Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
Soiled

Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Soiled »

Ich weiß nicht genau, ob das Thema hier gut aufgehoben ist, aber wenn ich bedenke, wie oft in der sogenannten Szene "Authentizität" geschrien wird, glaub ich es fast schon.

Ich bin mir jedenfalls nicht so sicher, ob Authentizität überhaupt für jeden das gleiche bedeutet. Grob geht es wohl schon in die Richtung, daß das Innere und das äußere Verhalten halbwegs zusammenpassen, aber es impliziert imho auch eine gewisse geistige Unbeweglichkeit, die mir wirklich nicht taugt. Ich und sicher auch andere haben doch viele verschiedene Facetten, die je nach den Umständen zum Vorschein kommen - wenn jemand die nicht hätte wäre er/sie doch entsetzlich eindimensional. Persönlich bin ich ja bekennend widersprüchlich (grad erst hat z.B. ein Freund zu mir gesagt, daß ich sowohl Rampensau als auch verschrecktes Kaninchen könne, und er hat absolut recht damit :lol: ), und genau diese Widersprüchlichkeit macht mich doch aus. Ich kann auch abwechselnd, wenn nicht sogar gleichzeitig, ziemlich schlau und ziemlich doof sein, oder auch progressiv und extrem spießig, kultiviert und ultra-prollig. Wenn jemand nur die eine Hälfte von mir kennt und mir dann mangelnde Authentizität vorwirft, wenn er mal die andere zu Gesicht bekommt, ist das doch sein Problem, nicht meins.

Und auch die an anderer Stelle erwähnten "Masken" sehe ich nicht so dramatisch. Wie gesagt, ich glaube nicht, daß ich mich je komplett verleugne, höchstens daß ich gewisse Aspekte von mir, die sowieso schon existieren, je nach meiner Umgebung mehr in den Vordergrund rücke oder mehr zurückhalte - teils gezielt, teils unbewußt. Ganz besonders wichtig ist das im Ausland, imho. In D kann ich viel direkter, fordernder und "unhöflicher" sein als z.B. in Amiland oder sogar nur Österreich. Bin ich dadurch schon unauthentisch?

Aber das ist nur meine persönliche Meinung, nicht jeder muß dazu so ein ambivalentes Verhältnis haben wie ich, drum frage ich einfach mal ganz dummdreist: Was genau macht in Euren Augen einen authentischen Menschen aus? Und warum ist Euch Authentizität überhaupt so wichtig?
Lylia

Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Lylia »

Gerade im Web ist es häufig eine Unart sich arrogant anzumaaßen jemandem zu unterstellen, er sei nicht authentisch, und damit so zu tun als kenne man ihn privat. Meist geschieht es, wenn User A den User B nicht leiden kann und dann behauptet zu wissen, wie dieser jetzt im Augenblick sich zu verhalten habe um "echt" also er selber zu sein. Man ist sich fremd und kann gar nicht wissen wie der andere wirklich ist, das setzt nämlich intensiven privaten Kontakt vorraus.

Ich finde zudem, dass Authenzität oft überkorrekt interpretiert wird und Menschen nun mal sich nicht immer linear verhalten, als ebenfalls ambivalenter Typ schwankt mein Verhalten auch schon mal, je nach Situation und Begebenheiten. Ich kann lieb und verschmust sein aber auch genauso, mal krass sagend was ich denke ohne dabei immer ein Höchstmass an Empathie anzuwenden, aber bin ich deswegen gleich "unecht"?

Emotionen steuern uns Menschen eben auch mal und dann kann ich schimpfen wie ein Rohrspatz und im nächsten Moment bin ich wieder ganz artig. :lol:

Das Wort Authenzität bekommt man laut meiner Erfahrungen auch gerne mal an den Kopf geschmissen, wenn jemanden schlicht meine Meinung nicht in den Kram passte, wer mir sowas sagt, den verballhorne ich meist, weil ich ihn dann nicht mehr ernst nehmen kann und das ist dann Authenzität von mir. :twisted:
Phönix75
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Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Phönix75 »

Authentisch ist für mich jemand, der/die das meint, was er/sie sagt/schreibt und dazu steht. Dabei ist es egal, wo er/sie herkommt, welcher Szene er/sie angehört usw.. Wenn dazu sein/ihr Äußeres zum Inneren passt, finde ich das absolut korrekt. Er/Sie muss das widerspiegeln, was er/sie vorgibt zu sein. Mehr gibts dazu eigentlich nicht zu sagen. Widersprüchliche Menschen können sich oft nicht auf bestimmte Dinge festlegen und wollen überall mitmischen. Da bin ich relativ fest und "linear". Man weiß sozusagen, woran man bei mir ist. Ich weiß auch, dass manche Menschen damit Probleme haben. ;)

@Soiled

Mir ist schon aufgefallen, dass du eine ziemlich ambivalente Persönlichkeit hast und das auch immer sehr offensiv in den Vordergrund rückst. Das ist mir ehrlich gesagt zu anstrengend. Aber das nur am Rande und ist nur meine bescheidene Meinung. ;)
Nichts ist so, wie es scheint.
Elric
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Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Elric »

Soiled hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 11:50 Ich weiß nicht genau, ob das Thema hier gut aufgehoben ist, aber wenn ich bedenke, wie oft in der sogenannten Szene "Authentizität" geschrien wird, glaub ich es fast schon.
Ich mag mich zu diesem Thema grade nur in Bezug auf die "Szene" äußern, weil ich es da nämlich komplett anders sehe: Wer es heutzutage noch wagt, von etwas so antiquiertem und spießigen wie Authentizität innerhalb der Szene zu faseln, kann sich auf einen Shitstorm gefaßt machen und wird generell als böser Obergote abgestempelt...

...was aber Menschen anbelangt, die man gemeinhin als "kaprizöse Persönchen" (jeglichen Geschlechtes) bezeichnet, teilen die sich in zwei Gruppen: Die einen sind skurril- unterhaltsam und größtenteils harmlos; für die anderen ist es Lebensinhalt, ihre Mitwelt zu Dung zu nerven und man kann sie nur ignorieren oder, im Idealfall, großräumig umgehen...
Bloody Arthur

Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Bloody Arthur »

Phönix75 hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 14:30 Authentisch ist für mich jemand, der/die das meint, was er/sie sagt/schreibt und dazu steht. Dabei ist es egal, wo er/sie herkommt, welcher Szene er/sie angehört usw..
Naja, schon. Aber die Handlungen gehören eben auch dazu und da wird´s schon schwieriger... Ich frage mich z.B. manchmal in wie weit ich authentisch bin. Weil ich mich z.B. gegen Massentierhaltung ausspreche aber kein Veganer sondern nur Vegetarier bin... Vegetarier zu sein macht im Bezug auf Massentierhaltung halt kaum ein unterschied... Genauso mein Ärger über die Umweltverschmutzung, ich verzichte trotzdem nicht komplett auf Plastik, nicht mal soweit es möglich wäre.
Genauso mein Ärger über Kapitalismus, Ausbeutung und Gentrifizierung... Warum gehe ich dann in den Supermarkt und wohne in einer Mietswohnung?

Ich finde das mit der Authentizität ist garnicht so einfach...

Andererseits halte ich mich für Authentisch weil ich eben zu meinen "Ambivalenzen" stehe... Und da haben wir denke ich eine recht unterschietliche Meinung Phönix ;)
Ich finde Menschen ohne Widersprüche... ja... langweilig. Bzw. glaube ich nicht das es solche Menschen überhaupt gibt.

...................
Bezogen auf die Szene(n)
Ich bin kein Verfechter von "trueness"
Ich finde ein allzu starkes klammern an traditionelle Szenesachen oft eher ein wenig unauthentisch, wenn man nicht wirklich aus der Entstehungszeit kommt...
Man denke nur mal an die ganzen 16 Jährigen, deren erster Satz auf nem Konzi ist: "früher war alles besser" :lol:
(Ganz abgesehen davon sollte man die Wurzeln natürlich kennen! Und wenn man das wirklich lebt, ist man auch authentisch)
Und auch hier ist das wieder so mit der Handlung... Was bringt mir eine optische Oldshcool Fledermaus, die nur Mist redet, nichts selbst macht und so weiter...
Soiled

Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Soiled »

Phönix75 hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 14:30 Authentisch ist für mich jemand, der/die das meint, was er/sie sagt/schreibt und dazu steht.
Ich stehe zu allem, was ich schreibe. Ich stehe aber auch dazu, gegebenenfalls meine Meinung zu ändern.
"Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern; nichts hindert mich daran, weiser zu werden." ;)

Aber ich finde Deine Aussage sehr interessant, daß für Dich Authentizität einen starken Unterton von Verlässlichkeit, vielleicht sogar Berechenbarkeit hat.
Wenn dazu sein/ihr Äußeres zum Inneren passt, finde ich das absolut korrekt. Er/Sie muss das widerspiegeln, was er/sie vorgibt zu sein.
Das ist aber doch schon sehr subjektiv, oder? Ich mein ... wenn ich Sachen aus meinem Ameisenstoff anhabe ist das logischerweise sehr passend, sowohl zu meinem Inneren als auch zu meinen Handlungen - ich mag Arthropoden, ich hab vor Urzeiten meine Bachelor-Arbeit über entomopathogene Pilze geschrieben etc. pp. Wenn also jemand anders mit einem Spinnenanhänger auftaucht dann heißt das ... ja, äh, was eigentlich?
Elric hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 15:11 ...was aber Menschen anbelangt, die man gemeinhin als "kaprizöse Persönchen" (jeglichen Geschlechtes) bezeichnet, teilen die sich in zwei Gruppen: Die einen sind skurril- unterhaltsam und größtenteils harmlos;
Danke. :) Dich mag ich übrigens auch.

Das einzige, was mich an einigen Obergoten (und auch an anderen Ober-Leuten) manchmal nervt, ist die Tatsache, daß sie oft Autoritäten ablehnen, sich selber aber gerne mal als Autorität aufspielen. Oder Demut einfordern, selber aber alles andere als demütig sind. Hat was von Wasser predigen, aber Wein trinken imho.
Bloody Arthur hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 15:32 Ich finde ein allzu starkes klammern an traditionelle Szenesachen oft eher ein wenig unauthentisch, wenn man nicht wirklich aus der Entstehungszeit kommt...
Gutes Argument, da hab ich gar nicht so recht dran gedacht. Szene hin oder her, viel mehr sind wir doch von der "normalen" Gesellschaft geprägt, und das ändert sich natürlich von Generation zu Generation.
Elric
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Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Elric »

Soiled hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 18:37 Danke. :) Dich mag ich übrigens auch.
Ähmmm, hüstel, nun, das ist fein...^^
Soiled hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 18:37
Bloody Arthur hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 15:32 Ich finde ein allzu starkes klammern an traditionelle Szenesachen oft eher ein wenig unauthentisch, wenn man nicht wirklich aus der Entstehungszeit kommt...
Gutes Argument, da hab ich gar nicht so recht dran gedacht. Szene hin oder her, viel mehr sind wir doch von der "normalen" Gesellschaft geprägt, und das ändert sich natürlich von Generation zu Generation.
Nach der Logik ist auch unauthentisch, sich Klassik anzuhören. Mir ist bisher auch kein museales Nachspielen des Urgotentums aufgefallen; da ist doch Leben und Bewegung...

...ansonsten ich sehe einen Unterschied darin, ob eine Subkultur Evolution oder Degeneration erfährt und bin eher Anhänger des Ersten...
Bloody Arthur

Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Bloody Arthur »

Elric hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 19:51 Nach der Logik ist auch unauthentisch, sich Klassik anzuhören.
Nö, aber es wäre vll. etwas unauthentisch, wenn man sich so gibt als wäre man aus der Zeit seines Lieblingsklassikkomponisten... Und nicht versucht dem ganzen einen eigenen Hauch zu verleihen...

Hinzugefügt nach 5 Minuten 29 Sekunden:
Elric hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 19:51
...ansonsten ich sehe einen Unterschied darin, ob eine Subkultur Evolution oder Degeneration erfährt und bin eher Anhänger des Ersten...
Joa, sehe ich auch so. Allerdings ist das verdammt schwer wenn eine Szene so stark begonnen hat. :mrgreen:
Bzw. War Gothic/Postpunk/Neofolk etc. von der Anfangszeit bis ende der 90er ja ziemlich experimentell und Andersartig/Individuell.

Das heißt wenn man heute den Gothic Sound kopiert ist man eben genau nicht.... Experimentell...
Wenn man sich also authentisch Gothic verhalten möchte muss man also etwas vollkommen anderes machen... Was mit Gothic überhaupt nichts mehr zu tun hat...

Hilfe, mein Gehirn dreht gerade durch xD Ich höre lieber an dieser Stelle auf :lol:
Elric
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Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Elric »

@ Arthur

Natürlich gibt es im Gruftibereich Epigonentum und Wiederholung; allein schon, wieviele Klone von Fields es gibt...^^ (die meisten mag ich :guitar: )...

...und das ganze Post Punk und Gothic Ding ist doch vielfältig und dunkelbunt und lebt und zappelt, auch heute noch...^^
Soiled

Re: Was bedeutet "Authentizität" für Euch?

Beitrag von Soiled »

Elric hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 19:51 ...ansonsten ich sehe einen Unterschied darin, ob eine Subkultur Evolution oder Degeneration erfährt und bin eher Anhänger des Ersten...
Oooooch, ich finde Degeneration schon sehr gruftig ... :lol:
Bloody Arthur hat geschrieben: Freitag 20. Juli 2018, 20:09 Nö, aber es wäre vll. etwas unauthentisch, wenn man sich so gibt als wäre man aus der Zeit seines Lieblingsklassikkomponisten... Und nicht versucht dem ganzen einen eigenen Hauch zu verleihen...
Sagen wir es mal so: Es gibt bei den Klassik-Leuten die Fraktion "historische Aufführungspraxis" - die sind ziemlich hardcore, aber auch ein bißchen wunderlich imho.
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