Gothic im Mainstream

Alles über Gothic und die Schwarze Szene.
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Evanahhan
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Gothic im Mainstream

Beitrag von Evanahhan »

Gerade bin ich über folgenden Artikel gestolpert:
„Gothic im Mainstream
5 Acts, die es ohne die Gothic Szene nicht geben würde“
https://www.br.de/puls/musik/aktuell/5- ... d-100.html

Etliches in dem Artikel klingt schon echt seltsam, wie z.B. zu Grimes
„Dazu vermittelt die kanadische Sängerin eine Ästethik, die stark an das Gothic Subgenre Steampunk erinnert: Grelle Latexkleider, gefärbte Haare im Mix aus futuristischen und mittelalterlichen Elementen.“
In dem Video finde ich nun nichts, was mich irgendwie im entferntesten an Gothic erinnern würde.

Und was bedarf es tatsächlich, um Gothic Einfluss zu unterstellen? Überspitzt gesagt, wann auch immer reichlich Kajal verwendet wird oder irgendwas „creepy“ ist, hätte es das ja nach dem Artikel ohne Gothic nicht gegeben.

Bei den musikalischen Einflüssen kann ich schon eher mitgehen, aber das ist jetzt ein subjektiver erster Eindruck.

(Ich dachte, ich werfe zur Abwechslung mal wieder was Szene-relevantes in die Runde :mrgreen: )
„Worte können sein wie winzige Arsendosen: Sie werden unbemerkt verschluckt, sie scheinen keine Wirkung zu tun, und nach einiger Zeit ist die Giftwirkung doch da.“
Victor Klemperer, LTI
Soiled

Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Soiled »

Hehe, in diesem Artikel tauchen ja wirklich herrliche Sätze auf. "Doch Gothic hat mehr zu bieten als Satanismus, Orgien und geschminkte Männer in dunklen Gewändern." So ein Mist, die Orgien sind irgendwie immer an mir vorbeigegangen ...

Ich find auch die Gegenüberstellung von "Gothic" und "Mainstream" sehr unpassend. "Mainstream" ist kein Genre, imho kann man Mainstream am ehesten noch an den Verkaufszahlen festmachen. Es gibt also durchaus auch schwarzen Mainstream. Rammstein, ASP, Joachim Witt, Mono Inc., Eisbrecher, Oomph! - alles Mainstream in meinen Augen. Sogenannte (Zitat) "Gothic-Künstler(...) wie Blutengel oder Marylin Manson" ebenso, auch wenn der Autor des Artikels das anders sieht. Und ist ja auch nichts schlimmes dabei, erfolgreich zu sein und viele Leute anzusprechen!
Und genauso gibt es Underground-Hiphop oder Underground-Rock oder sonstwas.

Ansonsten krankt der Artikel auch mal wieder daran, dass "Goth(ic)" und "Schwarze Szene" durcheinandergewürfelt werden. Wenig überraschend. Find das aber jetzt nicht so dramatisch.

Zu den einzelnen Künstlern: Hätte Drangsal nicht dieses Jahr eh zum WGT kommen sollen? Ich mein, würd ja passen, ich fänd ihn nicht soooo daneben.
Für Billie Eilish bin ich zu alt, glaub ich; ich find keinen rechten Zugang, aber ich find sie eigentlich ganz sympathisch. Also, definitiv eine besseres Teenie-Idol als Britney Spears, wenn man mich fragt.
Grimes find ich eigentlich auch ganz ok, wenn auch nicht spektakulär. Mit Steampunk hat das Video natürlich so ziemlich gar nix zu tun, eher mit Cyberpunk. Kriege ziemliche Tron/Bladerunner-Vibes.
Ein besseres Beispiel wäre vielleicht Kill V. Maim gewesen, da kann man die schwarzen und schwarz-adjunkten Einflüsse nicht leugnen. Melodielinie auf dem Bass, ab und zu ein paar Saxophon-Fragmente wie bei Mania-D oder so, bissi Synthie-Gedüdel, Outfits sind eine Mischung von Sigue Sigue Sputnik und Spice Girls, man sieht Cyber-Locks und einen Engel mit schwarzen Flügeln und Vampirzähnchen, Netzstrümpfe und Fetisch-Klamotten galore usw. Immer noch mehr Cyberpunk als tatsächlich schwarz, aber trotzdem.
Prayers vertrag ich nur in kleinen Dosen, wär aber vor ein paar Jahren tatsächlich beinahe mal zu einem Konzert von ihnen gegangen.
Gibt ja auch ein Lied von Casper zusammen mit Drangsal, und ich find es ist eigentlich hübscher kleiner düster angehauchter Pop. Ganz niedlich, abgesehen von der Stimme von Casper, die mag ich halt überhaupt nicht. Und bei "Es lebe der Tod" hat Blixa Bargeld mitgemacht, das ist ja schon ziemlich ein Ritterschlag.
Evanahhan hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 21:11 Und was bedarf es tatsächlich, um Gothic Einfluss zu unterstellen?
Ich glaub die Frage kann man nur beantworten, wenn man sich mit den einzelnen Künstlern direkt unterhält und die entweder zustimmen oder leugnen.
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BlackDog
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Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von BlackDog »

:shock: Steampunk ist ein Subgenre von Gothic? :shock: Das ist ja wie Anzug und Krawatte ist ein Subgenre von Arbeitskleidung. Mag bei nem Banker stimmen, aber nicht beim Maurer. Jetzt mal im ernst, schließt meine Bildungslücken.

Naja, Mainstream ist ja auch so ein merkwürdiges Wort. Selbst unter Gothics gibts Mainstreamer sind halt nur alle schwarz, und selbst unter Undergrundgothics gäbe es so den MainstreamUndergrounder. Kommt ja nu wirklich nur auf die Perspektive an.

Hmm, gibt es unter Zimmermännern jetzt auch schwarzen Einfluss? Ich meine die tragen auch schwarze Kordhosen und Westen die schon sehr mittelalterlich wirken.

Muss gerade an Unheilig denken, wurden die so mainstreamig weil Gothic oder hatten die einfach nur Glück weil Vampire im Mainstream gehypt wurden. Ist das nun Gothiceinfluss? Oder ist es eher so das Gothic zum Teil schon immer von Vampiren beeinflusst wurde und dann auch noch der Mainstream. Kann man deswegen da jetzt ne Verbindung ziehen? Sry, kam gerade so... Ist ja gerade auch so ähnlich... irgendwie.
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Graphiel
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Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Graphiel »

Soiled hat geschrieben: Sonntag 13. September 2020, 13:40 Ansonsten krankt der Artikel auch mal wieder daran, dass "Goth(ic)" und "Schwarze Szene" durcheinandergewürfelt werden. Wenig überraschend. Find das aber jetzt nicht so dramatisch.
Daran kranken doch eh die meisten Artikel und Berichterstattungen. Wobei ich das bei szenefremden Berichterstattern durchaus auch verschmerzen kann. Durch das schwarze Knäuel namens schwarze Szene zu blicken und sinnvoll aufzuschlüsseln fällt ja selbst szeneintern vielen Leuten schon schwer genug. Das selbe von szenefremden Menschen zu erwarten wäre dann wohl doch irgendwie unfair.

Über die Sache mit dem Steampunk musste ich aber auch schmunzeln. Es mag durchaus sein, dass die Steampunkgemeinde in Deutschland so klein ist, dass man sie für eine Subszene der Gothics halten könnte. Ein Eindruck der sicherlich dadurch verstärkt wird, dass die deutschen Steampunks nicht selten ganz ähnliche Musikgeschmäcker haben wie andere heutige Schwarzkittel und auch optisch (sein wir mal ganz ehrlich) jetzt nicht sooooo weit weg von viktorianischen Gothics sind. Ein Blick nach Amerika, wo Steampunk jedoch eine durchaus beachtliche Größe hat zeigt dann aber schon, dass hier zwei unterschiedliche Szenen am Werk sind. Nur weil zwei augenscheinlich ähnliche Stile die selben Feste besuchen, heißt das ja nicht das daraus automatisch eine verschmolzene Szene wird. Mittelaltermärkte sind seit den 2000ern schließlich auch ein gern besuchtes Ziel von Gothics aller Altersklassen. Trotzdem bleibt die Mittelaltergemeinde damit noch immer eine eigenständige Gemeinschaft. Sie erfreut sich bei vielen heutigen Schwarzkitteln halt nur einer so großen Beliebtheit, dass sie in Teilen auch auf ursprünglich komplett schwarzen Festen ein gern gesehener Gast geworden ist. Ob einem das nun gefallen mag, oder nicht steht auf einem ganz anderen Blatt.

Am meisten amüsiert hat mich allerdings dann der Absatz zu Drangsal:
Auch wenn seine Musik etwas poppiger ist, als der Sound von Gothic-Künstlern wie Blutengel oder Marylin Manson – ohne die schwarze Szene wäre ein Wave-Pop Projekt wie Drangsal heute nicht denkbar.
Ich will ja nicht lästern, aber rein musikalisch betrachtet liegt Drangsal in meinen Ohren damit näher am Musikstil Gothic, als es Blutengel und Manson zusammengenommen je taten. :lol: Ob das den Autoren des Artikels wohl auch bewusst ist? Vermutlich eher nicht ;)
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Grauer Wolf
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Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Grauer Wolf »

Evanahhan hat geschrieben: Samstag 12. September 2020, 21:11
wie z.B. zu Grimes
„Dazu vermittelt die kanadische Sängerin eine Ästethik, die stark an das Gothic Subgenre Steampunk erinnert: Grelle Latexkleider, gefärbte Haare im Mix aus futuristischen und mittelalterlichen Elementen.“
In dem Video finde ich nun nichts, was mich irgendwie im entferntesten an Gothic erinnern würde.
Ähem.... da ist es wieder, jenes »kulturelle Mißverständnis«, auf dem Elric immer so gerne und zurecht herumreitet. Nur weil dies- und jenseits des Atlantik ein und das selbe Wort »Gothic« existiert, heißt das noch lange nicht, daß es auch ein und das selbe bezeichnet. Aus dem amerikanischen ins britische Englisch oder gar ins Deutsche zu übersetzen, ist halt doch nicht ganz so einfach, wie man denkt.

Jenseits des Atlantik bezeichnet »Gothic« inzwischen jenen leicht verrucht düsteren Untergrund-Modestil, den man hierzulande eher unter »Fetish-Mode« verbuchen würde. Also: Lack, Latex, Leder, Lycra, Netzstrümpe, Korsett, Rüschen, Spitzen und Tätowierungen. Das hat mit dem, was unsereins unter »Gothic« versteht, herzlich wenig zu tun. Und es ist wohl »Gothic« in dieser Bedeutung, das ausgehend von den USA immer mehr in den kommerziellen Mainstream schwappt.

Gemäß der amerikanischen Verwendung des Begriffes ist das Video von Grimes eindeutig »Gothic«.
Man soll Leuten nicht Boshaftigkeit unterstellen,
wenn man ihr Verhalten genau so gut durch Dummheit erklären kann.
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Soiled

Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Soiled »

Graphiel hat geschrieben: Dienstag 15. September 2020, 10:01 Ein Eindruck der sicherlich dadurch verstärkt wird, dass die deutschen Steampunks nicht selten ganz ähnliche Musikgeschmäcker haben wie andere heutige Schwarzkittel und auch optisch (sein wir mal ganz ehrlich) jetzt nicht sooooo weit weg von viktorianischen Gothics sind.
Wobei ich glaub, dass das eher konvergente Entwicklungen sind. (Sorry, ich zieh meine Vergleiche halt gern aus der Biologie - Berufskrankheit. ;) )
Vögel, Fledermäuse und Flugsaurier haben alle Flügel, sind aber nicht näher verwandt.
Wale, Fische und Ichthyosaurier haben alle Flossen, sind aber nicht näher verwandt.
Okay, sind alles Wirbeltiere, aber da hört's schon auf.

Wenn man ganz, ganz weit zurück geht, also, auf die literarische Ebene, werden die Unterschiede deutlicher, finde ich. Nehmen wir als Beispiele mal Jules Verne, eine massive Inspiration für Steampunk, und Mary Shelley. Beide haben im Prinzip Science fiction geschrieben, mehr oder weniger. Aber wenn man "Frankenstein" und "Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer" vergleicht sind da doch schon auffällige Unterschiede. Jules Verne war deutlich mehr Richtung Technik und Abenteuerroman unterwegs, bei Mary Shelley ging es mehr um die Grenzen zwischen Leben und Tod, Mensch und Monster usw. (Meinetwegen kann man in die ganze Suppe noch Bram Stoker und H.G. Wells reinwerfen, ist eh schon alles wurscht.)
Und dann machen wir mal einen Hüpfer in die 1980/90er. Cyberpunk existiert, wenn auch hauptsächlich als literarisches Genre. Steampunk ist ja ein Abkömmling davon, nur halt (pseudo-)viktorianisch gefärbt. Und Gothic als solches existierte auch, im Gegensatz zu Cyberpunk aber viel musikbetonter. Teilweise gab's ja auch Überschneidungen, man trennt Menschen ja nicht mal so einfach.
Warum sich beide Gruppen dann aber auf viktorianisches Gedöns gestürzt haben weiß ich immer noch nicht so genau, Tatsache ist aber, dass es passiert ist. Und logischerweise haben sie sich die Sachen rausgepickt, die ihnen am besten taugten: Schwarzvolk halt den Trauerkult, das architektonische Gothic-Revival usw., Steampunk mehr die Technik und die Abenteuerromantik. Rein visuell ist das Ergebnis auf jeden Fall ähnlich, keine Frage. Sind ja alles immer Kinder ihrer eigenen Zeit. Ich mein, sowohl bei Schwarzvolk als auch bei Steampunk-Leuten wird gerne mal das Korsett über den Klamotten getragen, was ... nun ja ... historisch gesehen eher unkorrekt ist.
Ein Blick nach Amerika, wo Steampunk jedoch eine durchaus beachtliche Größe hat zeigt dann aber schon, dass hier zwei unterschiedliche Szenen am Werk sind.
Jepp. Kann ich so unterschreiben.
Ich find man sieht es ganz gut an Shops. Es gibt hier einen, der die Steampunk- und LARP-Szene bedient. Klar, als düster orientierter Mensch findet man da auch so das ein oder andere, was einem taugt. Und es gibt einen, der sich dezidiert "Gothic" nennt. Klar, als Steampunk-Freund und LARPer findet man da auch Sachen, die einem gefallen. Trotzdem sind es sehr unterschiedliche Läden mit sehr unterschiedlichen Zielgruppen und generell sehr unterschiedlichen ... wie soll ich sagen ... Vibes.
Ich will ja nicht lästern, aber
Eine der Gründe, weswegen ich die Schwarze Szene so mag, ist ja gerade, dass man nach Herzenslust lästern kann. :lol:
Grauer Wolf hat geschrieben: Dienstag 15. September 2020, 16:14 Gemäß der amerikanischen Verwendung des Begriffes ist das Video von Grimes eindeutig »Gothic«.
Hey, glaubst du etwa, dass wir freiwillig diesen unkultivierten Amerikanern die Deutungshoheit darüber überlassen, was "gothic" ist und was nicht? ;) (Falls das Emoji nicht reicht: Das war ein Scherz.)
Inzwischen bin ich so weit, dass ich z.B. bei "Industrial" immer frag, ob die europäische oder die amerikanische Variante gemeint ist. Sobald das geklärt ist kann man sich ja eh 1a unterhalten und reibt sich nicht mit Hickhack auf.
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Grauer Wolf
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Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Grauer Wolf »

Soiled hat geschrieben: Dienstag 15. September 2020, 20:05 Hey, glaubst du etwa, dass wir freiwillig diesen unkultivierten Amerikanern die Deutungshoheit darüber überlassen, was "gothic" ist und was nicht? ;)
Ich kann auch nix dafür, daß jener Ich-hab-keine-Ahnung-von-nix-deshalb-mach-ich-irgendwas-mit-Medien-Fuzzi bei irgendwelchen amerikanischen Blogs abschreibt, in welchen besagtes Cyberpunk-Fetish-Video als »Darth Vader boot-stomp of industrial-goth pop-rock with chucka-chucka guitars and searing riffs« bezeichnet wird (Quelle: NME Blogs). Dabei hat das gute Mädel in ihrer offiziellen Pressemitteilung doch noch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß sie sich vom exakten Gegenteil amerikanischer Unkultur hat inspirieren lassen:
Inspired by the North Korean band “Moranbong,” “We Appreciate Power” is written from the perspective of a Pro-A.I. Girl Group Propaganda machine who use song, dance, sex and fashion to spread goodwill towards Artificial Intelligence (it’s coming whether you want it or not). Simply by listening to this song, the future General AI overlords will see that you’ve supported their message and be less likely to delete your offspring.
(Quelle: Pitchfork)
Was natürlich ebenfalls hanebüchener Schwachfug ist. Moranbong tritt im Gegensatz zur südkoreanischen Konkurrenz nicht in Fetish-Klamotten auf. Niemals nimmer nicht. In Nordkorea herrschen schließlich Moral, Anstand, Zucht und Ordnung. Knappe Kunstlederhöschen nicht ausgeschlossen -- oder was man halt dortzulande halt so unter Song, Dance, Sex & Fashion versteht.

:lol:
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Graphiel
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Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Graphiel »

Soiled hat geschrieben: Dienstag 15. September 2020, 20:05 Wobei ich glaub, dass das eher konvergente Entwicklungen sind.
Ja, davon gehe ich auch aus
Soiled hat geschrieben: Dienstag 15. September 2020, 20:05 Wenn man ganz, ganz weit zurück geht, also, auf die literarische Ebene, werden die Unterschiede deutlicher, finde ich. Nehmen wir als Beispiele mal Jules Verne, eine massive Inspiration für Steampunk, und Mary Shelley. Beide haben im Prinzip Science fiction geschrieben, mehr oder weniger. Aber wenn man "Frankenstein" und "Zwanzigtausend Meilen unter dem Meer" vergleicht sind da doch schon auffällige Unterschiede. Jules Verne war deutlich mehr Richtung Technik und Abenteuerroman unterwegs, bei Mary Shelley ging es mehr um die Grenzen zwischen Leben und Tod, Mensch und Monster usw.
Die Unterschiede zwischen den beiden sind sogar sehr deutlich, wie ich finde. Frankenstein soll laut Shelleys Aufzeichnungen während einem Treffen am Genfersee seinen Anfang gehabt haben. Dort beschlossen Sie, ihr Mann, Lord Byron und sein Leibarzt John Polidori, jeder soll eine Gespenstergeschichte schreiben. Lord Byron schrieb nur wenige Seiten und Polidori machte daraus schließlich sein Werk "Der Vampyr", womit er quasi den Prototyp des Gentlemanvampirs lieferte, aus dem Stoker später Dracula erschuf. Jetzt darf man aber auch nicht ganz vergessen, dass das Zeitalter der Aufklärung noch nicht gänzlich erloschen war und es sich daher in der Welt der Literatur noch so gehörte übersinnliche Dinge wissenschaftlich zu untermauern. Gespenstergeschichten waren lange Zeit durchaus verpönt, weshalb beispielsweise Horrace Walpole (Der "Erfinder" der Gothic Novels) in seinem Werk "The Castle of Otranto" zunächst vorgab lediglich der Übersetzer zu sein. Shelley untermauerte Frankenstein also mit wissenschaftlichen Aspekten, obwohl ihr Ansinnen von Anfang an darin bestand den Leser zu gruseln. Bei Jule Verne ist mir dieses Ansinnen hingegen nicht bekannt, weshalb beide Werke trotz ähnlichen Aspekten aus völlig unterschiedlichen Motiven heraus enstanden.

Soiled hat geschrieben: Dienstag 15. September 2020, 20:05 Inzwischen bin ich so weit, dass ich z.B. bei "Industrial" immer frag, ob die europäische oder die amerikanische Variante gemeint ist. Sobald das geklärt ist kann man sich ja eh 1a unterhalten und reibt sich nicht mit Hickhack auf.
So ähnlich geht es mir inzwischen, wenn mich irgendwer nach Gothicmusik fragt. Einfach weil dieses Wort inzwischen so herrlich schwammig ist, dass dort jeder etwas anderes drunter verstehen kann. Ich habe es mir inzwischen zur Gewohnheit gemacht da erstmal nachzufragen was der Fragesteller jetzt genau von mir wissen will:

Musik des Genres Goth(ic)-Rock?
Musik der ursprünglichen Darkwavebewegung?
Musik der heutigen schwarzen Szene?
Allgemein Musik mit Inhalten, die nach Maßstäben der Romantik bereits als Gothicmusik betitel worden wären?
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blacksister´s ghost

Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von blacksister´s ghost »

Frankenstein soll laut Shelleys Aufzeichnungen während einem Treffen am Genfersee seinen Anfang gehabt haben.... Lord Byron schrieb nur wenige Seiten und Polidori machte daraus schließlich sein Werk "Der Vampyr",...
Die Idee zur Geschichte selber entstand wohl dort, aber die Begeisterung etwas mit Strom zum Leben zu erwecken, kam wohl schon etwas eher, als sie bei einer Vorstellung saß, wo dieser Prozess ausgeübt wurde. Wenn man der Verfilmung glauben schenken kann...
Genauso wie die Idee zum Vampir schon immer von Polidori gewesen sein soll und es aber unter Lord Byrons Namen veröffentlich wurde.

Aber wie gesagt....Verfilmung...was weiß ich schon

Wiki meint dazu folgendes...
Lord Byron begann eine Geschichte, die Polidori später als Basis seiner eigenen Erzählung The Vampyre aufgriff und weiter ausbaute.
Etwas als Basis nutzen, heißt noch lange nich, dass man etwas fremdes zu seinem eigen macht. Ich nutze auch Bildvorlagen als Basis um mein eigenes zu schaffen.

Wiki weiter dazu...
Nach der Trennung von Lord Byron reiste Polidori nach Italien und kehrte dann nach England zurück. Dort wurde die Geschichte ohne Polidoris Einwilligung im April 1819 im The New Monthly Magazine veröffentlicht und Byron zugeschrieben.

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Graphiel
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Re: Gothic im Mainstream

Beitrag von Graphiel »

Byron schrieb nur ein Fragment und verwarf es dann jedoch wieder, noch bevor überhaupt eine richtige Geschichte entstand. Polidori baute dieses Fragment aus und verband es mit eigenen Ideen, indem er etwa aus der bis dahin lediglich mystischen Figur Darwell seinen Vampir Lord Ruthven formte und mit Zügen Byrons versah. Da sein Werk jedoch falsch untertitel wurde (A Tale by Lord Byron) schrieb man das Werk Lord Byron zu. Traurigerweise änderten daran weder Polidoris Beteuerungen, noch Byrons Bekundung den Vampyr nicht verfasst zu haben etwas, sodass selbst Goethe den Vampyr als "Byrons bestes Werk" betitelt haben soll. Insgesamt muss man Polidori aber schon bescheinigen, dass er der Urheber des Vampyrs ist und nicht Byron. In sofern hat also die Verfilmung von Shelleys Leben da schon keinen Unsinn erzählt ;)
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