - grade wenn es um Fotografie geht braucht man dafür schon einen sehr robusten Magen. Und bei jedem Link eine Trigger-Warnung davorzupappen ist etwas nervig.